[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749."junges Blut? An ihr Vermögen und Stand "mußt du gar nicht dencken: das reitzt mich nur "zur Schelmerey an, und zwar deswegen, weil mein "Hertz edel ist. Jch habe dir sonsten schon geschrie- "ben, wie ich hierin gesinnet bin. Was die Ge- "stalt anlanget, so bitte ich dich Belford, zwinge "mich nicht unverschämt zu seyn, und stelle selbst zwi- "schen mir und meiner Clarissa eine Vergleichung "an. Was sie unter ihrem Geschlechte ist, das bin ich "vielleicht unter meinem. Der eintzige Vorzug "über den wir noch streiten können, bestehet in dem "Verstande und in der behutsamen Klugheit: "darüber wollen wir auch streiten, und es ausma- "chen, wem der Preis gebühret. "Es ist dieses für sie und für mich ein betrübtes "Es ist wahr, der ebene und gerade Weg ist Der
„junges Blut? An ihr Vermoͤgen und Stand „mußt du gar nicht dencken: das reitzt mich nur „zur Schelmerey an, und zwar deswegen, weil mein „Hertz edel iſt. Jch habe dir ſonſten ſchon geſchrie- „ben, wie ich hierin geſinnet bin. Was die Ge- „ſtalt anlanget, ſo bitte ich dich Belford, zwinge „mich nicht unverſchaͤmt zu ſeyn, und ſtelle ſelbſt zwi- „ſchen mir und meiner Clariſſa eine Vergleichung „an. Was ſie unter ihrem Geſchlechte iſt, das bin ich „vielleicht unter meinem. Der eintzige Vorzug „uͤber den wir noch ſtreiten koͤnnen, beſtehet in dem „Verſtande und in der behutſamen Klugheit: „daruͤber wollen wir auch ſtreiten, und es ausma- „chen, wem der Preis gebuͤhret. „Es iſt dieſes fuͤr ſie und fuͤr mich ein betruͤbtes „Es iſt wahr, der ebene und gerade Weg iſt Der
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„junges Blut? An ihr Vermoͤgen und Stand
„mußt du gar nicht dencken: das reitzt mich nur
„zur Schelmerey an, und zwar deswegen, weil mein
„Hertz edel iſt. Jch habe dir ſonſten ſchon geſchrie-
„ben, wie ich hierin geſinnet bin. Was die Ge-
„ſtalt anlanget, ſo bitte ich dich Belford, zwinge
„mich nicht unverſchaͤmt zu ſeyn, und ſtelle ſelbſt zwi-
„ſchen mir und meiner Clariſſa eine Vergleichung
„an. Was ſie unter ihrem Geſchlechte iſt, das bin ich
„vielleicht unter meinem. Der eintzige Vorzug
„uͤber den wir noch ſtreiten koͤnnen, beſtehet in dem
„Verſtande und in der behutſamen Klugheit:
„daruͤber wollen wir auch ſtreiten, und es ausma-
„chen, wem der Preis gebuͤhret.
„Es iſt dieſes fuͤr ſie und fuͤr mich ein betruͤbtes
„Leben, ſie muͤßte denn von Natur argwoͤhniſch
„ſeyn. Denn wo dieſes iſt, ſo liegt ihr Misver-
„gnuͤgen in ihrem Blute, und iſt unvermeidlich:
„es wird ihr aber auch in dem Falle nichts ſchaden.
„Denn wer von Natur argwoͤhniſch iſt, der wird
„die Urſachen zum Argwohn ſelbſt erfinden, wo
„keine ſind: ja meine Schoͤne wird mir dafuͤr ver-
„bunden ſeyn muͤſſen, daß ich ihr dieſe Muͤhe be-
„nehme, und ihr Gelegenheit zum Argwohn gebe.
„Es iſt wahr, der ebene und gerade Weg iſt
„der beſte. Allein es iſt mir nicht gegeben, auf
„ebenen Wegen zu gehen. Jch bin nicht der ein-
„tzige in der Welt, der die Kruͤmme liebet: es giebt
„noch auſſer mir viele tauſende, die lieber in truͤ-
„ben als in ſtillen Waſſern fiſchen.„
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