Man glaubte in der That nicht, daß Sie sich dem Befehl Jhres Vaters widersetzen würden. Er war entschlossen sich auf das äusserste gegen Sie he- runter zu lassen, wenn Sie Jhn nur nicht wieder von neuen zum Unwillen reitzten. Noch wenige Stunden vorher, ehe er die Zeitung bekam, die bey- nahe sein Todt gewesen wäre, sagte er: ich habe meine Clärchen Harlowe lieb. Jch habe Sie so lieb als mein Hertz. Jch will Jhr zu Füssen fal- len und vor ihr nieder knien, wenn ich Sie durch kein anderes Mittel erweichen kann.
Sie sehen also daß sich alles würde umgekeh- ret haben, und daß Jhre Eltern Jhnen wür- den zu Füssen gefallen seyn. Wenn Sie aber den- noch nein gesagt, und sich gewegert hätten die schon aufgesetzte Ehestiftung zu unterschreiben: so würden Jhre Eltern, ob gleich nicht ohne Betrübniß nach- gegeben haben.
Allein man hoffete von Jhrem artigen und nach- gebenden Gemüth, daß die blosse Abneigung gegen den einen Freyer Sie nicht zum Ungehorsam würde verleitet haben, wenn Sie nicht zugleich eine stär- kere Zuneigung zu dem andern hätten als man da- mahls glauben konnte.
Hätten Sie sich aber dennoch gewegert, so wür- de der Mittewochen nicht der schwereste Tag vor Sie gewesen seyn. Es würde weiter nichts gesche- hen seyn als dieses: sie sollten allen Jhren Freun- den vorgestellet, und dabey gesagt werden: Sie wä- ren das bisher vollkommen artige, gehorsame, gefällige Kind, das sich jetzt rühmen könnte über den Willen seiner gütigen Eltern und Onckles und über
die
Dritter Theil. B b
Man glaubte in der That nicht, daß Sie ſich dem Befehl Jhres Vaters widerſetzen wuͤrden. Er war entſchloſſen ſich auf das aͤuſſerſte gegen Sie he- runter zu laſſen, wenn Sie Jhn nur nicht wieder von neuen zum Unwillen reitzten. Noch wenige Stunden vorher, ehe er die Zeitung bekam, die bey- nahe ſein Todt geweſen waͤre, ſagte er: ich habe meine Claͤrchen Harlowe lieb. Jch habe Sie ſo lieb als mein Hertz. Jch will Jhr zu Fuͤſſen fal- len und vor ihr nieder knien, wenn ich Sie durch kein anderes Mittel erweichen kann.
Sie ſehen alſo daß ſich alles wuͤrde umgekeh- ret haben, und daß Jhre Eltern Jhnen wuͤr- den zu Fuͤſſen gefallen ſeyn. Wenn Sie aber den- noch nein geſagt, und ſich gewegert haͤtten die ſchon aufgeſetzte Eheſtiftung zu unterſchreiben: ſo wuͤrden Jhre Eltern, ob gleich nicht ohne Betruͤbniß nach- gegeben haben.
Allein man hoffete von Jhrem artigen und nach- gebenden Gemuͤth, daß die bloſſe Abneigung gegen den einen Freyer Sie nicht zum Ungehorſam wuͤrde verleitet haben, wenn Sie nicht zugleich eine ſtaͤr- kere Zuneigung zu dem andern haͤtten als man da- mahls glauben konnte.
