dieses schwartzen Tyrannen erstreckte sich (ihren ei- genen Ausdruck zu gebrauchen) nicht weiter als auf beyde Welten. Dieses klagte sie sobald sie wieder reden konnte. Wenn sich doch der Fluch den Au- genblick, da er ausgesprochen werden sollte, zum Bey- spiel der Rache für alle solche unnatürliche Väter in einen tödtlichen Stickfluß verwandelt hätte!
Was müste ich für ein Ungeheuer gewesen seyn, wenn ich nicht alle Liebkosungen, alle Gelübde, alle heilige Anträge und Versprechungen angewandt hätte, sie wieder aufzumuntern?
Jch habe sie noch einmahl in diese Welt zurück gebracht. Sie ist mir mehr schuldig als ihrem Va- ter, denn ich habe ihr das Leben wiedergegeben, das ihr der unmenschliche Vater beynahe genommen hatte. Sollte ich nicht eine Tochter lieben, die ihr zweites Leben meinen Wohlthaten zu dancken hat? Es war mein gantzer Ernst, daß ich mich mit ihr auf ewig verbinden wollte, und meine Bitte, daß es bald geschehen möchte, gieng mir von Hertzen. Allein die tieffe Traurigkeit, und ein gewisses Jüng- ferlich blödes Wesen, das sie in den letzten Zügen nicht verlieren wird, verursachte, daß sie meine Bitte zwar nicht abschlug, aber doch ausschub. Sie sagte mir dabey: sie müsse sich jetzt allein auf mich verlassen, weil sie alles andern Schutzes be- raubet sey. Du siehest abermahls, daß ich ihren grausamen Freunden mehr zu dancken habe als ihr.
Sie hat der Fräulein Howe von dem unmensch- lichen Verfahren ihrer Wilden, nicht aber von ihrer Unpäßlichkeit Nachricht gegeben.
Sie
dieſes ſchwartzen Tyrannen erſtreckte ſich (ihren ei- genen Ausdruck zu gebrauchen) nicht weiter als auf beyde Welten. Dieſes klagte ſie ſobald ſie wieder reden konnte. Wenn ſich doch der Fluch den Au- genblick, da er ausgeſprochen werden ſollte, zum Bey- ſpiel der Rache fuͤr alle ſolche unnatuͤrliche Vaͤter in einen toͤdtlichen Stickfluß verwandelt haͤtte!
Was muͤſte ich fuͤr ein Ungeheuer geweſen ſeyn, wenn ich nicht alle Liebkoſungen, alle Geluͤbde, alle heilige Antraͤge und Verſprechungen angewandt haͤtte, ſie wieder aufzumuntern?
Jch habe ſie noch einmahl in dieſe Welt zuruͤck gebracht. Sie iſt mir mehr ſchuldig als ihrem Va- ter, denn ich habe ihr das Leben wiedergegeben, das ihr der unmenſchliche Vater beynahe genommen hatte. Sollte ich nicht eine Tochter lieben, die ihr zweites Leben meinen Wohlthaten zu dancken hat? Es war mein gantzer Ernſt, daß ich mich mit ihr auf ewig verbinden wollte, und meine Bitte, daß es bald geſchehen moͤchte, gieng mir von Hertzen. Allein die tieffe Traurigkeit, und ein gewiſſes Juͤng- ferlich bloͤdes Weſen, das ſie in den letzten Zuͤgen nicht verlieren wird, verurſachte, daß ſie meine Bitte zwar nicht abſchlug, aber doch auſſchub. Sie ſagte mir dabey: ſie muͤſſe ſich jetzt allein auf mich verlaſſen, weil ſie alles andern Schutzes be- raubet ſey. Du ſieheſt abermahls, daß ich ihren grauſamen Freunden mehr zu dancken habe als ihr.
Sie hat der Fraͤulein Howe von dem unmenſch- lichen Verfahren ihrer Wilden, nicht aber von ihrer Unpaͤßlichkeit Nachricht gegeben.
