Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Lovel. Jch hoffe, Herr Capitain Tomlin-
son, sie werden meine Liebe zur Wahrheit nicht
streitig machen.

Capit. Verzeihen sie, Herr Lovelace - -
Die Dinge, welche wir Mannspersonen für ge-
ringe halten mögen, sind es vielleicht bey einem
Frauenzimmer von zärtlichem Gemüthe nicht
- - Und hiernächst, wenn sie sich selbst durch ein
Gelübde verbunden haben, so müssen sie - -

Jungfer Rawlins zierte sich, hielte ihre Lip-
pen geschlossen, zog aber den Mund um so viel
länger, weil sie ihn nicht in die Runde preßte, zu
einem Lächeln, das ihren Beyfall zu erkennen gab,
und zeigte dadurch stillschweigend, daß ihr die
Zärtlichkeit des Capitains gefiel.

Fr. Moore konnte sprechen - - Vollkom-
men wahr!
war inzwischen alles, was sie mit
einer Bewegung des Kopfes, die den zum Bey-
fall gewöhnlichen Wink anzeigte, wirklich sagte.

Jch meines Theils, sagte die muntre Witwe
mit starren und großen Augen, weiß wohl, was
ich weiß - - Allein Mann und Frau sind Mann
und Frau: oder sie sind nicht Mann und Frau.
- - Jch kann mir solche Bedenklichkeiten nicht
vorstellen.

Aber, da kommt sie! schrie die eine, weil sie
hörte, daß ihre Kammerthür geöffnet wurde - -
Da kommt sie! rief die andere, welche die Thüre
hinter ihr zuschließen hörte - - Und alsobald war
der Engel unter uns.

Wir


Lovel. Jch hoffe, Herr Capitain Tomlin-
ſon, ſie werden meine Liebe zur Wahrheit nicht
ſtreitig machen.

Capit. Verzeihen ſie, Herr Lovelace ‒ ‒
Die Dinge, welche wir Mannsperſonen fuͤr ge-
ringe halten moͤgen, ſind es vielleicht bey einem
Frauenzimmer von zaͤrtlichem Gemuͤthe nicht
‒ ‒ Und hiernaͤchſt, wenn ſie ſich ſelbſt durch ein
Geluͤbde verbunden haben, ſo muͤſſen ſie ‒ ‒

Jungfer Rawlins zierte ſich, hielte ihre Lip-
pen geſchloſſen, zog aber den Mund um ſo viel
laͤnger, weil ſie ihn nicht in die Runde preßte, zu
einem Laͤcheln, das ihren Beyfall zu erkennen gab,
und zeigte dadurch ſtillſchweigend, daß ihr die
Zaͤrtlichkeit des Capitains gefiel.

Fr. Moore konnte ſprechen ‒ ‒ Vollkom-
men wahr!
war inzwiſchen alles, was ſie mit
einer Bewegung des Kopfes, die den zum Bey-
fall gewoͤhnlichen Wink anzeigte, wirklich ſagte.

Jch meines Theils, ſagte die muntre Witwe
mit ſtarren und großen Augen, weiß wohl, was
ich weiß ‒ ‒ Allein Mann und Frau ſind Mann
und Frau: oder ſie ſind nicht Mann und Frau.
‒ ‒ Jch kann mir ſolche Bedenklichkeiten nicht
vorſtellen.

Aber, da kommt ſie! ſchrie die eine, weil ſie
hoͤrte, daß ihre Kammerthuͤr geoͤffnet wurde ‒ ‒
Da kommt ſie! rief die andere, welche die Thuͤre
hinter ihr zuſchließen hoͤrte ‒ ‒ Und alſobald war
der Engel unter uns.

