nie über irdische Güter und über meines Groß-Va- ters Vermächtniß anders gefreuet habe, als in so fern sie mir mehr Vermögen gaben, einige mir an- genehme Handlungen vorzunehmen. Wenn ich dieses Vermögen verliehre, so muß ich mich darein schicken, und bisweilen unterlassen das zu thun, wozu mich meine Neigung treibet.
Dencken Sie nicht, daß das ein heimlicher Spott seyn sollen, was ich von meinen Geschwistern ge- schrieben habe. Es ist wahr, es ist schlimm genug, wenn ich auch die beste Auslegung darüber mache: und eine jede unpartheyische Person würde glauben, daß sie jetzt vielweniger Ursache hätten als jemals mich bey allen meinen Freunden anzuschwärtzen, wenn sie auf die Ehre unserer Familie sehen wollten.
Doch wieder auf das vorige zu kommen, versu- chen Sie es, ob Jhre Mutter die Fortsetzung un- sers Brief-Wechsels gestatten will, wenn sie un- ter der oben gemeldeten Bedingung alle unsere Briefe zu sehen bekommt. Sagt sie aber dennoch nein, so würde ich meine Liebe zu Jhnen für nichts als Eigenliebe halten können, wenn ich verlangete, daß Sie um meinetwillen Jhre Pflicht aus den Au- gen setzen sollten.
Noch ein Wort zur Entschuldigung der Frey- heiten, die ich mir in meinem verdrießlichen Straf- Brieffe genommen habe! Jch hoffe zuversichtiglich auf Jhre Vergebung. Denn wenige Freundschaf- ten sind auf einen solchen Grund gebaut als die un- srige; nemlich "daß wir uns freymüthig unsere Feh- "ler verweisen und den Verweiß danckbarlich anneh-
men
X 5
nie uͤber irdiſche Guͤter und uͤber meines Groß-Va- ters Vermaͤchtniß anders gefreuet habe, als in ſo fern ſie mir mehr Vermoͤgen gaben, einige mir an- genehme Handlungen vorzunehmen. Wenn ich dieſes Vermoͤgen verliehre, ſo muß ich mich darein ſchicken, und bisweilen unterlaſſen das zu thun, wozu mich meine Neigung treibet.
Dencken Sie nicht, daß das ein heimlicher Spott ſeyn ſollen, was ich von meinen Geſchwiſtern ge- ſchrieben habe. Es iſt wahr, es iſt ſchlimm genug, wenn ich auch die beſte Auslegung daruͤber mache: und eine jede unpartheyiſche Perſon wuͤrde glauben, daß ſie jetzt vielweniger Urſache haͤtten als jemals mich bey allen meinen Freunden anzuſchwaͤrtzen, wenn ſie auf die Ehre unſerer Familie ſehen wollten.
Doch wieder auf das vorige zu kommen, verſu- chen Sie es, ob Jhre Mutter die Fortſetzung un- ſers Brief-Wechſels geſtatten will, wenn ſie un- ter der oben gemeldeten Bedingung alle unſere Briefe zu ſehen bekommt. Sagt ſie aber dennoch nein, ſo wuͤrde ich meine Liebe zu Jhnen fuͤr nichts als Eigenliebe halten koͤnnen, wenn ich verlangete, daß Sie um meinetwillen Jhre Pflicht aus den Au- gen ſetzen ſollten.