Haͤtten Sie ſich aber dennoch gewegert, ſo wuͤr- de der Mittewochen nicht der ſchwereſte Tag vor Sie geweſen ſeyn. Es wuͤrde weiter nichts geſche- hen ſeyn als dieſes: ſie ſollten allen Jhren Freun- den vorgeſtellet, und dabey geſagt werden: Sie waͤ- ren das bisher vollkommen artige, gehorſame, gefaͤllige Kind, das ſich jetzt ruͤhmen koͤnnte uͤber den Willen ſeiner guͤtigen Eltern und Onckles und uͤber
die
Dritter Theil. B b
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><floatingText><body><pbfacs="#f0399"n="385"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Man glaubte in der That nicht, daß Sie ſich<lb/>
dem Befehl Jhres Vaters widerſetzen wuͤrden. Er<lb/>
war entſchloſſen ſich auf das aͤuſſerſte gegen Sie he-<lb/>
runter zu laſſen, wenn Sie Jhn nur nicht wieder<lb/>
von neuen zum Unwillen reitzten. Noch wenige<lb/>
Stunden vorher, ehe er die Zeitung bekam, die bey-<lb/>
nahe ſein Todt geweſen waͤre, ſagte er: ich habe<lb/>
meine <hirendition="#fr">Claͤrchen Harlowe</hi> lieb. Jch habe Sie<lb/>ſo lieb als mein Hertz. Jch will Jhr zu Fuͤſſen fal-<lb/>
len und vor ihr nieder knien, wenn ich Sie durch<lb/>
kein anderes Mittel erweichen kann.</p><lb/><p>Sie ſehen alſo daß ſich alles wuͤrde umgekeh-<lb/>
ret haben, und daß Jhre Eltern Jhnen wuͤr-<lb/>
den zu Fuͤſſen gefallen ſeyn. Wenn Sie aber den-<lb/>
noch nein geſagt, und ſich gewegert haͤtten die ſchon<lb/>
aufgeſetzte Eheſtiftung zu unterſchreiben: ſo wuͤrden<lb/>
Jhre Eltern, ob gleich nicht ohne Betruͤbniß nach-<lb/>
gegeben haben.</p><lb/><p>Allein man hoffete von Jhrem artigen und nach-<lb/>
gebenden Gemuͤth, daß die bloſſe Abneigung gegen<lb/>
den einen Freyer Sie nicht zum Ungehorſam wuͤrde<lb/>
verleitet haben, wenn Sie nicht zugleich eine ſtaͤr-<lb/>
kere Zuneigung zu dem andern haͤtten als man da-<lb/>
mahls glauben konnte.</p><lb/><p>Haͤtten Sie ſich aber dennoch gewegert, ſo wuͤr-<lb/>
de der Mittewochen nicht der ſchwereſte Tag vor<lb/>
Sie geweſen ſeyn. Es wuͤrde weiter nichts geſche-<lb/>
hen ſeyn als dieſes: ſie ſollten allen Jhren Freun-<lb/>
den vorgeſtellet, und dabey geſagt werden: Sie waͤ-<lb/>
ren das bisher vollkommen artige, gehorſame,<lb/>
gefaͤllige Kind, das ſich jetzt ruͤhmen koͤnnte uͤber den<lb/>
Willen ſeiner guͤtigen Eltern und Onckles und uͤber<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Dritter Theil.</hi> B b</fw><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></body></floatingText></div></div></body></text></TEI>
[385/0399]
Man glaubte in der That nicht, daß Sie ſich
dem Befehl Jhres Vaters widerſetzen wuͤrden. Er
war entſchloſſen ſich auf das aͤuſſerſte gegen Sie he-
runter zu laſſen, wenn Sie Jhn nur nicht wieder
von neuen zum Unwillen reitzten. Noch wenige
Stunden vorher, ehe er die Zeitung bekam, die bey-
nahe ſein Todt geweſen waͤre, ſagte er: ich habe
meine Claͤrchen Harlowe lieb. Jch habe Sie
ſo lieb als mein Hertz. Jch will Jhr zu Fuͤſſen fal-
len und vor ihr nieder knien, wenn ich Sie durch
kein anderes Mittel erweichen kann.
Sie ſehen alſo daß ſich alles wuͤrde umgekeh-
ret haben, und daß Jhre Eltern Jhnen wuͤr-
den zu Fuͤſſen gefallen ſeyn. Wenn Sie aber den-
noch nein geſagt, und ſich gewegert haͤtten die ſchon
aufgeſetzte Eheſtiftung zu unterſchreiben: ſo wuͤrden
Jhre Eltern, ob gleich nicht ohne Betruͤbniß nach-
gegeben haben.
Allein man hoffete von Jhrem artigen und nach-
gebenden Gemuͤth, daß die bloſſe Abneigung gegen
den einen Freyer Sie nicht zum Ungehorſam wuͤrde
verleitet haben, wenn Sie nicht zugleich eine ſtaͤr-
kere Zuneigung zu dem andern haͤtten als man da-
mahls glauben konnte.
Haͤtten Sie ſich aber dennoch gewegert, ſo wuͤr-
de der Mittewochen nicht der ſchwereſte Tag vor
Sie geweſen ſeyn. Es wuͤrde weiter nichts geſche-
hen ſeyn als dieſes: ſie ſollten allen Jhren Freun-
den vorgeſtellet, und dabey geſagt werden: Sie waͤ-
ren das bisher vollkommen artige, gehorſame,
gefaͤllige Kind, das ſich jetzt ruͤhmen koͤnnte uͤber den
Willen ſeiner guͤtigen Eltern und Onckles und uͤber
die
Dritter Theil. B b
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/399>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.