Jch stellete mich, als wüßte ich ihre Absicht nicht, und hatte der Dorcas hart befohlen, nicht zu geste- hen, daß sie mir etwas davon gesagt hätte.
Wollen sie ausgehen, Fräulein? fragte ich ganz kaltsinnig.
Ja! ich gedencke in die Kirche zu gehen.
Jch hoffe, daß sie mir die Ehre gönnen werden, sie zu begleiten.
Nein! Jch will mich in die nächste Kirche tragen lassen.
Dieses machte mich bestürtzt. Sie will sich in die nächste Kirche aus Sinclairs Hause tragen las- sen; und die Frau heißt nicht Sinclair! sie will sich im Angesicht aller Leute wider nach dem Hause zurück tragen lassen, bey denen es in üblem Verdachte ste- het! Wie konnte ich das zugeben? Und dennoch mußte ich mich stellen, als wenn ich gantz gleichgül- tig wäre. Jch sagte nur: ich würde es für eine gros- se Gütigkeit erkennen, wenn sie mir erlaubte, mit ihr nach St. Pauls-Kirche zu fahren, weil es noch früh genug dazu sey.
Sie machte mir den Einwurf, daß ich allzu mun- ter gekleidet wäre. Sie könnte ja auch allein nach S. Pauls fahren.
Jch erinnerte sie an Singleton und an ihrem Bruder, und versprach, mich anders zu kleiden. -- Jch bitte mir gehorsamst aus, daß ich mitfahren darf. Jch bin sehr lange nicht in der Kirche gewesen. Wir wollen nicht in einen Stand gehen; ich will mich in der Kirche trennen. Allein ich hoffe, daß wir bald noch einmahl zur Kirche gehen werden,
damit
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Jch ſtellete mich, als wuͤßte ich ihre Abſicht nicht, und hatte der Dorcas hart befohlen, nicht zu geſte- hen, daß ſie mir etwas davon geſagt haͤtte.
Wollen ſie ausgehen, Fraͤulein? fragte ich ganz kaltſinnig.
Ja! ich gedencke in die Kirche zu gehen.
Jch hoffe, daß ſie mir die Ehre goͤnnen werden, ſie zu begleiten.
Nein! Jch will mich in die naͤchſte Kirche tragen laſſen.
Dieſes machte mich beſtuͤrtzt. Sie will ſich in die naͤchſte Kirche aus Sinclairs Hauſe tragen laſ- ſen; und die Frau heißt nicht Sinclair! ſie will ſich im Angeſicht aller Leute wider nach dem Hauſe zuruͤck tragen laſſen, bey denen es in uͤblem Verdachte ſte- het! Wie konnte ich das zugeben? Und dennoch mußte ich mich ſtellen, als wenn ich gantz gleichguͤl- tig waͤre. Jch ſagte nur: ich wuͤrde es fuͤr eine groſ- ſe Guͤtigkeit erkennen, wenn ſie mir erlaubte, mit ihr nach St. Pauls-Kirche zu fahren, weil es noch fruͤh genug dazu ſey.
Sie machte mir den Einwurf, daß ich allzu mun- ter gekleidet waͤre. Sie koͤnnte ja auch allein nach S. Pauls fahren.
Jch erinnerte ſie an Singleton und an ihrem Bruder, und verſprach, mich anders zu kleiden. ‒‒ Jch bitte mir gehorſamſt aus, daß ich mitfahren darf. Jch bin ſehr lange nicht in der Kirche geweſen. Wir wollen nicht in einen Stand gehen; ich will mich in der Kirche trennen. Allein ich hoffe, daß wir bald noch einmahl zur Kirche gehen werden,
damit
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Jch ſtellete mich, als wuͤßte ich ihre Abſicht nicht,
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hen, daß ſie mir etwas davon geſagt haͤtte.
Wollen ſie ausgehen, Fraͤulein? fragte ich ganz
kaltſinnig.
Ja! ich gedencke in die Kirche zu gehen.
Jch hoffe, daß ſie mir die Ehre goͤnnen werden,
ſie zu begleiten.
Nein! Jch will mich in die naͤchſte Kirche tragen
laſſen.
Dieſes machte mich beſtuͤrtzt. Sie will ſich in
die naͤchſte Kirche aus Sinclairs Hauſe tragen laſ-
ſen; und die Frau heißt nicht Sinclair! ſie will ſich
im Angeſicht aller Leute wider nach dem Hauſe zuruͤck
tragen laſſen, bey denen es in uͤblem Verdachte ſte-
het! Wie konnte ich das zugeben? Und dennoch
mußte ich mich ſtellen, als wenn ich gantz gleichguͤl-
tig waͤre. Jch ſagte nur: ich wuͤrde es fuͤr eine groſ-
ſe Guͤtigkeit erkennen, wenn ſie mir erlaubte, mit
ihr nach St. Pauls-Kirche zu fahren, weil es noch
fruͤh genug dazu ſey.
Sie machte mir den Einwurf, daß ich allzu mun-
ter gekleidet waͤre. Sie koͤnnte ja auch allein nach
S. Pauls fahren.
Jch erinnerte ſie an Singleton und an ihrem
Bruder, und verſprach, mich anders zu kleiden. ‒‒
Jch bitte mir gehorſamſt aus, daß ich mitfahren darf.
Jch bin ſehr lange nicht in der Kirche geweſen. Wir
wollen nicht in einen Stand gehen; ich will mich
in der Kirche trennen. Allein ich hoffe, daß
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/503>, abgerufen am 22.12.2024.
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