bey deinem Vorsatze bleibest, das unschuldige Lamm, das du aus einer verhaßten Heerde ausgesondert hast, es entgelten zu lassen, daß der Schäffer-Hund dich angebellet hat; wenn dich nicht Schönheit, nicht Belesenheit, nicht Verstand, nicht Unschuld erwei- chen kann, sondern die unvergleichliche Fräulein bey allen ihren Vorzügen durch den verführet werden soll, den sie selbst zum Beschützer gewählet hatte: so wollte ich deine Verantwortung nicht auf mich neh- men, wenn ich auch tausend Welten gewinnen könn- te.
Bey meiner Ehre, Lovelace, ich kann mir die- se Sache nicht aus dem Sinne schlagen, ob ich gleich nicht so glücklich gewesen bin, die Werthachtung der Fräulein zu verdienen: und ich werde noch niederge- schlagener über dich, wenn ich an den unmenschlichen Fluch ihres Vaters, und an die abscheuliche Härte ihrer Familie gedencke. Jch bin aber dennoch begierig, wenn du fortfährest sie zu versuchen, die Mittel und Künste zu wissen, dadurch du nach und nach deinen hassens-würdigen Sieg erhalten wirst. Jch beschwöre dich aber, Lovelace, wenn du an- ders ein Mann seyn willst, daß du den verkleide- ten Teufels, unter denen die Fräulein sich jetzt befin- det, kein Hohngelächter über sie machest, und sie selbst nicht durch solche Künste besiegest, die sich für eine Manns-Person nicht schicken. Wenn sie durch ordentliche und regelmäßige Verführungen über- wunden wird, wenn du durch Liebe und menschliche Künste ihre Vernunft übertäuben kannst; so will ich weniger Mitleiden mit ihr haben, und daraus
den
bey deinem Vorſatze bleibeſt, das unſchuldige Lamm, das du aus einer verhaßten Heerde ausgeſondert haſt, es entgelten zu laſſen, daß der Schaͤffer-Hund dich angebellet hat; wenn dich nicht Schoͤnheit, nicht Beleſenheit, nicht Verſtand, nicht Unſchuld erwei- chen kann, ſondern die unvergleichliche Fraͤulein bey allen ihren Vorzuͤgen durch den verfuͤhret werden ſoll, den ſie ſelbſt zum Beſchuͤtzer gewaͤhlet hatte: ſo wollte ich deine Verantwortung nicht auf mich neh- men, wenn ich auch tauſend Welten gewinnen koͤnn- te.
Bey meiner Ehre, Lovelace, ich kann mir die- ſe Sache nicht aus dem Sinne ſchlagen, ob ich gleich nicht ſo gluͤcklich geweſen bin, die Werthachtung der Fraͤulein zu verdienen: und ich werde noch niederge- ſchlagener uͤber dich, wenn ich an den unmenſchlichen Fluch ihres Vaters, und an die abſcheuliche Haͤrte ihrer Familie gedencke. Jch bin aber dennoch begierig, wenn du fortfaͤhreſt ſie zu verſuchen, die Mittel und Kuͤnſte zu wiſſen, dadurch du nach und nach deinen haſſens-wuͤrdigen Sieg erhalten wirſt. Jch beſchwoͤre dich aber, Lovelace, wenn du an- ders ein Mann ſeyn willſt, daß du den verkleide- ten Teufels, unter denen die Fraͤulein ſich jetzt befin- det, kein Hohngelaͤchter uͤber ſie macheſt, und ſie ſelbſt nicht durch ſolche Kuͤnſte beſiegeſt, die ſich fuͤr eine Manns-Perſon nicht ſchicken. Wenn ſie durch ordentliche und regelmaͤßige Verfuͤhrungen uͤber- wunden wird, wenn du durch Liebe und menſchliche Kuͤnſte ihre Vernunft uͤbertaͤuben kannſt; ſo will ich weniger Mitleiden mit ihr haben, und daraus
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bey deinem Vorſatze bleibeſt, das unſchuldige Lamm,
das du aus einer verhaßten Heerde ausgeſondert haſt,
es entgelten zu laſſen, daß der Schaͤffer-Hund dich
angebellet hat; wenn dich nicht Schoͤnheit, nicht
Beleſenheit, nicht Verſtand, nicht Unſchuld erwei-
chen kann, ſondern die unvergleichliche Fraͤulein bey
allen ihren Vorzuͤgen durch den verfuͤhret werden
ſoll, den ſie ſelbſt zum Beſchuͤtzer gewaͤhlet hatte: ſo
wollte ich deine Verantwortung nicht auf mich neh-
men, wenn ich auch tauſend Welten gewinnen koͤnn-
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Bey meiner Ehre, Lovelace, ich kann mir die-
ſe Sache nicht aus dem Sinne ſchlagen, ob ich gleich
nicht ſo gluͤcklich geweſen bin, die Werthachtung der
Fraͤulein zu verdienen: und ich werde noch niederge-
ſchlagener uͤber dich, wenn ich an den unmenſchlichen
Fluch ihres Vaters, und an die abſcheuliche Haͤrte
ihrer Familie gedencke. Jch bin aber dennoch
begierig, wenn du fortfaͤhreſt ſie zu verſuchen, die
Mittel und Kuͤnſte zu wiſſen, dadurch du nach und
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Jch beſchwoͤre dich aber, Lovelace, wenn du an-
ders ein Mann ſeyn willſt, daß du den verkleide-
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det, kein Hohngelaͤchter uͤber ſie macheſt, und ſie
ſelbſt nicht durch ſolche Kuͤnſte beſiegeſt, die ſich fuͤr
eine Manns-Perſon nicht ſchicken. Wenn ſie durch
ordentliche und regelmaͤßige Verfuͤhrungen uͤber-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/560>, abgerufen am 22.12.2024.
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