denken schlechterdings für eine Erdichtung zu er- klären. - - Der liederliche Kerl! - - Wie heftig verabscheuet meine Seele den Böse- wicht!
Jhr Vorsatz, weit von hier in ein fremdes Land zu gehen, und Jhre Gründe, warum sie das thun wollen, müssen mich nothwendig auf das empfindlichste rühren. Aber getrost, liebste Freundinn: ich hoffe, daß sie nicht nöthig haben werden, ihr Vaterland zu verlassen. Wüßte ich gewiß, daß dieß das grausame Schicksal seyn würde: so wollte ich alles, was ich selbst besseres zu hoffen habe, fahren lassen und bald bey Jhnen seyn. Jch würde Sie begleiten, Sie möchten gehen, wohin Sie wollten. Jch würde Glück und Unglück mit Jhnen theilen. Denn es ist unmöglich, daß ich glücklich seyn sollte: wenn ich wüßte, daß Sie nicht allein der Gefahr des Mee- res, sondern auch den Angriffen anderer schänd- licher Mannspersonen ausgesetzet wären; da Jhre persönliche Reizungen ein jedes Auge auf sich ziehen und Sie stündlich einer Gefahr bloß stellen, welche andere mit wenigern vorzüglichen Gaben der Natur vermeiden können - - Das ist alles, was ich weiß, worzu Schönheit dienet: ob sie gleich so begierig gesuchet und so sehr be- wundert wird.
O, meine Allerliebste, wenn ich jemals hey- rathen und die Mutter von einer Clarissa wer- den sollte; Clarissa müßte der Name seyn, wo- fern sie liebenswürdig zu werden schiene: wie oft
würde
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denken ſchlechterdings fuͤr eine Erdichtung zu er- klaͤren. ‒ ‒ Der liederliche Kerl! ‒ ‒ Wie heftig verabſcheuet meine Seele den Boͤſe- wicht!
Jhr Vorſatz, weit von hier in ein fremdes Land zu gehen, und Jhre Gruͤnde, warum ſie das thun wollen, muͤſſen mich nothwendig auf das empfindlichſte ruͤhren. Aber getroſt, liebſte Freundinn: ich hoffe, daß ſie nicht noͤthig haben werden, ihr Vaterland zu verlaſſen. Wuͤßte ich gewiß, daß dieß das grauſame Schickſal ſeyn wuͤrde: ſo wollte ich alles, was ich ſelbſt beſſeres zu hoffen habe, fahren laſſen und bald bey Jhnen ſeyn. Jch wuͤrde Sie begleiten, Sie moͤchten gehen, wohin Sie wollten. Jch wuͤrde Gluͤck und Ungluͤck mit Jhnen theilen. Denn es iſt unmoͤglich, daß ich gluͤcklich ſeyn ſollte: wenn ich wuͤßte, daß Sie nicht allein der Gefahr des Mee- res, ſondern auch den Angriffen anderer ſchaͤnd- licher Mannsperſonen ausgeſetzet waͤren; da Jhre perſoͤnliche Reizungen ein jedes Auge auf ſich ziehen und Sie ſtuͤndlich einer Gefahr bloß ſtellen, welche andere mit wenigern vorzuͤglichen Gaben der Natur vermeiden koͤnnen ‒ ‒ Das iſt alles, was ich weiß, worzu Schoͤnheit dienet: ob ſie gleich ſo begierig geſuchet und ſo ſehr be- wundert wird.
O, meine Allerliebſte, wenn ich jemals hey- rathen und die Mutter von einer Clariſſa wer- den ſollte; Clariſſa muͤßte der Name ſeyn, wo- fern ſie liebenswuͤrdig zu werden ſchiene: wie oft
wuͤrde
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klaͤren. ‒ ‒ Der liederliche Kerl! ‒ ‒ Wie
heftig verabſcheuet meine Seele den Boͤſe-
wicht!
Jhr Vorſatz, weit von hier in ein fremdes
Land zu gehen, und Jhre Gruͤnde, warum ſie
das thun wollen, muͤſſen mich nothwendig auf
das empfindlichſte ruͤhren. Aber getroſt, liebſte
Freundinn: ich hoffe, daß ſie nicht noͤthig haben
werden, ihr Vaterland zu verlaſſen. Wuͤßte ich
gewiß, daß dieß das grauſame Schickſal ſeyn
wuͤrde: ſo wollte ich alles, was ich ſelbſt beſſeres
zu hoffen habe, fahren laſſen und bald bey Jhnen
ſeyn. Jch wuͤrde Sie begleiten, Sie moͤchten
gehen, wohin Sie wollten. Jch wuͤrde Gluͤck
und Ungluͤck mit Jhnen theilen. Denn es iſt
unmoͤglich, daß ich gluͤcklich ſeyn ſollte: wenn ich
wuͤßte, daß Sie nicht allein der Gefahr des Mee-
res, ſondern auch den Angriffen anderer ſchaͤnd-
licher Mannsperſonen ausgeſetzet waͤren; da
Jhre perſoͤnliche Reizungen ein jedes Auge auf
ſich ziehen und Sie ſtuͤndlich einer Gefahr bloß
ſtellen, welche andere mit wenigern vorzuͤglichen
Gaben der Natur vermeiden koͤnnen ‒ ‒ Das
iſt alles, was ich weiß, worzu Schoͤnheit dienet:
ob ſie gleich ſo begierig geſuchet und ſo ſehr be-
wundert wird.
O, meine Allerliebſte, wenn ich jemals hey-
rathen und die Mutter von einer Clariſſa wer-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/527>, abgerufen am 24.11.2024.
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