"Nachfrage kam es von verschiednen Leuten her-* "aus, daß das Haus im Verdacht wäre, eines "von denen artigen bösen Häufern zu seyn, wor- "inn allerhand manierliche Personen von beyder- "ley Geschlecht ihren Aufenthalt und Bequem- "lichkeit fänden.
"Ueber diese wunderliche Nachricht ward die "Fräulein Lardner bestürzt und ließ weiter nach- "fragen. Zugleich aber schärste sie so wohl dem "Bedienten, den sie geschickt hatte, als dem Ca- "vallier, den sie dabey gebrauchte, Verschwie- "genheit ein. Dem letztern ward eben die Nach- "richt von einem liederlichen Freunde bestätiget,* "der das Haus kannte und ihm erzählte, es wä- "ren eigentlich zwey Häuser; in dem einen wür- "de aller äußerlicher Wohlstand beobachtet und "selten Gäste angenommen; das andre wäre ein "Wohnplatz für solche Personen, die gänzlich ge- "fangen und unter das schändliche Joch gebracht "wären."
Sagen Sie, meine liebe Freundinn, sagen* sie, soll ich den schlechten Kerl nicht verfluchen? Doch Worte vermögen wenig. Was kann ich sagen, das meinen Abscheu vor einem solchen Bösewicht genugsam ausdrücken wird? vor ei- nem solchen Bösewicht, als er gewesen seyn muß, da er auf die Gedanken gerathen ist, eine Claris- sa Harlowe an einen solchen Ort zu bringen.
"Die Fräulein Lardner behielte dieß einige "Tage bey sich: weil sie nicht wußte, was sie da- "bey thun sollte. Denn sie hat viele Liebe zu
"Jhnen
„Nachfrage kam es von verſchiednen Leuten her-* „aus, daß das Haus im Verdacht waͤre, eines „von denen artigen boͤſen Haͤufern zu ſeyn, wor- „inn allerhand manierliche Perſonen von beyder- „ley Geſchlecht ihren Aufenthalt und Bequem- „lichkeit faͤnden.
„Ueber dieſe wunderliche Nachricht ward die „Fraͤulein Lardner beſtuͤrzt und ließ weiter nach- „fragen. Zugleich aber ſchaͤrſte ſie ſo wohl dem „Bedienten, den ſie geſchickt hatte, als dem Ca- „vallier, den ſie dabey gebrauchte, Verſchwie- „genheit ein. Dem letztern ward eben die Nach- „richt von einem liederlichen Freunde beſtaͤtiget,* „der das Haus kannte und ihm erzaͤhlte, es waͤ- „ren eigentlich zwey Haͤuſer; in dem einen wuͤr- „de aller aͤußerlicher Wohlſtand beobachtet und „ſelten Gaͤſte angenommen; das andre waͤre ein „Wohnplatz fuͤr ſolche Perſonen, die gaͤnzlich ge- „fangen und unter das ſchaͤndliche Joch gebracht „waͤren.„
Sagen Sie, meine liebe Freundinn, ſagen* ſie, ſoll ich den ſchlechten Kerl nicht verfluchen? Doch Worte vermoͤgen wenig. Was kann ich ſagen, das meinen Abſcheu vor einem ſolchen Boͤſewicht genugſam ausdruͤcken wird? vor ei- nem ſolchen Boͤſewicht, als er geweſen ſeyn muß, da er auf die Gedanken gerathen iſt, eine Clariſ- ſa Harlowe an einen ſolchen Ort zu bringen.
