Jch hoffe, sie wird vorüber gehen - - Wo nicht: so wird die liebenswürdige Fräulein ge- nug gerächet seyn: denn ich werde der elendeste Mensch auf der Welt seyn müssen.
Um sechse.
Eben itzo bringt mir Dorcas die Nachricht, daß die Fräulein sich offenbar und ohne Verstel- lung fertig mache, von hier zu gehen. Es ist sehr wahrscheinlich. Die Gesinnung, in welcher sie gestern Abends von mir geflogen, läßt mich wohl ein solches Unternehmen erwarten.
Nun, Bruder, soll ich so gehasset und verach- tet seyn! - - Wo ich so gesündiget habe, daß es nicht möglich ist Vergebung zu erlangen - -
Jedoch sie hat mir durch Dorcas Bothschaft geben lassen, daß sie zu mir in den Saal kommen will. Sie verlangt; wunderlich genug! dieß Cammerkätzchen soll bey der Unterredung, die zwischen uns vorfallen wird, gegenwärtig seyn. Diese Bothschaft macht mir gute Hoffnung.
Um neune.
Verzweifelte Kunstgriffe, Arglist und Betrü- gerey! - - Bey meiner Seele, sie wäre mir bey- nahe unter den Händen entwischet. Sie hat kei- ne andere Absicht bey ihrer Bothschaft gehabt, als Dorcas aus dem Wege zu schaffen und eine freye Seite zu haben. Jst ein eingebildetes Un- glück hinlänglich, diese Fräulein zu rechtfertigen, daß sie von ihren eignen Grundsätzen abweichet?
Zeigt
Jch hoffe, ſie wird voruͤber gehen ‒ ‒ Wo nicht: ſo wird die liebenswuͤrdige Fraͤulein ge- nug geraͤchet ſeyn: denn ich werde der elendeſte Menſch auf der Welt ſeyn muͤſſen.
Um ſechſe.
Eben itzo bringt mir Dorcas die Nachricht, daß die Fraͤulein ſich offenbar und ohne Verſtel- lung fertig mache, von hier zu gehen. Es iſt ſehr wahrſcheinlich. Die Geſinnung, in welcher ſie geſtern Abends von mir geflogen, laͤßt mich wohl ein ſolches Unternehmen erwarten.
Nun, Bruder, ſoll ich ſo gehaſſet und verach- tet ſeyn! ‒ ‒ Wo ich ſo geſuͤndiget habe, daß es nicht moͤglich iſt Vergebung zu erlangen ‒ ‒
Jedoch ſie hat mir durch Dorcas Bothſchaft geben laſſen, daß ſie zu mir in den Saal kommen will. Sie verlangt; wunderlich genug! dieß Cammerkaͤtzchen ſoll bey der Unterredung, die zwiſchen uns vorfallen wird, gegenwaͤrtig ſeyn. Dieſe Bothſchaft macht mir gute Hoffnung.
Um neune.
Verzweifelte Kunſtgriffe, Argliſt und Betruͤ- gerey! ‒ ‒ Bey meiner Seele, ſie waͤre mir bey- nahe unter den Haͤnden entwiſchet. Sie hat kei- ne andere Abſicht bey ihrer Bothſchaft gehabt, als Dorcas aus dem Wege zu ſchaffen und eine freye Seite zu haben. Jſt ein eingebildetes Un- gluͤck hinlaͤnglich, dieſe Fraͤulein zu rechtfertigen, daß ſie von ihren eignen Grundſaͤtzen abweichet?
