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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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ben möchtest, als wenn du so bestürzt geworden
wärest, daß du nichts als ein bescheidnes Still-
schweigen äußern könntest.

Allein sie berief sich zu einer ausdrücklichern
Entscheidung auf eben den Schriftsteller, gleich
als wenn sie dir in der Sache nicht zu trauen
gedächte, und sprach dieselbe mit eben der wohl-
klingenden Stimme, mit eben dem anmuthigen
Tone sehr nachdrücklich aus:

Der Witz ist recht dem wilden Weinstock gleich.
Wofern er sich nicht an die Tugend lehnet,
Und so gestützt zum höhern Schuß gewöhnet:
So wird er zwar an Laub und Früchten reich;
Doch liegt er ungestalt und faulend an dem
Boden.

Wenn du dich auf diesen Theil der Unterre-
dung wieder besinnest; wenn du dich erinnerst,
wie wir als Narren einander ansahen; wenn du
gedenkest, wie sehr wir außer uns und in Furcht
vor ihr gesetzet wurden, als wir befunden, daß
uns in unserm Umgange eben diejenige Art zu
denken und zu handeln gänzlich abgesprochen sey,
welche wir nach unserer Eitelkeit uns so zuver-
sichtlich zugeeignet hatten; wenn du dir endlich
dies[verlorenes Material - 2 Zeichen fehlen] Angedenken gehörig zu Nutze machest: so
wirst du meiner Meynung seyn, daß bey der Bos-
heit nicht so viel Witz ist, als wir uns dabey zu
sehen geschmeichelt haben.

Jn der That habe ich beständig seit dieser ge-
habten Unterredung dafür gehalten, daß der Witz

aller
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ben moͤchteſt, als wenn du ſo beſtuͤrzt geworden
waͤreſt, daß du nichts als ein beſcheidnes Still-
ſchweigen aͤußern koͤnnteſt.

Allein ſie berief ſich zu einer ausdruͤcklichern
Entſcheidung auf eben den Schriftſteller, gleich
als wenn ſie dir in der Sache nicht zu trauen
gedaͤchte, und ſprach dieſelbe mit eben der wohl-
klingenden Stimme, mit eben dem anmuthigen
Tone ſehr nachdruͤcklich aus:

Der Witz iſt recht dem wilden Weinſtock gleich.
Wofern er ſich nicht an die Tugend lehnet,
Und ſo geſtuͤtzt zum hoͤhern Schuß gewoͤhnet:
So wird er zwar an Laub und Fruͤchten reich;
Doch liegt er ungeſtalt und faulend an dem
Boden.

Wenn du dich auf dieſen Theil der Unterre-
dung wieder beſinneſt; wenn du dich erinnerſt,
wie wir als Narren einander anſahen; wenn du
gedenkeſt, wie ſehr wir außer uns und in Furcht
vor ihr geſetzet wurden, als wir befunden, daß
uns in unſerm Umgange eben diejenige Art zu
denken und zu handeln gaͤnzlich abgeſprochen ſey,
welche wir nach unſerer Eitelkeit uns ſo zuver-
ſichtlich zugeeignet hatten; wenn du dir endlich
dieſ[verlorenes Material – 2 Zeichen fehlen] Angedenken gehoͤrig zu Nutze macheſt: ſo
wirſt du meiner Meynung ſeyn, daß bey der Bos-
heit nicht ſo viel Witz iſt, als wir uns dabey zu
ſehen geſchmeichelt haben.

Jn der That habe ich beſtaͤndig ſeit dieſer ge-
habten Unterredung dafuͤr gehalten, daß der Witz

aller
C 2
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[35/0041] ben moͤchteſt, als wenn du ſo beſtuͤrzt geworden waͤreſt, daß du nichts als ein beſcheidnes Still- ſchweigen aͤußern koͤnnteſt. Allein ſie berief ſich zu einer ausdruͤcklichern Entſcheidung auf eben den Schriftſteller, gleich als wenn ſie dir in der Sache nicht zu trauen gedaͤchte, und ſprach dieſelbe mit eben der wohl- klingenden Stimme, mit eben dem anmuthigen Tone ſehr nachdruͤcklich aus: Der Witz iſt recht dem wilden Weinſtock gleich. Wofern er ſich nicht an die Tugend lehnet, Und ſo geſtuͤtzt zum hoͤhern Schuß gewoͤhnet: So wird er zwar an Laub und Fruͤchten reich; Doch liegt er ungeſtalt und faulend an dem Boden. Wenn du dich auf dieſen Theil der Unterre- dung wieder beſinneſt; wenn du dich erinnerſt, wie wir als Narren einander anſahen; wenn du gedenkeſt, wie ſehr wir außer uns und in Furcht vor ihr geſetzet wurden, als wir befunden, daß uns in unſerm Umgange eben diejenige Art zu denken und zu handeln gaͤnzlich abgeſprochen ſey, welche wir nach unſerer Eitelkeit uns ſo zuver- ſichtlich zugeeignet hatten; wenn du dir endlich dieſ__ Angedenken gehoͤrig zu Nutze macheſt: ſo wirſt du meiner Meynung ſeyn, daß bey der Bos- heit nicht ſo viel Witz iſt, als wir uns dabey zu ſehen geſchmeichelt haben. Jn der That habe ich beſtaͤndig ſeit dieſer ge- habten Unterredung dafuͤr gehalten, daß der Witz aller C 2

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/41>, abgerufen am 21.11.2024.