„Die Fraͤulein Lardner behielte dieß einige „Tage bey ſich: weil ſie nicht wußte, was ſie da- „bey thun ſollte. Denn ſie hat viele Liebe zu
„Jhnen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><floatingText><body><div><p><pbfacs="#f0149"n="143"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>„Nachfrage kam es von <hirendition="#fr">verſchiednen</hi> Leuten her-<noteplace="right">*</note><lb/>„aus, daß das Haus im Verdacht waͤre, eines<lb/>„von denen artigen boͤſen Haͤufern zu ſeyn, wor-<lb/>„inn allerhand manierliche Perſonen von beyder-<lb/>„ley Geſchlecht ihren Aufenthalt und Bequem-<lb/>„lichkeit faͤnden.</p><lb/><p>„Ueber dieſe wunderliche Nachricht ward die<lb/>„Fraͤulein Lardner beſtuͤrzt und ließ weiter nach-<lb/>„fragen. Zugleich aber ſchaͤrſte ſie ſo wohl dem<lb/>„Bedienten, den ſie geſchickt hatte, als dem Ca-<lb/>„vallier, den ſie dabey gebrauchte, Verſchwie-<lb/>„genheit ein. Dem letztern ward eben die Nach-<lb/>„richt von einem liederlichen Freunde beſtaͤtiget,<noteplace="right">*</note><lb/>„der das Haus kannte und ihm erzaͤhlte, es waͤ-<lb/>„ren eigentlich zwey Haͤuſer; in dem einen wuͤr-<lb/>„de aller aͤußerlicher Wohlſtand beobachtet und<lb/>„ſelten Gaͤſte angenommen; das andre waͤre ein<lb/>„Wohnplatz fuͤr ſolche Perſonen, die gaͤnzlich ge-<lb/>„fangen und unter das ſchaͤndliche Joch gebracht<lb/>„waͤren.„</p><lb/><p>Sagen Sie, meine liebe Freundinn, ſagen<noteplace="right">*</note><lb/>ſie, ſoll ich den ſchlechten Kerl nicht verfluchen?<lb/>
Doch Worte vermoͤgen wenig. Was kann ich<lb/>ſagen, das meinen Abſcheu vor einem ſolchen<lb/>
Boͤſewicht genugſam ausdruͤcken wird? vor ei-<lb/>
nem ſolchen Boͤſewicht, als er geweſen ſeyn muß,<lb/>
da er auf die Gedanken gerathen iſt, eine Clariſ-<lb/>ſa Harlowe an einen ſolchen Ort zu bringen.</p><lb/><p>„Die Fraͤulein Lardner behielte dieß einige<lb/>„Tage bey ſich: weil ſie nicht wußte, was ſie da-<lb/>„bey thun ſollte. Denn ſie hat viele Liebe zu<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„Jhnen</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></div></body></text></TEI>
[143/0149]
„Nachfrage kam es von verſchiednen Leuten her-
„aus, daß das Haus im Verdacht waͤre, eines
„von denen artigen boͤſen Haͤufern zu ſeyn, wor-
„inn allerhand manierliche Perſonen von beyder-
„ley Geſchlecht ihren Aufenthalt und Bequem-
„lichkeit faͤnden.
*
„Ueber dieſe wunderliche Nachricht ward die
„Fraͤulein Lardner beſtuͤrzt und ließ weiter nach-
„fragen. Zugleich aber ſchaͤrſte ſie ſo wohl dem
„Bedienten, den ſie geſchickt hatte, als dem Ca-
„vallier, den ſie dabey gebrauchte, Verſchwie-
„genheit ein. Dem letztern ward eben die Nach-
„richt von einem liederlichen Freunde beſtaͤtiget,
„der das Haus kannte und ihm erzaͤhlte, es waͤ-
„ren eigentlich zwey Haͤuſer; in dem einen wuͤr-
„de aller aͤußerlicher Wohlſtand beobachtet und
„ſelten Gaͤſte angenommen; das andre waͤre ein
„Wohnplatz fuͤr ſolche Perſonen, die gaͤnzlich ge-
„fangen und unter das ſchaͤndliche Joch gebracht
„waͤren.„
*
Sagen Sie, meine liebe Freundinn, ſagen
ſie, ſoll ich den ſchlechten Kerl nicht verfluchen?
Doch Worte vermoͤgen wenig. Was kann ich
ſagen, das meinen Abſcheu vor einem ſolchen
Boͤſewicht genugſam ausdruͤcken wird? vor ei-
nem ſolchen Boͤſewicht, als er geweſen ſeyn muß,
da er auf die Gedanken gerathen iſt, eine Clariſ-
ſa Harlowe an einen ſolchen Ort zu bringen.
*
„Die Fraͤulein Lardner behielte dieß einige
„Tage bey ſich: weil ſie nicht wußte, was ſie da-
„bey thun ſollte. Denn ſie hat viele Liebe zu
„Jhnen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/149>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.