Noch ein Wort zur Entſchuldigung der Frey- heiten, die ich mir in meinem verdrießlichen Straf- Brieffe genommen habe! Jch hoffe zuverſichtiglich auf Jhre Vergebung. Denn wenige Freundſchaf- ten ſind auf einen ſolchen Grund gebaut als die un- ſrige; nemlich „daß wir uns freymuͤthig unſere Feh- „ler verweiſen und den Verweiß danckbarlich anneh-
men
X 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0343"n="329"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
nie uͤber irdiſche Guͤter und uͤber meines Groß-Va-<lb/>
ters Vermaͤchtniß anders gefreuet habe, als in ſo<lb/>
fern ſie mir mehr Vermoͤgen gaben, einige mir an-<lb/>
genehme Handlungen vorzunehmen. Wenn ich<lb/>
dieſes Vermoͤgen verliehre, ſo muß ich mich darein<lb/>ſchicken, und bisweilen unterlaſſen das zu thun,<lb/>
wozu mich meine Neigung treibet.</p><lb/><p>Dencken Sie nicht, daß das ein heimlicher Spott<lb/>ſeyn ſollen, was ich von meinen Geſchwiſtern ge-<lb/>ſchrieben habe. Es iſt wahr, es iſt ſchlimm genug,<lb/>
wenn ich auch die beſte Auslegung daruͤber mache:<lb/>
und eine jede unpartheyiſche Perſon wuͤrde glauben,<lb/>
daß ſie jetzt vielweniger Urſache haͤtten als jemals<lb/>
mich bey allen meinen Freunden anzuſchwaͤrtzen,<lb/>
wenn ſie auf die Ehre unſerer Familie ſehen wollten.</p><lb/><p>Doch wieder auf das vorige zu kommen, verſu-<lb/>
chen Sie es, ob Jhre Mutter die Fortſetzung un-<lb/>ſers Brief-Wechſels geſtatten will, wenn ſie un-<lb/>
ter der oben gemeldeten Bedingung alle unſere<lb/>
Briefe zu ſehen bekommt. Sagt ſie aber dennoch<lb/>
nein, ſo wuͤrde ich meine Liebe zu Jhnen fuͤr nichts<lb/>
als Eigenliebe halten koͤnnen, wenn ich verlangete,<lb/>
daß Sie um meinetwillen Jhre Pflicht aus den Au-<lb/>
gen ſetzen ſollten.</p><lb/><p>Noch ein Wort zur Entſchuldigung der Frey-<lb/>
heiten, die ich mir in meinem verdrießlichen Straf-<lb/>
Brieffe genommen habe! Jch hoffe zuverſichtiglich<lb/>
auf Jhre Vergebung. Denn wenige Freundſchaf-<lb/>
ten ſind auf einen ſolchen Grund gebaut als die un-<lb/>ſrige; nemlich „daß wir uns freymuͤthig unſere Feh-<lb/>„ler verweiſen und den Verweiß danckbarlich anneh-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">X 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">men</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[329/0343]
nie uͤber irdiſche Guͤter und uͤber meines Groß-Va-
ters Vermaͤchtniß anders gefreuet habe, als in ſo
fern ſie mir mehr Vermoͤgen gaben, einige mir an-
genehme Handlungen vorzunehmen. Wenn ich
dieſes Vermoͤgen verliehre, ſo muß ich mich darein
ſchicken, und bisweilen unterlaſſen das zu thun,
wozu mich meine Neigung treibet.
Dencken Sie nicht, daß das ein heimlicher Spott
ſeyn ſollen, was ich von meinen Geſchwiſtern ge-
ſchrieben habe. Es iſt wahr, es iſt ſchlimm genug,
wenn ich auch die beſte Auslegung daruͤber mache:
und eine jede unpartheyiſche Perſon wuͤrde glauben,
daß ſie jetzt vielweniger Urſache haͤtten als jemals
mich bey allen meinen Freunden anzuſchwaͤrtzen,
wenn ſie auf die Ehre unſerer Familie ſehen wollten.
Doch wieder auf das vorige zu kommen, verſu-
chen Sie es, ob Jhre Mutter die Fortſetzung un-
ſers Brief-Wechſels geſtatten will, wenn ſie un-
ter der oben gemeldeten Bedingung alle unſere
Briefe zu ſehen bekommt. Sagt ſie aber dennoch
nein, ſo wuͤrde ich meine Liebe zu Jhnen fuͤr nichts
als Eigenliebe halten koͤnnen, wenn ich verlangete,
daß Sie um meinetwillen Jhre Pflicht aus den Au-
gen ſetzen ſollten.
Noch ein Wort zur Entſchuldigung der Frey-
heiten, die ich mir in meinem verdrießlichen Straf-
Brieffe genommen habe! Jch hoffe zuverſichtiglich
auf Jhre Vergebung. Denn wenige Freundſchaf-
ten ſind auf einen ſolchen Grund gebaut als die un-
ſrige; nemlich „daß wir uns freymuͤthig unſere Feh-
„ler verweiſen und den Verweiß danckbarlich anneh-
men
X 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/343>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.