Jch habe Jhnen schon in meinem vorigen Brief gemeldet, daß das Haus sehr unbequem ist. Herr Lovelace war misvergnügt darüber; und obgleich Frau Greme selbst zum voraus gesagt hatte, die Zimmer schickten sich nicht für uns, so warf er ihr doch vor, ihre Beschreibung davon sey besser gewesen, als er sie in der That finde. Das Haus sey eine Viertheil-Meile von der Stadt ab- gelegen: es sey noch so viel Gefahr vorhanden, als daß er sich so weit von ihr entfernen könnte. Die Zimmer wären auch nicht so abgesondert von ein- ander, daß ich ihm erlauben könnte, eines davon zu bewohnen.
Daß mir dieses wohl gefiel, brauche ich Jhnen nicht zu berichten.
Unterweges habe ich mit Frau Greme viel von ihm geredet. Sie beantwortete alles frey und oh- ne Furcht, was ich sie fragte. Sie hat eine Ernst- haftigkeit an sich, die mir wohl gefällt.
Jch brachte sie so weit, daß sie mir folgende Beschreibung von ihm machte, die mit der Nach- richt des abgedanckten Haushalters ziemlich überein kömmt; und daraus ich sehe, daß alle Bediente gleiche Gedancken von ihm haben.
"Herr Lovelace sey ein freygebiger Herr. "Man könnte fast nicht sagen, ob ihres Herrn "Bediente mehr Furcht oder mehr Liebe gegen "Herrn Lovelace hätten. Seine Gnaden hielten "ungemein viel auf ihn, und bey seinen beyden Tan- "ten stehe er sehr wohl. Die beyden Fräuleins "Montague wären von so gutem Gemüth, daß
man
Jch habe Jhnen ſchon in meinem vorigen Brief gemeldet, daß das Haus ſehr unbequem iſt. Herr Lovelace war misvergnuͤgt daruͤber; und obgleich Frau Greme ſelbſt zum voraus geſagt hatte, die Zimmer ſchickten ſich nicht fuͤr uns, ſo warf er ihr doch vor, ihre Beſchreibung davon ſey beſſer geweſen, als er ſie in der That finde. Das Haus ſey eine Viertheil-Meile von der Stadt ab- gelegen: es ſey noch ſo viel Gefahr vorhanden, als daß er ſich ſo weit von ihr entfernen koͤnnte. Die Zimmer waͤren auch nicht ſo abgeſondert von ein- ander, daß ich ihm erlauben koͤnnte, eines davon zu bewohnen.
Daß mir dieſes wohl gefiel, brauche ich Jhnen nicht zu berichten.
Unterweges habe ich mit Frau Greme viel von ihm geredet. Sie beantwortete alles frey und oh- ne Furcht, was ich ſie fragte. Sie hat eine Ernſt- haftigkeit an ſich, die mir wohl gefaͤllt.
Jch brachte ſie ſo weit, daß ſie mir folgende Beſchreibung von ihm machte, die mit der Nach- richt des abgedanckten Haushalters ziemlich uͤberein koͤmmt; und daraus ich ſehe, daß alle Bediente gleiche Gedancken von ihm haben.
„Herr Lovelace ſey ein freygebiger Herr. „Man koͤnnte faſt nicht ſagen, ob ihres Herrn „Bediente mehr Furcht oder mehr Liebe gegen „Herrn Lovelace haͤtten. Seine Gnaden hielten „ungemein viel auf ihn, und bey ſeinen beyden Tan- „ten ſtehe er ſehr wohl. Die beyden Fraͤuleins „Montague waͤren von ſo gutem Gemuͤth, daß
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Jch habe Jhnen ſchon in meinem vorigen Brief
gemeldet, daß das Haus ſehr unbequem iſt. Herr
Lovelace war misvergnuͤgt daruͤber; und obgleich
Frau Greme ſelbſt zum voraus geſagt hatte, die
Zimmer ſchickten ſich nicht fuͤr uns, ſo warf er
ihr doch vor, ihre Beſchreibung davon ſey beſſer
geweſen, als er ſie in der That finde. Das
Haus ſey eine Viertheil-Meile von der Stadt ab-
gelegen: es ſey noch ſo viel Gefahr vorhanden, als
daß er ſich ſo weit von ihr entfernen koͤnnte. Die
Zimmer waͤren auch nicht ſo abgeſondert von ein-
ander, daß ich ihm erlauben koͤnnte, eines davon
zu bewohnen.
Daß mir dieſes wohl gefiel, brauche ich Jhnen
nicht zu berichten.
Unterweges habe ich mit Frau Greme viel von
ihm geredet. Sie beantwortete alles frey und oh-
ne Furcht, was ich ſie fragte. Sie hat eine Ernſt-
haftigkeit an ſich, die mir wohl gefaͤllt.
Jch brachte ſie ſo weit, daß ſie mir folgende
Beſchreibung von ihm machte, die mit der Nach-
richt des abgedanckten Haushalters ziemlich uͤberein
koͤmmt; und daraus ich ſehe, daß alle Bediente
gleiche Gedancken von ihm haben.
„Herr Lovelace ſey ein freygebiger Herr.
„Man koͤnnte faſt nicht ſagen, ob ihres Herrn
„Bediente mehr Furcht oder mehr Liebe gegen
„Herrn Lovelace haͤtten. Seine Gnaden hielten
„ungemein viel auf ihn, und bey ſeinen beyden Tan-
„ten ſtehe er ſehr wohl. Die beyden Fraͤuleins
„Montague waͤren von ſo gutem Gemuͤth, daß
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/90>, abgerufen am 22.12.2024.
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