Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



bey deinem Vorsatze bleibest, das unschuldige Lamm,
das du aus einer verhaßten Heerde ausgesondert hast,
es entgelten zu lassen, daß der Schäffer-Hund dich
angebellet hat; wenn dich nicht Schönheit, nicht
Belesenheit, nicht Verstand, nicht Unschuld erwei-
chen kann, sondern die unvergleichliche Fräulein bey
allen ihren Vorzügen durch den verführet werden
soll, den sie selbst zum Beschützer gewählet hatte: so
wollte ich deine Verantwortung nicht auf mich neh-
men, wenn ich auch tausend Welten gewinnen könn-
te.

Bey meiner Ehre, Lovelace, ich kann mir die-
se Sache nicht aus dem Sinne schlagen, ob ich gleich
nicht so glücklich gewesen bin, die Werthachtung der
Fräulein zu verdienen: und ich werde noch niederge-
schlagener über dich, wenn ich an den unmenschlichen
Fluch ihres Vaters, und an die abscheuliche Härte
ihrer Familie gedencke. Jch bin aber dennoch
begierig, wenn du fortfährest sie zu versuchen, die
Mittel und Künste zu wissen, dadurch du nach und
nach deinen hassens-würdigen Sieg erhalten wirst.
Jch beschwöre dich aber, Lovelace, wenn du an-
ders ein Mann seyn willst, daß du den verkleide-
ten Teufels, unter denen die Fräulein sich jetzt befin-
det, kein Hohngelächter über sie machest, und sie
selbst nicht durch solche Künste besiegest, die sich für
eine Manns-Person nicht schicken. Wenn sie durch
ordentliche und regelmäßige Verführungen über-
wunden wird, wenn du durch Liebe und menschliche
Künste ihre Vernunft übertäuben kannst; so will
ich weniger Mitleiden mit ihr haben, und daraus

den



bey deinem Vorſatze bleibeſt, das unſchuldige Lamm,
das du aus einer verhaßten Heerde ausgeſondert haſt,
es entgelten zu laſſen, daß der Schaͤffer-Hund dich
angebellet hat; wenn dich nicht Schoͤnheit, nicht
Beleſenheit, nicht Verſtand, nicht Unſchuld erwei-
chen kann, ſondern die unvergleichliche Fraͤulein bey
allen ihren Vorzuͤgen durch den verfuͤhret werden
ſoll, den ſie ſelbſt zum Beſchuͤtzer gewaͤhlet hatte: ſo
wollte ich deine Verantwortung nicht auf mich neh-
men, wenn ich auch tauſend Welten gewinnen koͤnn-
te.

Bey meiner Ehre, Lovelace, ich kann mir die-
ſe Sache nicht aus dem Sinne ſchlagen, ob ich gleich
nicht ſo gluͤcklich geweſen bin, die Werthachtung der
Fraͤulein zu verdienen: und ich werde noch niederge-
ſchlagener uͤber dich, wenn ich an den unmenſchlichen
Fluch ihres Vaters, und an die abſcheuliche Haͤrte
ihrer Familie gedencke. Jch bin aber dennoch
begierig, wenn du fortfaͤhreſt ſie zu verſuchen, die
Mittel und Kuͤnſte zu wiſſen, dadurch du nach und
nach deinen haſſens-wuͤrdigen Sieg erhalten wirſt.
Jch beſchwoͤre dich aber, Lovelace, wenn du an-
ders ein Mann ſeyn willſt, daß du den verkleide-
ten Teufels, unter denen die Fraͤulein ſich jetzt befin-
det, kein Hohngelaͤchter uͤber ſie macheſt, und ſie
ſelbſt nicht durch ſolche Kuͤnſte beſiegeſt, die ſich fuͤr
eine Manns-Perſon nicht ſchicken. Wenn ſie durch
ordentliche und regelmaͤßige Verfuͤhrungen uͤber-
wunden wird, wenn du durch Liebe und menſchliche
Kuͤnſte ihre Vernunft uͤbertaͤuben kannſt; ſo will
ich weniger Mitleiden mit ihr haben, und daraus

