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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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und in die Augen fallenden Vorzüge zum Stillschwei-
gen und zur Bewunderung gezwungen. Sie waren
gleichsam die Seele in allen Gesellschaften. Wie
oft habe ich gesehen, daß solche, die älter waren als
Sie, ihr Urtheil zurück hielten, bis Sie geredet
hatten, um nicht den Verdruß zu haben, daß sie sich
selbst Unrecht und Jhnen Recht geben müßten. Bey
allem diesem machte Jhr angenehmes Wesen, Jhre
Freundlichkeit, und Jhre Demuth, daß Jhnen je-
dermann willig und ungeheuchelt Recht gab, und
Jhre unleugbaren Vorzüge ohne Verdruß erkannte.
Denn andere sahen, daß sie selbst sich nicht dadurch
herunter setzten, wenn sie sich Jhnen nachsetzten, und
daß Sie nicht darüber stoltz wurden, noch sich mer-
cken liessen, daß Sie sich kenneten. Denn jedes-
mahl sagten Sie etwas, das selbst denen gefiel, die
nachgeben mußten, und das jene nicht beschämete,
ob sie gleich den Preis nicht erhielten.

So oft von schöner Arbeit geredet ward, gedach-
te man Jhrer, oder man zeigte Jhre Arbeit als ein
Muster. So oft ein anderes Frauenzimmer wegen
seiner Arbeitsamkeit, Einsicht in Haushaltungs-Sa-
chen, Belesenheit, Schreib-Art, Gedächtnisses und
Geschicklichkeit alles zu lernen, gelobet ward, so ward
es Jhnen doch nur nachgesetzet, wenn man Sie
kannte. Eben dieses geschahe auch, wenn von Ge-
stalt und artiger Kleidung die Rede war, welches
Lob sonsten das Frauenzimmer einander am meisten
zu misgönnen pflegt.

Alle Jhre Schritte wurden von den Armen mit
Seegens-Wünschen begleitet: die Reichen machten

sich



und in die Augen fallenden Vorzuͤge zum Stillſchwei-
gen und zur Bewunderung gezwungen. Sie waren
gleichſam die Seele in allen Geſellſchaften. Wie
oft habe ich geſehen, daß ſolche, die aͤlter waren als
Sie, ihr Urtheil zuruͤck hielten, bis Sie geredet
hatten, um nicht den Verdruß zu haben, daß ſie ſich
ſelbſt Unrecht und Jhnen Recht geben muͤßten. Bey
allem dieſem machte Jhr angenehmes Weſen, Jhre
Freundlichkeit, und Jhre Demuth, daß Jhnen je-
dermann willig und ungeheuchelt Recht gab, und
Jhre unleugbaren Vorzuͤge ohne Verdruß erkannte.
Denn andere ſahen, daß ſie ſelbſt ſich nicht dadurch
herunter ſetzten, wenn ſie ſich Jhnen nachſetzten, und
daß Sie nicht daruͤber ſtoltz wurden, noch ſich mer-
cken lieſſen, daß Sie ſich kenneten. Denn jedes-
mahl ſagten Sie etwas, das ſelbſt denen gefiel, die
nachgeben mußten, und das jene nicht beſchaͤmete,
ob ſie gleich den Preis nicht erhielten.

So oft von ſchoͤner Arbeit geredet ward, gedach-
te man Jhrer, oder man zeigte Jhre Arbeit als ein
Muſter. So oft ein anderes Frauenzimmer wegen
ſeiner Arbeitſamkeit, Einſicht in Haushaltungs-Sa-
chen, Beleſenheit, Schreib-Art, Gedaͤchtniſſes und
Geſchicklichkeit alles zu lernen, gelobet ward, ſo ward
es Jhnen doch nur nachgeſetzet, wenn man Sie
kannte. Eben dieſes geſchahe auch, wenn von Ge-
ſtalt und artiger Kleidung die Rede war, welches
Lob ſonſten das Frauenzimmer einander am meiſten
zu misgoͤnnen pflegt.

Alle Jhre Schritte wurden von den Armen mit
Seegens-Wuͤnſchen begleitet: die Reichen machten

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[34/0040] und in die Augen fallenden Vorzuͤge zum Stillſchwei- gen und zur Bewunderung gezwungen. Sie waren gleichſam die Seele in allen Geſellſchaften. Wie oft habe ich geſehen, daß ſolche, die aͤlter waren als Sie, ihr Urtheil zuruͤck hielten, bis Sie geredet hatten, um nicht den Verdruß zu haben, daß ſie ſich ſelbſt Unrecht und Jhnen Recht geben muͤßten. Bey allem dieſem machte Jhr angenehmes Weſen, Jhre Freundlichkeit, und Jhre Demuth, daß Jhnen je- dermann willig und ungeheuchelt Recht gab, und Jhre unleugbaren Vorzuͤge ohne Verdruß erkannte. Denn andere ſahen, daß ſie ſelbſt ſich nicht dadurch herunter ſetzten, wenn ſie ſich Jhnen nachſetzten, und daß Sie nicht daruͤber ſtoltz wurden, noch ſich mer- cken lieſſen, daß Sie ſich kenneten. Denn jedes- mahl ſagten Sie etwas, das ſelbſt denen gefiel, die nachgeben mußten, und das jene nicht beſchaͤmete, ob ſie gleich den Preis nicht erhielten. So oft von ſchoͤner Arbeit geredet ward, gedach- te man Jhrer, oder man zeigte Jhre Arbeit als ein Muſter. So oft ein anderes Frauenzimmer wegen ſeiner Arbeitſamkeit, Einſicht in Haushaltungs-Sa- chen, Beleſenheit, Schreib-Art, Gedaͤchtniſſes und Geſchicklichkeit alles zu lernen, gelobet ward, ſo ward es Jhnen doch nur nachgeſetzet, wenn man Sie kannte. Eben dieſes geſchahe auch, wenn von Ge- ſtalt und artiger Kleidung die Rede war, welches Lob ſonſten das Frauenzimmer einander am meiſten zu misgoͤnnen pflegt. Alle Jhre Schritte wurden von den Armen mit Seegens-Wuͤnſchen begleitet: die Reichen machten ſich

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/40>, abgerufen am 21.11.2024.