Wir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0394" n="388"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lovel.</hi> Jch hoffe, Herr Capitain Tomlin-<lb/>
&#x017F;on, &#x017F;ie werden meine Liebe zur Wahrheit nicht<lb/>
&#x017F;treitig machen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Capit.</hi> Verzeihen &#x017F;ie, Herr Lovelace &#x2012; &#x2012;<lb/>
Die Dinge, welche wir Mannsper&#x017F;onen fu&#x0364;r ge-<lb/>
ringe halten mo&#x0364;gen, &#x017F;ind es vielleicht bey einem<lb/>
Frauenzimmer von za&#x0364;rtlichem Gemu&#x0364;the nicht<lb/>
&#x2012; &#x2012; Und hierna&#x0364;ch&#x017F;t, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t durch ein<lb/>
Gelu&#x0364;bde verbunden haben, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Jungfer Rawlins zierte &#x017F;ich, hielte ihre Lip-<lb/>
pen ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, zog aber den Mund um &#x017F;o viel<lb/>
la&#x0364;nger, weil &#x017F;ie ihn nicht in die Runde preßte, zu<lb/>
einem La&#x0364;cheln, das ihren Beyfall zu erkennen gab,<lb/>
und zeigte dadurch &#x017F;till&#x017F;chweigend, daß ihr die<lb/>
Za&#x0364;rtlichkeit des Capitains gefiel.</p><lb/>
          <p>Fr. Moore <hi rendition="#fr">konnte</hi> &#x017F;prechen &#x2012; &#x2012; <hi rendition="#fr">Vollkom-<lb/>
men wahr!</hi> war inzwi&#x017F;chen alles, was &#x017F;ie mit<lb/>
einer Bewegung des Kopfes, die den zum Bey-<lb/>
fall gewo&#x0364;hnlichen Wink anzeigte, wirklich &#x017F;agte.</p><lb/>
          <p>Jch meines Theils, &#x017F;agte die muntre Witwe<lb/>
mit &#x017F;tarren und großen Augen, weiß wohl, was<lb/>
ich weiß &#x2012; &#x2012; Allein Mann und Frau <hi rendition="#fr">&#x017F;ind</hi> Mann<lb/>
und Frau: oder &#x017F;ie &#x017F;ind <hi rendition="#fr">nicht</hi> Mann und Frau.<lb/>
&#x2012; &#x2012; Jch kann mir &#x017F;olche Bedenklichkeiten nicht<lb/>
vor&#x017F;tellen.</p><lb/>
          <p>Aber, da kommt &#x017F;ie! &#x017F;chrie die eine, weil &#x017F;ie<lb/>
ho&#x0364;rte, daß ihre Kammerthu&#x0364;r geo&#x0364;ffnet wurde &#x2012; &#x2012;<lb/>
Da kommt &#x017F;ie! rief die andere, welche die Thu&#x0364;re<lb/>
hinter ihr zu&#x017F;chließen ho&#x0364;rte &#x2012; &#x2012; Und al&#x017F;obald war<lb/>
der Engel unter uns.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Wir</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[388/0394] Lovel. Jch hoffe, Herr Capitain Tomlin- ſon, ſie werden meine Liebe zur Wahrheit nicht ſtreitig machen. Capit. Verzeihen ſie, Herr Lovelace ‒ ‒ Die Dinge, welche wir Mannsperſonen fuͤr ge- ringe halten moͤgen, ſind es vielleicht bey einem Frauenzimmer von zaͤrtlichem Gemuͤthe nicht ‒ ‒ Und hiernaͤchſt, wenn ſie ſich ſelbſt durch ein Geluͤbde verbunden haben, ſo muͤſſen ſie ‒ ‒ Jungfer Rawlins zierte ſich, hielte ihre Lip- pen geſchloſſen, zog aber den Mund um ſo viel laͤnger, weil ſie ihn nicht in die Runde preßte, zu einem Laͤcheln, das ihren Beyfall zu erkennen gab, und zeigte dadurch ſtillſchweigend, daß ihr die Zaͤrtlichkeit des Capitains gefiel. Fr. Moore konnte ſprechen ‒ ‒ Vollkom- men wahr! war inzwiſchen alles, was ſie mit einer Bewegung des Kopfes, die den zum Bey- fall gewoͤhnlichen Wink anzeigte, wirklich ſagte. Jch meines Theils, ſagte die muntre Witwe mit ſtarren und großen Augen, weiß wohl, was ich weiß ‒ ‒ Allein Mann und Frau ſind Mann und Frau: oder ſie ſind nicht Mann und Frau. ‒ ‒ Jch kann mir ſolche Bedenklichkeiten nicht vorſtellen. Aber, da kommt ſie! ſchrie die eine, weil ſie hoͤrte, daß ihre Kammerthuͤr geoͤffnet wurde ‒ ‒ Da kommt ſie! rief die andere, welche die Thuͤre hinter ihr zuſchließen hoͤrte ‒ ‒ Und alſobald war der Engel unter uns. Wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/394
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/394>, abgerufen am 24.11.2024.