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0560" n="546"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
bey deinem Vor&#x017F;atze bleibe&#x017F;t, das un&#x017F;chuldige Lamm,<lb/>
das du aus einer verhaßten Heerde ausge&#x017F;ondert ha&#x017F;t,<lb/>
es entgelten zu la&#x017F;&#x017F;en, daß der Scha&#x0364;ffer-Hund dich<lb/>
angebellet hat; wenn dich nicht Scho&#x0364;nheit, nicht<lb/>
Bele&#x017F;enheit, nicht Ver&#x017F;tand, nicht Un&#x017F;chuld erwei-<lb/>
chen kann, &#x017F;ondern die unvergleichliche Fra&#x0364;ulein bey<lb/>
allen ihren Vorzu&#x0364;gen durch den verfu&#x0364;hret werden<lb/>
&#x017F;oll, den &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t zum Be&#x017F;chu&#x0364;tzer gewa&#x0364;hlet hatte: &#x017F;o<lb/>
wollte ich deine Verantwortung nicht auf mich neh-<lb/>
men, wenn ich auch tau&#x017F;end Welten gewinnen ko&#x0364;nn-<lb/>
te.</p><lb/>
          <p>Bey meiner Ehre, <hi rendition="#fr">Lovelace,</hi> ich kann mir die-<lb/>
&#x017F;e Sache nicht aus dem Sinne &#x017F;chlagen, ob ich gleich<lb/>
nicht &#x017F;o glu&#x0364;cklich gewe&#x017F;en bin, die Werthachtung der<lb/>
Fra&#x0364;ulein zu verdienen: und ich werde noch niederge-<lb/>
&#x017F;chlagener u&#x0364;ber dich, wenn ich an den unmen&#x017F;chlichen<lb/>
Fluch ihres Vaters, und an die ab&#x017F;cheuliche Ha&#x0364;rte<lb/>
ihrer Familie gedencke. Jch bin aber dennoch<lb/>
begierig, wenn du fortfa&#x0364;hre&#x017F;t &#x017F;ie zu ver&#x017F;uchen, die<lb/>
Mittel und Ku&#x0364;n&#x017F;te zu wi&#x017F;&#x017F;en, dadurch du nach und<lb/>
nach deinen ha&#x017F;&#x017F;ens-wu&#x0364;rdigen Sieg erhalten wir&#x017F;t.<lb/>
Jch be&#x017F;chwo&#x0364;re dich aber, <hi rendition="#fr">Lovelace,</hi> wenn du an-<lb/>
ders ein <hi rendition="#fr">Mann</hi> &#x017F;eyn will&#x017F;t, daß du den verkleide-<lb/>
ten Teufels, unter denen die Fra&#x0364;ulein &#x017F;ich jetzt befin-<lb/>
det, kein Hohngela&#x0364;chter u&#x0364;ber &#x017F;ie mache&#x017F;t, und &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nicht durch &#x017F;olche Ku&#x0364;n&#x017F;te be&#x017F;iege&#x017F;t, die &#x017F;ich fu&#x0364;r<lb/>
eine Manns-Per&#x017F;on nicht &#x017F;chicken. Wenn &#x017F;ie durch<lb/>
ordentliche und regelma&#x0364;ßige Verfu&#x0364;hrungen u&#x0364;ber-<lb/>
wunden wird, wenn du durch Liebe und men&#x017F;chliche<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te ihre Vernunft u&#x0364;berta&#x0364;uben kann&#x017F;t; &#x017F;o will<lb/>
ich weniger Mitleiden mit ihr haben, und daraus<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[546/0560] bey deinem Vorſatze bleibeſt, das unſchuldige Lamm, das du aus einer verhaßten Heerde ausgeſondert haſt, es entgelten zu laſſen, daß der Schaͤffer-Hund dich angebellet hat; wenn dich nicht Schoͤnheit, nicht Beleſenheit, nicht Verſtand, nicht Unſchuld erwei- chen kann, ſondern die unvergleichliche Fraͤulein bey allen ihren Vorzuͤgen durch den verfuͤhret werden ſoll, den ſie ſelbſt zum Beſchuͤtzer gewaͤhlet hatte: ſo wollte ich deine Verantwortung nicht auf mich neh- men, wenn ich auch tauſend Welten gewinnen koͤnn- te. Bey meiner Ehre, Lovelace, ich kann mir die- ſe Sache nicht aus dem Sinne ſchlagen, ob ich gleich nicht ſo gluͤcklich geweſen bin, die Werthachtung der Fraͤulein zu verdienen: und ich werde noch niederge- ſchlagener uͤber dich, wenn ich an den unmenſchlichen Fluch ihres Vaters, und an die abſcheuliche Haͤrte ihrer Familie gedencke. Jch bin aber dennoch begierig, wenn du fortfaͤhreſt ſie zu verſuchen, die Mittel und Kuͤnſte zu wiſſen, dadurch du nach und nach deinen haſſens-wuͤrdigen Sieg erhalten wirſt. Jch beſchwoͤre dich aber, Lovelace, wenn du an- ders ein Mann ſeyn willſt, daß du den verkleide- ten Teufels, unter denen die Fraͤulein ſich jetzt befin- det, kein Hohngelaͤchter uͤber ſie macheſt, und ſie ſelbſt nicht durch ſolche Kuͤnſte beſiegeſt, die ſich fuͤr eine Manns-Perſon nicht ſchicken. Wenn ſie durch ordentliche und regelmaͤßige Verfuͤhrungen uͤber- wunden wird, wenn du durch Liebe und menſchliche Kuͤnſte ihre Vernunft uͤbertaͤuben kannſt; ſo will ich weniger Mitleiden mit ihr haben, und daraus den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/560
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/560>, abgerufen am 18.05.2024.