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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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Die Fräulein Montague erhebt ein jedes
Wort, das von den Lippen meiner Schönen
fällt. Sie verehret ihre neue Base vollkommen
als anbetenswürdig. "Denn ihre Base muß
"sie seyn; und ihre Base will sie sie nennen.
"Sie steht dafür, daß ihre Schwester Martha
"mit ihr gleiche Bewunderung hegen werde.

"Ey, reif ich, zwar leise, aber doch laut genug
"daß sie es hören konnte, wie werden meiner Ba-
"se Martha Taubenaugen selbst bey dem ersten
"Anblicke glänzen und übergehen! - - Eine so
"anmuthreiche, so edle, so ungezwungene Person!

"Was für eine glückselige Familie wird die
"unsrige seyn!" Das riefen wir alle in einem
Chor.

Diese und alle andre dergleichen Bewunde-
rungen, womit wir uns einander Glück wün-
schen, werden alle Stunden wiederholet. Jhre
Bescheidenheit wird durch diese Lobeserhebungen
in unserer Entzückung beleidiget. "Jhre ange-
"nehme Gaben sind ihr zu natürlich, daß sie stolz
"darauf seyn sollte: - - aber sie muß sich gefal-
"len lassen, dafür gestraft zu werden, daß bey
"ihren ausnehmenden Vorzügen auch die aller-
"treflichsten Eigenschaften nur wie im Schatten
"stehen."

Kurz, wir sind hier so, wie zu Hampstead,
voller Freude und entzückender Lust: wir alle,
ausgenommen meine Geliebte. Da diese ihr
fast bis zur Ohnmacht getriebenes Widerstreben,
nicht wieder in dieß Haus zu kommen, noch nicht

über-


Die Fraͤulein Montague erhebt ein jedes
Wort, das von den Lippen meiner Schoͤnen
faͤllt. Sie verehret ihre neue Baſe vollkommen
als anbetenswuͤrdig. „Denn ihre Baſe muß
„ſie ſeyn; und ihre Baſe will ſie ſie nennen.
„Sie ſteht dafuͤr, daß ihre Schweſter Martha
„mit ihr gleiche Bewunderung hegen werde.

„Ey, reif ich, zwar leiſe, aber doch laut genug
„daß ſie es hoͤren konnte, wie werden meiner Ba-
„ſe Martha Taubenaugen ſelbſt bey dem erſten
„Anblicke glaͤnzen und uͤbergehen! ‒ ‒ Eine ſo
„anmuthreiche, ſo edle, ſo ungezwungene Perſon!

„Was fuͤr eine gluͤckſelige Familie wird die
„unſrige ſeyn!„ Das riefen wir alle in einem
Chor.

Dieſe und alle andre dergleichen Bewunde-
rungen, womit wir uns einander Gluͤck wuͤn-
ſchen, werden alle Stunden wiederholet. Jhre
Beſcheidenheit wird durch dieſe Lobeserhebungen
in unſerer Entzuͤckung beleidiget. „Jhre ange-
„nehme Gaben ſind ihr zu natuͤrlich, daß ſie ſtolz
„darauf ſeyn ſollte: ‒ ‒ aber ſie muß ſich gefal-
„len laſſen, dafuͤr geſtraft zu werden, daß bey
„ihren ausnehmenden Vorzuͤgen auch die aller-
„treflichſten Eigenſchaften nur wie im Schatten
„ſtehen.„

Kurz, wir ſind hier ſo, wie zu Hampſtead,
voller Freude und entzuͤckender Luſt: wir alle,
ausgenommen meine Geliebte. Da dieſe ihr
faſt bis zur Ohnmacht getriebenes Widerſtreben,
nicht wieder in dieß Haus zu kommen, noch nicht

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[578/0584] Die Fraͤulein Montague erhebt ein jedes Wort, das von den Lippen meiner Schoͤnen faͤllt. Sie verehret ihre neue Baſe vollkommen als anbetenswuͤrdig. „Denn ihre Baſe muß „ſie ſeyn; und ihre Baſe will ſie ſie nennen. „Sie ſteht dafuͤr, daß ihre Schweſter Martha „mit ihr gleiche Bewunderung hegen werde. „Ey, reif ich, zwar leiſe, aber doch laut genug „daß ſie es hoͤren konnte, wie werden meiner Ba- „ſe Martha Taubenaugen ſelbſt bey dem erſten „Anblicke glaͤnzen und uͤbergehen! ‒ ‒ Eine ſo „anmuthreiche, ſo edle, ſo ungezwungene Perſon! „Was fuͤr eine gluͤckſelige Familie wird die „unſrige ſeyn!„ Das riefen wir alle in einem Chor. Dieſe und alle andre dergleichen Bewunde- rungen, womit wir uns einander Gluͤck wuͤn- ſchen, werden alle Stunden wiederholet. Jhre Beſcheidenheit wird durch dieſe Lobeserhebungen in unſerer Entzuͤckung beleidiget. „Jhre ange- „nehme Gaben ſind ihr zu natuͤrlich, daß ſie ſtolz „darauf ſeyn ſollte: ‒ ‒ aber ſie muß ſich gefal- „len laſſen, dafuͤr geſtraft zu werden, daß bey „ihren ausnehmenden Vorzuͤgen auch die aller- „treflichſten Eigenſchaften nur wie im Schatten „ſtehen.„ Kurz, wir ſind hier ſo, wie zu Hampſtead, voller Freude und entzuͤckender Luſt: wir alle, ausgenommen meine Geliebte. Da dieſe ihr faſt bis zur Ohnmacht getriebenes Widerſtreben, nicht wieder in dieß Haus zu kommen, noch nicht uͤber-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/584>, abgerufen am 24.11.2024.