willen bitte ich dich, mit diesem unvergleichlichen Kinde nicht gottlos umzugehen, das um seiner selbst willen verdienet, daß du ihm ehrlich be- gegnest.
Als ich das letzte mahl zu M. - - - Hall war, er- suchte mich dein Onckle sehr ernstlich, daß ich dich bereden möchte zu heyrathen. Er brachte solche Gründe vor, die mich nöthigten seiner Meinung bey- zustimmen, sonderlich da ich wußte, daß du gegen dieses Frauenzimmer damahls solche Absichten hat- test, die sich zu ihren vortreflichen Eigenschaften schickten. Jch versicherte dieses seiner Gnaden: Denn dein Onckle war deinetwegen nicht gantz ausser Sorgen. Allein nachdem sich deine Absichten ge- ändert haben, so kann ich mich ohnmöglich ent- halten, dir die Sache recht ernstlich vorzustellen.
Von dir und von andern habe ich so viel unver- gleichliches von den Eigenschaften deiner Fräulein gehöret, und alle deine Briefe sind so voll davon, daß ich dich frage: wo willst du ein anderes Frauen- zimmer finden, das mit ihr einigermassen zu ver- gleichen ist? Warum willst du ihre Tugend auf die Probe setzen, da du nicht den geringsten Grund hast, sie in Zweifel zu ziehen?
Wenn ich in deinen Umständen wäre, wenn ich heyrathen wollte, und diese Schöne, allen andern, die ich kenne, vorzöge; so würde ich mich fürchten, eine neue Probe anzustellen, damit ich nicht das Un- glück haben möchte, daß mir mein Versuch gelün- ge. Wir kennen ja das Frauenzimmer und dessen Schwäche wohl. Es würde mir desto mehr vor
einem
willen bitte ich dich, mit dieſem unvergleichlichen Kinde nicht gottlos umzugehen, das um ſeiner ſelbſt willen verdienet, daß du ihm ehrlich be- gegneſt.
Als ich das letzte mahl zu M. ‒ ‒ ‒ Hall war, er- ſuchte mich dein Onckle ſehr ernſtlich, daß ich dich bereden moͤchte zu heyrathen. Er brachte ſolche Gruͤnde vor, die mich noͤthigten ſeiner Meinung bey- zuſtimmen, ſonderlich da ich wußte, daß du gegen dieſes Frauenzimmer damahls ſolche Abſichten hat- teſt, die ſich zu ihren vortreflichen Eigenſchaften ſchickten. Jch verſicherte dieſes ſeiner Gnaden: Denn dein Onckle war deinetwegen nicht gantz auſſer Sorgen. Allein nachdem ſich deine Abſichten ge- aͤndert haben, ſo kann ich mich ohnmoͤglich ent- halten, dir die Sache recht ernſtlich vorzuſtellen.
Von dir und von andern habe ich ſo viel unver- gleichliches von den Eigenſchaften deiner Fraͤulein gehoͤret, und alle deine Briefe ſind ſo voll davon, daß ich dich frage: wo willſt du ein anderes Frauen- zimmer finden, das mit ihr einigermaſſen zu ver- gleichen iſt? Warum willſt du ihre Tugend auf die Probe ſetzen, da du nicht den geringſten Grund haſt, ſie in Zweifel zu ziehen?
Wenn ich in deinen Umſtaͤnden waͤre, wenn ich heyrathen wollte, und dieſe Schoͤne, allen andern, die ich kenne, vorzoͤge; ſo wuͤrde ich mich fuͤrchten, eine neue Probe anzuſtellen, damit ich nicht das Un- gluͤck haben moͤchte, daß mir mein Verſuch geluͤn- ge. Wir kennen ja das Frauenzimmer und deſſen Schwaͤche wohl. Es wuͤrde mir deſto mehr vor
einem
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willen bitte ich dich, mit dieſem unvergleichlichen
Kinde nicht gottlos umzugehen, das um ſeiner
ſelbſt willen verdienet, daß du ihm ehrlich be-
gegneſt.
Als ich das letzte mahl zu M. ‒ ‒ ‒ Hall war, er-
ſuchte mich dein Onckle ſehr ernſtlich, daß ich dich
bereden moͤchte zu heyrathen. Er brachte ſolche
Gruͤnde vor, die mich noͤthigten ſeiner Meinung bey-
zuſtimmen, ſonderlich da ich wußte, daß du gegen
dieſes Frauenzimmer damahls ſolche Abſichten hat-
teſt, die ſich zu ihren vortreflichen Eigenſchaften
ſchickten. Jch verſicherte dieſes ſeiner Gnaden:
Denn dein Onckle war deinetwegen nicht gantz auſſer
Sorgen. Allein nachdem ſich deine Abſichten ge-
aͤndert haben, ſo kann ich mich ohnmoͤglich ent-
halten, dir die Sache recht ernſtlich vorzuſtellen.
Von dir und von andern habe ich ſo viel unver-
gleichliches von den Eigenſchaften deiner Fraͤulein
gehoͤret, und alle deine Briefe ſind ſo voll davon,
daß ich dich frage: wo willſt du ein anderes Frauen-
zimmer finden, das mit ihr einigermaſſen zu ver-
gleichen iſt? Warum willſt du ihre Tugend auf
die Probe ſetzen, da du nicht den geringſten Grund
haſt, ſie in Zweifel zu ziehen?
Wenn ich in deinen Umſtaͤnden waͤre, wenn ich
heyrathen wollte, und dieſe Schoͤne, allen andern,
die ich kenne, vorzoͤge; ſo wuͤrde ich mich fuͤrchten,
eine neue Probe anzuſtellen, damit ich nicht das Un-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/390>, abgerufen am 22.12.2024.
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