prüfet werden? Wünschest du nicht selbsten, daß ich eine geprüfte und überlegte Liebe gegen dieses un- vergleichliche Frauenzimmer haben möge? Jst es nicht meine Absicht sie zu heyrathen, und sie ewig zu lieben, wenn sie in der Probe bestehet?
Allein warum wiederhohle ich das, was ich schon oft gesagt habe? Lies meinen langen Brief vom dreyzehnten dieses Monaths von neuen über, so wirst du finden, daß alle deine Schein-Gründe beant- wortet oder entkräftet sind.
Jch bin nicht böse auf dich; ich freue mich über je- den Widerspruch. Denn so wie das Gold durch das Feuer, und Tugend durch Versuchung bewähret wird: so wird wahrer Verstand und Widerspruch bewähret. Lange vorher, ehe du dir es vornahmst meine Schöne zu vertheidigen, habe ich dir das Amt gegeben mir Einwürfe gegen mein Verfah- ren zu machen. Jch hatte keinen andern Zweck dabey, als dich zu überzeugen, daß du ein stroher- ner Kerl wärest. Wie manche fürchterliche Fech- ter läst Homer aufstehen, und was für entsetzli- che Nahmen giebt er ihnen, in der Absicht, daß ei- ner seiner Helden sie todt schlagen soll.
Mercke dir eine Regel: wenn du deinen Lehrmei- ster strafen willst, so bedencke selbst vorher wohl, ob du recht hast.
Jch komme wieder auf den Haupt-Jnhalt mei- nes Briefes. Jch mag mich entschliessen, wozu ich will, so hat der heftige Brief der Jhrigen mir zum wenigsten einen Monath Zeit erspart. Jch kann jetzt ohne sie zu beleidigen von Liebe und Ehe- stand mit ihr reden: ihr ehmahliges Verbot schreckt mich nicht mehr.
Auf
pruͤfet werden? Wuͤnſcheſt du nicht ſelbſten, daß ich eine gepruͤfte und uͤberlegte Liebe gegen dieſes un- vergleichliche Frauenzimmer haben moͤge? Jſt es nicht meine Abſicht ſie zu heyrathen, und ſie ewig zu lieben, wenn ſie in der Probe beſtehet?
Allein warum wiederhohle ich das, was ich ſchon oft geſagt habe? Lies meinen langen Brief vom dreyzehnten dieſes Monaths von neuen uͤber, ſo wirſt du finden, daß alle deine Schein-Gruͤnde beant- wortet oder entkraͤftet ſind.
Jch bin nicht boͤſe auf dich; ich freue mich uͤber je- den Widerſpruch. Denn ſo wie das Gold durch das Feuer, und Tugend durch Verſuchung bewaͤhret wird: ſo wird wahrer Verſtand und Widerſpruch bewaͤhret. Lange vorher, ehe du dir es vornahmſt meine Schoͤne zu vertheidigen, habe ich dir das Amt gegeben mir Einwuͤrfe gegen mein Verfah- ren zu machen. Jch hatte keinen andern Zweck dabey, als dich zu uͤberzeugen, daß du ein ſtroher- ner Kerl waͤreſt. Wie manche fuͤrchterliche Fech- ter laͤſt Homer aufſtehen, und was fuͤr entſetzli- che Nahmen giebt er ihnen, in der Abſicht, daß ei- ner ſeiner Helden ſie todt ſchlagen ſoll.
Mercke dir eine Regel: wenn du deinen Lehrmei- ſter ſtrafen willſt, ſo bedencke ſelbſt vorher wohl, ob du recht haſt.
Jch komme wieder auf den Haupt-Jnhalt mei- nes Briefes. Jch mag mich entſchlieſſen, wozu ich will, ſo hat der heftige Brief der Jhrigen mir zum wenigſten einen Monath Zeit erſpart. Jch kann jetzt ohne ſie zu beleidigen von Liebe und Ehe- ſtand mit ihr reden: ihr ehmahliges Verbot ſchreckt mich nicht mehr.
Auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0444"n="430"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
pruͤfet werden? Wuͤnſcheſt du nicht ſelbſten, daß<lb/>
ich eine gepruͤfte und uͤberlegte Liebe gegen dieſes un-<lb/>
vergleichliche Frauenzimmer haben moͤge? Jſt es<lb/>
nicht meine Abſicht ſie zu heyrathen, und ſie ewig<lb/>
zu lieben, wenn ſie in der Probe beſtehet?</p><lb/><p>Allein warum wiederhohle ich das, was ich ſchon<lb/>
oft geſagt habe? Lies meinen langen Brief vom<lb/>
dreyzehnten dieſes Monaths von neuen uͤber, ſo wirſt<lb/>
du finden, daß alle deine Schein-Gruͤnde beant-<lb/>
wortet oder entkraͤftet ſind.</p><lb/><p>Jch bin nicht boͤſe auf dich; ich freue mich uͤber je-<lb/>
den Widerſpruch. Denn ſo wie das Gold durch das<lb/>
Feuer, und Tugend durch Verſuchung bewaͤhret<lb/>
wird: ſo wird wahrer Verſtand und Widerſpruch<lb/>
bewaͤhret. Lange vorher, ehe du dir es vornahmſt<lb/>
meine Schoͤne zu vertheidigen, habe ich dir das<lb/>
Amt gegeben mir Einwuͤrfe gegen mein Verfah-<lb/>
ren zu machen. Jch hatte keinen andern Zweck<lb/>
dabey, als dich zu uͤberzeugen, daß du ein ſtroher-<lb/>
ner Kerl waͤreſt. Wie manche fuͤrchterliche Fech-<lb/>
ter laͤſt <hirendition="#fr">Homer</hi> aufſtehen, und was fuͤr entſetzli-<lb/>
che Nahmen giebt er ihnen, in der Abſicht, daß ei-<lb/>
ner ſeiner Helden ſie todt ſchlagen ſoll.</p><lb/><p>Mercke dir eine Regel: wenn du deinen Lehrmei-<lb/>ſter ſtrafen willſt, ſo bedencke ſelbſt vorher wohl,<lb/>
ob du recht haſt.</p><lb/><p>Jch komme wieder auf den Haupt-Jnhalt mei-<lb/>
nes Briefes. Jch mag mich entſchlieſſen, wozu<lb/>
ich will, ſo hat der heftige Brief der Jhrigen mir<lb/>
zum wenigſten einen Monath Zeit erſpart. Jch<lb/>
kann jetzt ohne ſie zu beleidigen von Liebe und Ehe-<lb/>ſtand mit ihr reden: ihr ehmahliges Verbot ſchreckt<lb/>
mich nicht mehr.</p><fwplace="bottom"type="catch">Auf</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[430/0444]
pruͤfet werden? Wuͤnſcheſt du nicht ſelbſten, daß
ich eine gepruͤfte und uͤberlegte Liebe gegen dieſes un-
vergleichliche Frauenzimmer haben moͤge? Jſt es
nicht meine Abſicht ſie zu heyrathen, und ſie ewig
zu lieben, wenn ſie in der Probe beſtehet?
Allein warum wiederhohle ich das, was ich ſchon
oft geſagt habe? Lies meinen langen Brief vom
dreyzehnten dieſes Monaths von neuen uͤber, ſo wirſt
du finden, daß alle deine Schein-Gruͤnde beant-
wortet oder entkraͤftet ſind.
Jch bin nicht boͤſe auf dich; ich freue mich uͤber je-
den Widerſpruch. Denn ſo wie das Gold durch das
Feuer, und Tugend durch Verſuchung bewaͤhret
wird: ſo wird wahrer Verſtand und Widerſpruch
bewaͤhret. Lange vorher, ehe du dir es vornahmſt
meine Schoͤne zu vertheidigen, habe ich dir das
Amt gegeben mir Einwuͤrfe gegen mein Verfah-
ren zu machen. Jch hatte keinen andern Zweck
dabey, als dich zu uͤberzeugen, daß du ein ſtroher-
ner Kerl waͤreſt. Wie manche fuͤrchterliche Fech-
ter laͤſt Homer aufſtehen, und was fuͤr entſetzli-
che Nahmen giebt er ihnen, in der Abſicht, daß ei-
ner ſeiner Helden ſie todt ſchlagen ſoll.
Mercke dir eine Regel: wenn du deinen Lehrmei-
ſter ſtrafen willſt, ſo bedencke ſelbſt vorher wohl,
ob du recht haſt.
Jch komme wieder auf den Haupt-Jnhalt mei-
nes Briefes. Jch mag mich entſchlieſſen, wozu
ich will, ſo hat der heftige Brief der Jhrigen mir
zum wenigſten einen Monath Zeit erſpart. Jch
kann jetzt ohne ſie zu beleidigen von Liebe und Ehe-
ſtand mit ihr reden: ihr ehmahliges Verbot ſchreckt
mich nicht mehr.
Auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/444>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.