Zeigt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0670"n="664"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Jch hoffe, ſie wird voruͤber gehen ‒‒ Wo<lb/>
nicht: ſo wird die liebenswuͤrdige Fraͤulein ge-<lb/>
nug geraͤchet ſeyn: denn ich werde der elendeſte<lb/>
Menſch auf der Welt ſeyn muͤſſen.</p><lb/><p><hirendition="#et">Um ſechſe.</hi></p><lb/><p>Eben itzo bringt mir Dorcas die Nachricht,<lb/>
daß die Fraͤulein ſich offenbar und ohne Verſtel-<lb/>
lung fertig mache, von hier zu gehen. Es iſt<lb/>ſehr wahrſcheinlich. Die Geſinnung, in welcher<lb/>ſie geſtern Abends von mir geflogen, laͤßt mich<lb/>
wohl ein ſolches Unternehmen erwarten.</p><lb/><p>Nun, Bruder, ſoll ich ſo gehaſſet und verach-<lb/>
tet ſeyn! ‒‒ Wo ich ſo <hirendition="#fr">geſuͤndiget habe,</hi> daß<lb/>
es nicht moͤglich iſt Vergebung zu erlangen ‒‒</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Jedoch ſie hat mir durch Dorcas Bothſchaft<lb/>
geben laſſen, daß ſie zu mir in den Saal kommen<lb/>
will. Sie verlangt; wunderlich genug! dieß<lb/>
Cammerkaͤtzchen <hirendition="#fr">ſoll</hi> bey der Unterredung, die<lb/>
zwiſchen uns vorfallen wird, gegenwaͤrtig ſeyn.<lb/>
Dieſe Bothſchaft macht mir gute Hoffnung.</p><lb/><p><hirendition="#et">Um neune.</hi></p><lb/><p>Verzweifelte Kunſtgriffe, Argliſt und Betruͤ-<lb/>
gerey! ‒‒ Bey meiner Seele, ſie waͤre mir bey-<lb/>
nahe unter den Haͤnden entwiſchet. Sie hat kei-<lb/>
ne andere Abſicht bey ihrer Bothſchaft gehabt,<lb/>
als Dorcas aus dem Wege zu ſchaffen und eine<lb/>
freye Seite zu haben. Jſt ein eingebildetes Un-<lb/>
gluͤck hinlaͤnglich, dieſe Fraͤulein zu rechtfertigen,<lb/>
daß ſie von ihren eignen Grundſaͤtzen abweichet?<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Zeigt</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[664/0670]
Jch hoffe, ſie wird voruͤber gehen ‒ ‒ Wo
nicht: ſo wird die liebenswuͤrdige Fraͤulein ge-
nug geraͤchet ſeyn: denn ich werde der elendeſte
Menſch auf der Welt ſeyn muͤſſen.
Um ſechſe.
Eben itzo bringt mir Dorcas die Nachricht,
daß die Fraͤulein ſich offenbar und ohne Verſtel-
lung fertig mache, von hier zu gehen. Es iſt
ſehr wahrſcheinlich. Die Geſinnung, in welcher
ſie geſtern Abends von mir geflogen, laͤßt mich
wohl ein ſolches Unternehmen erwarten.
Nun, Bruder, ſoll ich ſo gehaſſet und verach-
tet ſeyn! ‒ ‒ Wo ich ſo geſuͤndiget habe, daß
es nicht moͤglich iſt Vergebung zu erlangen ‒ ‒
Jedoch ſie hat mir durch Dorcas Bothſchaft
geben laſſen, daß ſie zu mir in den Saal kommen
will. Sie verlangt; wunderlich genug! dieß
Cammerkaͤtzchen ſoll bey der Unterredung, die
zwiſchen uns vorfallen wird, gegenwaͤrtig ſeyn.
Dieſe Bothſchaft macht mir gute Hoffnung.
Um neune.
Verzweifelte Kunſtgriffe, Argliſt und Betruͤ-
gerey! ‒ ‒ Bey meiner Seele, ſie waͤre mir bey-
nahe unter den Haͤnden entwiſchet. Sie hat kei-
ne andere Abſicht bey ihrer Bothſchaft gehabt,
als Dorcas aus dem Wege zu ſchaffen und eine
freye Seite zu haben. Jſt ein eingebildetes Un-
gluͤck hinlaͤnglich, dieſe Fraͤulein zu rechtfertigen,
daß ſie von ihren eignen Grundſaͤtzen abweichet?
Zeigt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/670>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.