wissen; und fragte sie: was sie meinte? Als sie mir erzählete, daß Frau Sinclair sie gebeten hät- te, die Jungfer Partington bey sich schlafen zu lassen; so nannte ich es, eine sehr dreiste Bitte.
Sie suchte die abschlägige Antwort, die sie gegeben hatte, als eine Kleinigkeit vorzustellen, die sie gar nicht überlegt hätte. Jch konnte es ihr diesesmal an dem Gesichte ansehen, daß sie sich verstellete: sie war besorgt ich möchte sie entweder für eigensinnig oder für argwöhnisch ansehen.
Jch sagte: ich würde der Frau Sinclair ihre unanständige Dreistigkeit vorhalten.
Nein! (antwortete sie) das sey nicht nöthig. Jch möchte es hingehen lassen. Es könnte den Leuten seltsamer vorkommen, daß sie es abgeschlagen hät- te, als daß Frau Sinclair darum gebeten, oder Jungfer Partington erwartet hätte, daß sie ihr dieses Zeichen der Freundschaft geben würde. Al- lein da die Wirthin eine weitläuftige Bekanntschaft hätte, so wüßte sie nicht, wie oft sie mit dergleichen Bitte beunruhiget werden könnte, wenn sie die erste hätte Statt finden lassen. Die Jungfer Parting- ton wäre auch für sie zu leichtsinnig, und sie hätte nicht Lust näher mit ihr bekannt zu werden. Da aber Jungfer Partington so grosse Mittel habe, so däch- te sie, sie wäre eine anständige Parthey für mich, und da sie sich so gut zu meiner Gemüths-Art schicke, so wundere sie sich - -
Jch ward auf einmal ernsthaft, fiel ihr in die Rede, und sagte: die Jungfer Partington gefiele mir eben so wenig, als sie ihr gefallen könnte. Es
sey
wiſſen; und fragte ſie: was ſie meinte? Als ſie mir erzaͤhlete, daß Frau Sinclair ſie gebeten haͤt- te, die Jungfer Partington bey ſich ſchlafen zu laſſen; ſo nannte ich es, eine ſehr dreiſte Bitte.
Sie ſuchte die abſchlaͤgige Antwort, die ſie gegeben hatte, als eine Kleinigkeit vorzuſtellen, die ſie gar nicht uͤberlegt haͤtte. Jch konnte es ihr dieſesmal an dem Geſichte anſehen, daß ſie ſich verſtellete: ſie war beſorgt ich moͤchte ſie entweder fuͤr eigenſinnig oder fuͤr argwoͤhniſch anſehen.
Jch ſagte: ich wuͤrde der Frau Sinclair ihre unanſtaͤndige Dreiſtigkeit vorhalten.
Nein! (antwortete ſie) das ſey nicht noͤthig. Jch moͤchte es hingehen laſſen. Es koͤnnte den Leuten ſeltſamer vorkommen, daß ſie es abgeſchlagen haͤt- te, als daß Frau Sinclair darum gebeten, oder Jungfer Partington erwartet haͤtte, daß ſie ihr dieſes Zeichen der Freundſchaft geben wuͤrde. Al- lein da die Wirthin eine weitlaͤuftige Bekanntſchaft haͤtte, ſo wuͤßte ſie nicht, wie oft ſie mit dergleichen Bitte beunruhiget werden koͤnnte, wenn ſie die erſte haͤtte Statt finden laſſen. Die Jungfer Parting- ton waͤre auch fuͤr ſie zu leichtſinnig, und ſie haͤtte nicht Luſt naͤher mit ihr bekannt zu werden. Da aber Jungfer Partington ſo groſſe Mittel habe, ſo daͤch- te ſie, ſie waͤre eine anſtaͤndige Parthey fuͤr mich, und da ſie ſich ſo gut zu meiner Gemuͤths-Art ſchicke, ſo wundere ſie ſich ‒ ‒
Jch ward auf einmal ernſthaft, fiel ihr in die Rede, und ſagte: die Jungfer Partington gefiele mir eben ſo wenig, als ſie ihr gefallen koͤnnte. Es
ſey
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Sie ſuchte die abſchlaͤgige Antwort, die ſie gegeben
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nicht uͤberlegt haͤtte. Jch konnte es ihr dieſesmal
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war beſorgt ich moͤchte ſie entweder fuͤr eigenſinnig
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Jch ſagte: ich wuͤrde der Frau Sinclair ihre
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Jungfer Partington erwartet haͤtte, daß ſie ihr
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haͤtte, ſo wuͤßte ſie nicht, wie oft ſie mit dergleichen
Bitte beunruhiget werden koͤnnte, wenn ſie die erſte
haͤtte Statt finden laſſen. Die Jungfer Parting-
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nicht Luſt naͤher mit ihr bekannt zu werden. Da aber
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da ſie ſich ſo gut zu meiner Gemuͤths-Art ſchicke, ſo
wundere ſie ſich ‒ ‒
Jch ward auf einmal ernſthaft, fiel ihr in die
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mir eben ſo wenig, als ſie ihr gefallen koͤnnte. Es
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/539>, abgerufen am 22.12.2024.
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