fordert werden sollen, wenn unser Gewissen unser Ankläger seyn wird.
Allein sie hatte Zeit gehabt, alle Stärke ihrer Beredtsamkeit zusammenzunehmen. Vermuth- lich war sie den ganzen Tag ihres Verstandes mächtig gewesen. Und ich sahe mich um so viel mehr betrogen und verlegen: weil ich mir einge- bildet hatte, daß ich das liebe Kind mit meinen Blicken in Verwirrung bringen könnte. - - Aber es ist augenscheinlich, daß die lebhafte Empfin- dung von ihrem gelittenen Unrechte, dieß unver- gleichliche Frauenzimmer über alle geringere, alle weichlichere Vorstellungen hinaussetzet.
Meine Wertheste - - Meine Allerliebste - - Jch - - Jch - Jch will niemals - - Nein niemals - - Meine Lippen bebeten. Meine Hände und Füße zitterten. Meine Sprache war hohl, stockend und gebrochen. Gewiß nie- mals hat wohl ein Missethäter so vollkommen wie ein Missethäter ausgesehen. Unterdessen setzte sie ihre Rede mit einer solchen Bewegung ihrer schneeweißen Hand fort, welche alle Anmuth einer rührenden Beredtsamkeit an sich hatte.
Jch mache mir gar keine Ehre aus der Ver- wirrung, die sich in deiner ganzen Person augen- scheinlich zeiget. Jch habe den ganzen Tag ge- betet, eine solche Gemüthsverfassung zu erbitten, die mich, wofern ich aus diesem schändlichen Hau- se nicht entfliehen könnte, noch einmal in den Stand setzte, mit dem Bewußtseyn einer unschul- dig leidenden Person auf meinen Verderber in
die
fordert werden ſollen, wenn unſer Gewiſſen unſer Anklaͤger ſeyn wird.
Allein ſie hatte Zeit gehabt, alle Staͤrke ihrer Beredtſamkeit zuſammenzunehmen. Vermuth- lich war ſie den ganzen Tag ihres Verſtandes maͤchtig geweſen. Und ich ſahe mich um ſo viel mehr betrogen und verlegen: weil ich mir einge- bildet hatte, daß ich das liebe Kind mit meinen Blicken in Verwirrung bringen koͤnnte. ‒ ‒ Aber es iſt augenſcheinlich, daß die lebhafte Empfin- dung von ihrem gelittenen Unrechte, dieß unver- gleichliche Frauenzimmer uͤber alle geringere, alle weichlichere Vorſtellungen hinausſetzet.
Meine Wertheſte ‒ ‒ Meine Allerliebſte ‒ ‒ Jch ‒ ‒ Jch ‒ Jch will niemals ‒ ‒ Nein niemals ‒ ‒ Meine Lippen bebeten. Meine Haͤnde und Fuͤße zitterten. Meine Sprache war hohl, ſtockend und gebrochen. Gewiß nie- mals hat wohl ein Miſſethaͤter ſo vollkommen wie ein Miſſethaͤter ausgeſehen. Unterdeſſen ſetzte ſie ihre Rede mit einer ſolchen Bewegung ihrer ſchneeweißen Hand fort, welche alle Anmuth einer ruͤhrenden Beredtſamkeit an ſich hatte.
Jch mache mir gar keine Ehre aus der Ver- wirrung, die ſich in deiner ganzen Perſon augen- ſcheinlich zeiget. Jch habe den ganzen Tag ge- betet, eine ſolche Gemuͤthsverfaſſung zu erbitten, die mich, wofern ich aus dieſem ſchaͤndlichen Hau- ſe nicht entfliehen koͤnnte, noch einmal in den Stand ſetzte, mit dem Bewußtſeyn einer unſchul- dig leidenden Perſon auf meinen Verderber in
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fordert werden ſollen, wenn unſer Gewiſſen unſer
Anklaͤger ſeyn wird.
Allein ſie hatte Zeit gehabt, alle Staͤrke ihrer
Beredtſamkeit zuſammenzunehmen. Vermuth-
lich war ſie den ganzen Tag ihres Verſtandes
maͤchtig geweſen. Und ich ſahe mich um ſo viel
mehr betrogen und verlegen: weil ich mir einge-
bildet hatte, daß ich das liebe Kind mit meinen
Blicken in Verwirrung bringen koͤnnte. ‒ ‒ Aber
es iſt augenſcheinlich, daß die lebhafte Empfin-
dung von ihrem gelittenen Unrechte, dieß unver-
gleichliche Frauenzimmer uͤber alle geringere,
alle weichlichere Vorſtellungen hinausſetzet.
Meine Wertheſte ‒ ‒ Meine Allerliebſte ‒
‒ Jch ‒ ‒ Jch ‒ Jch will niemals ‒ ‒ Nein
niemals ‒ ‒ Meine Lippen bebeten. Meine
Haͤnde und Fuͤße zitterten. Meine Sprache
war hohl, ſtockend und gebrochen. Gewiß nie-
mals hat wohl ein Miſſethaͤter ſo vollkommen
wie ein Miſſethaͤter ausgeſehen. Unterdeſſen
ſetzte ſie ihre Rede mit einer ſolchen Bewegung
ihrer ſchneeweißen Hand fort, welche alle Anmuth
einer ruͤhrenden Beredtſamkeit an ſich hatte.
Jch mache mir gar keine Ehre aus der Ver-
wirrung, die ſich in deiner ganzen Perſon augen-
ſcheinlich zeiget. Jch habe den ganzen Tag ge-
betet, eine ſolche Gemuͤthsverfaſſung zu erbitten,
die mich, wofern ich aus dieſem ſchaͤndlichen Hau-
ſe nicht entfliehen koͤnnte, noch einmal in den
Stand ſetzte, mit dem Bewußtſeyn einer unſchul-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/654>, abgerufen am 24.11.2024.
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