Hoffnung und der wunderlichen Anschläge ihrer An- verwanten. Werden sie die Meinige. Sehen sie, ich kniee vor ihnen, und bitte sie darum. Alsdenn wird jedermann auf unserer Seite seyn; und alle Leute werden das billigen, was sie jetzund erwarten.
Ließ ich mich vom Teuffel reiten? Jch hatte mir eben so wenig etwas von dergleichen entzückenden Unverstande zu plaudern vorgenommen, als ich ge- sinnet war, in der Lufft herum zu fliegen. Das un- vergleichliche Kind hat mein gantzes Hertz in Hän- den: nicht die Fräulein sondern ich werde in dieser Versuchung unterliegen müssen.
Hast du je gehört, daß eine Manns-Person das Frauenzimmer so feyerlich um die Ehe angespro- chen hat, ohne einen Vorsatz zu haben, ja sogar wi- der einen wohl überlegten Vorsatz, und zum Hohn aller ihrer hochmüthigen Anschläge? Dieses ange- nehme Kind kann ihre Diener zwingen, alle Mis- geburten ihres Hertzens, die zu ihrem Schaden ge- reichen, zu hassen. Jch wollte mich fast entschliessen, sie in keine neue Versuchungen zu führen, (und was für Versuchungen hat sie bisher gehabt?) wenn sie nicht selbst durch ihre sorgfältige Wachsamkeit gleichsam ein Spiel angefangen hätte, auszuma- chen, wer dem andern an Verstande überlegen sey. Du weißt, wie edel ich mit meinem Rosen-Knöspgen umgegangen bin, weil es mir nicht trotzete. Wenn ich meine allzu grosse Zuneigung zu diesem himmli- schen Kinde mäßigen will, so gedencke ich oft daran, daß das schönste Frauenzimmer, wenn es auch eine Königin wäre, vor dem geringsten schönen Bauer-
Mäd-
Dritter Theil. Z
Hoffnung und der wunderlichen Anſchlaͤge ihrer An- verwanten. Werden ſie die Meinige. Sehen ſie, ich kniee vor ihnen, und bitte ſie darum. Alsdenn wird jedermann auf unſerer Seite ſeyn; und alle Leute werden das billigen, was ſie jetzund erwarten.
Ließ ich mich vom Teuffel reiten? Jch hatte mir eben ſo wenig etwas von dergleichen entzuͤckenden Unverſtande zu plaudern vorgenommen, als ich ge- ſinnet war, in der Lufft herum zu fliegen. Das un- vergleichliche Kind hat mein gantzes Hertz in Haͤn- den: nicht die Fraͤulein ſondern ich werde in dieſer Verſuchung unterliegen muͤſſen.
Haſt du je gehoͤrt, daß eine Manns-Perſon das Frauenzimmer ſo feyerlich um die Ehe angeſpro- chen hat, ohne einen Vorſatz zu haben, ja ſogar wi- der einen wohl uͤberlegten Vorſatz, und zum Hohn aller ihrer hochmuͤthigen Anſchlaͤge? Dieſes ange- nehme Kind kann ihre Diener zwingen, alle Mis- geburten ihres Hertzens, die zu ihrem Schaden ge- reichen, zu haſſen. Jch wollte mich faſt entſchlieſſen, ſie in keine neue Verſuchungen zu fuͤhren, (und was fuͤr Verſuchungen hat ſie bisher gehabt?) wenn ſie nicht ſelbſt durch ihre ſorgfaͤltige Wachſamkeit gleichſam ein Spiel angefangen haͤtte, auszuma- chen, wer dem andern an Verſtande uͤberlegen ſey. Du weißt, wie edel ich mit meinem Roſen-Knoͤſpgen umgegangen bin, weil es mir nicht trotzete. Wenn ich meine allzu groſſe Zuneigung zu dieſem himmli- ſchen Kinde maͤßigen will, ſo gedencke ich oft daran, daß das ſchoͤnſte Frauenzimmer, wenn es auch eine Koͤnigin waͤre, vor dem geringſten ſchoͤnen Bauer-
Maͤd-
Dritter Theil. Z
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Hoffnung und der wunderlichen Anſchlaͤge ihrer An-
verwanten. Werden ſie die Meinige. Sehen ſie,
ich kniee vor ihnen, und bitte ſie darum. Alsdenn
wird jedermann auf unſerer Seite ſeyn; und alle
Leute werden das billigen, was ſie jetzund erwarten.
Ließ ich mich vom Teuffel reiten? Jch hatte mir
eben ſo wenig etwas von dergleichen entzuͤckenden
Unverſtande zu plaudern vorgenommen, als ich ge-
ſinnet war, in der Lufft herum zu fliegen. Das un-
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den: nicht die Fraͤulein ſondern ich werde in dieſer
Verſuchung unterliegen muͤſſen.
Haſt du je gehoͤrt, daß eine Manns-Perſon das
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chen hat, ohne einen Vorſatz zu haben, ja ſogar wi-
der einen wohl uͤberlegten Vorſatz, und zum Hohn
aller ihrer hochmuͤthigen Anſchlaͤge? Dieſes ange-
nehme Kind kann ihre Diener zwingen, alle Mis-
geburten ihres Hertzens, die zu ihrem Schaden ge-
reichen, zu haſſen. Jch wollte mich faſt entſchlieſſen,
ſie in keine neue Verſuchungen zu fuͤhren, (und was
fuͤr Verſuchungen hat ſie bisher gehabt?) wenn ſie
nicht ſelbſt durch ihre ſorgfaͤltige Wachſamkeit
gleichſam ein Spiel angefangen haͤtte, auszuma-
chen, wer dem andern an Verſtande uͤberlegen ſey.
Du weißt, wie edel ich mit meinem Roſen-Knoͤſpgen
umgegangen bin, weil es mir nicht trotzete. Wenn
ich meine allzu groſſe Zuneigung zu dieſem himmli-
ſchen Kinde maͤßigen will, ſo gedencke ich oft daran,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/367>, abgerufen am 22.12.2024.
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