Sie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0442"n="428"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
dieſes ſchwartzen Tyrannen erſtreckte ſich (ihren ei-<lb/>
genen Ausdruck zu gebrauchen) nicht weiter als auf<lb/><hirendition="#fr">beyde Welten.</hi> Dieſes klagte ſie ſobald ſie wieder<lb/>
reden konnte. Wenn ſich doch der Fluch den Au-<lb/>
genblick, da er ausgeſprochen werden ſollte, zum Bey-<lb/>ſpiel der Rache fuͤr alle ſolche unnatuͤrliche Vaͤter in<lb/>
einen toͤdtlichen Stickfluß verwandelt haͤtte!</p><lb/><p>Was muͤſte ich fuͤr ein Ungeheuer geweſen ſeyn,<lb/>
wenn ich nicht alle Liebkoſungen, alle Geluͤbde, alle<lb/>
heilige Antraͤge und Verſprechungen angewandt<lb/>
haͤtte, ſie wieder aufzumuntern?</p><lb/><p>Jch habe ſie noch einmahl in dieſe Welt zuruͤck<lb/>
gebracht. Sie iſt mir mehr ſchuldig als ihrem Va-<lb/>
ter, denn ich habe ihr das Leben wiedergegeben, das<lb/>
ihr der unmenſchliche Vater beynahe genommen<lb/>
hatte. Sollte ich nicht eine Tochter lieben, die ihr<lb/>
zweites Leben meinen Wohlthaten zu dancken hat?<lb/>
Es war mein gantzer Ernſt, daß ich mich mit ihr<lb/>
auf ewig verbinden wollte, und meine Bitte, daß<lb/>
es bald geſchehen moͤchte, gieng mir von Hertzen.<lb/>
Allein die tieffe Traurigkeit, und ein gewiſſes Juͤng-<lb/>
ferlich bloͤdes Weſen, das ſie in den letzten Zuͤgen<lb/>
nicht verlieren wird, verurſachte, daß ſie meine<lb/>
Bitte zwar nicht abſchlug, aber doch auſſchub. Sie<lb/>ſagte mir dabey: ſie muͤſſe ſich jetzt allein auf mich<lb/>
verlaſſen, <hirendition="#fr">weil ſie alles andern Schutzes be-<lb/>
raubet ſey.</hi> Du ſieheſt abermahls, daß ich ihren<lb/>
grauſamen Freunden mehr zu dancken habe als ihr.</p><lb/><p>Sie hat der Fraͤulein <hirendition="#fr">Howe</hi> von dem unmenſch-<lb/>
lichen Verfahren ihrer Wilden, nicht aber von ihrer<lb/>
Unpaͤßlichkeit Nachricht gegeben.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sie</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[428/0442]
dieſes ſchwartzen Tyrannen erſtreckte ſich (ihren ei-
genen Ausdruck zu gebrauchen) nicht weiter als auf
beyde Welten. Dieſes klagte ſie ſobald ſie wieder
reden konnte. Wenn ſich doch der Fluch den Au-
genblick, da er ausgeſprochen werden ſollte, zum Bey-
ſpiel der Rache fuͤr alle ſolche unnatuͤrliche Vaͤter in
einen toͤdtlichen Stickfluß verwandelt haͤtte!
Was muͤſte ich fuͤr ein Ungeheuer geweſen ſeyn,
wenn ich nicht alle Liebkoſungen, alle Geluͤbde, alle
heilige Antraͤge und Verſprechungen angewandt
haͤtte, ſie wieder aufzumuntern?
Jch habe ſie noch einmahl in dieſe Welt zuruͤck
gebracht. Sie iſt mir mehr ſchuldig als ihrem Va-
ter, denn ich habe ihr das Leben wiedergegeben, das
ihr der unmenſchliche Vater beynahe genommen
hatte. Sollte ich nicht eine Tochter lieben, die ihr
zweites Leben meinen Wohlthaten zu dancken hat?
Es war mein gantzer Ernſt, daß ich mich mit ihr
auf ewig verbinden wollte, und meine Bitte, daß
es bald geſchehen moͤchte, gieng mir von Hertzen.
Allein die tieffe Traurigkeit, und ein gewiſſes Juͤng-
ferlich bloͤdes Weſen, das ſie in den letzten Zuͤgen
nicht verlieren wird, verurſachte, daß ſie meine
Bitte zwar nicht abſchlug, aber doch auſſchub. Sie
ſagte mir dabey: ſie muͤſſe ſich jetzt allein auf mich
verlaſſen, weil ſie alles andern Schutzes be-
raubet ſey. Du ſieheſt abermahls, daß ich ihren
grauſamen Freunden mehr zu dancken habe als ihr.
Sie hat der Fraͤulein Howe von dem unmenſch-
lichen Verfahren ihrer Wilden, nicht aber von ihrer
Unpaͤßlichkeit Nachricht gegeben.
Sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/442>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.