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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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bekennen, und ein Weiberschärmützel zur Gele-
genheit angeben, aber sich mit der Genugthuung,
die ihr geleistet wäre, zufrieden bezeigen. Als-
denn gebt einem jeden Kerl ein oder ein paar
Schlückchen; so wird alles gut seyn.

Um eilf Uhr.

Alles ist geschehen, wie ich befohlen habe:
und alles ist gut.

Frau Sinclair wünschet, daß sie ein so hart-
näckichtes Frauenzimmer niemals mit Augen ge-
sehen hätte. Sie und Sarah dringen gewaltig
in mich, daß ich die verkehrte Schöne ihrer Zucht,
wie sie sagen, nur auf vier oder fünf Tage über-
lassen soll. Aber ich habe sie mit Fluchen zum
Stillschweigen gebracht, und bloß befohlen, in
Zukunft gedoppelte Vorsicht zu gebrauchen.

Marichen spricht zwar dem lieben wunderli-
chen Kinde, wenn sie bey ihr ist, allen Trost zu,
den sie kann: allein gegen mich bleibt sie dabey,
daß nichts, als Schrecken, ihre Aufführung gegen
mich leidlich machen werde.

Dorcas ward von den Weibsleuten aufge-
zogen, weil sie geweinet hatte. Sie bekannte,
daß ihre Thränen ihr wirklich von Herzen gegan-
gen wären. Sie sagte, sie schämte sich vor sich
selbst: könnte es aber nicht ändern. So eine
aufrichtige, so eine standhafte Traurigkeit bey
einem so anmuthreichen Frauenzimmer! - -

Die Weibsleute lachten sie aus. Jch hin-
gegen befahl ihr, keine Schutzrede für ihre Thrä-

nen



bekennen, und ein Weiberſchaͤrmuͤtzel zur Gele-
genheit angeben, aber ſich mit der Genugthuung,
die ihr geleiſtet waͤre, zufrieden bezeigen. Als-
denn gebt einem jeden Kerl ein oder ein paar
Schluͤckchen; ſo wird alles gut ſeyn.

Um eilf Uhr.

Alles iſt geſchehen, wie ich befohlen habe:
und alles iſt gut.

Frau Sinclair wuͤnſchet, daß ſie ein ſo hart-
naͤckichtes Frauenzimmer niemals mit Augen ge-
ſehen haͤtte. Sie und Sarah dringen gewaltig
in mich, daß ich die verkehrte Schoͤne ihrer Zucht,
wie ſie ſagen, nur auf vier oder fuͤnf Tage uͤber-
laſſen ſoll. Aber ich habe ſie mit Fluchen zum
Stillſchweigen gebracht, und bloß befohlen, in
Zukunft gedoppelte Vorſicht zu gebrauchen.

Marichen ſpricht zwar dem lieben wunderli-
chen Kinde, wenn ſie bey ihr iſt, allen Troſt zu,
den ſie kann: allein gegen mich bleibt ſie dabey,
daß nichts, als Schrecken, ihre Auffuͤhrung gegen
mich leidlich machen werde.

Dorcas ward von den Weibsleuten aufge-
zogen, weil ſie geweinet hatte. Sie bekannte,
daß ihre Thraͤnen ihr wirklich von Herzen gegan-
gen waͤren. Sie ſagte, ſie ſchaͤmte ſich vor ſich
ſelbſt: koͤnnte es aber nicht aͤndern. So eine
aufrichtige, ſo eine ſtandhafte Traurigkeit bey
einem ſo anmuthreichen Frauenzimmer! ‒ ‒

Die Weibsleute lachten ſie aus. Jch hin-
gegen befahl ihr, keine Schutzrede fuͤr ihre Thraͤ-

nen
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[669/0675] bekennen, und ein Weiberſchaͤrmuͤtzel zur Gele- genheit angeben, aber ſich mit der Genugthuung, die ihr geleiſtet waͤre, zufrieden bezeigen. Als- denn gebt einem jeden Kerl ein oder ein paar Schluͤckchen; ſo wird alles gut ſeyn. Um eilf Uhr. Alles iſt geſchehen, wie ich befohlen habe: und alles iſt gut. Frau Sinclair wuͤnſchet, daß ſie ein ſo hart- naͤckichtes Frauenzimmer niemals mit Augen ge- ſehen haͤtte. Sie und Sarah dringen gewaltig in mich, daß ich die verkehrte Schoͤne ihrer Zucht, wie ſie ſagen, nur auf vier oder fuͤnf Tage uͤber- laſſen ſoll. Aber ich habe ſie mit Fluchen zum Stillſchweigen gebracht, und bloß befohlen, in Zukunft gedoppelte Vorſicht zu gebrauchen. Marichen ſpricht zwar dem lieben wunderli- chen Kinde, wenn ſie bey ihr iſt, allen Troſt zu, den ſie kann: allein gegen mich bleibt ſie dabey, daß nichts, als Schrecken, ihre Auffuͤhrung gegen mich leidlich machen werde. Dorcas ward von den Weibsleuten aufge- zogen, weil ſie geweinet hatte. Sie bekannte, daß ihre Thraͤnen ihr wirklich von Herzen gegan- gen waͤren. Sie ſagte, ſie ſchaͤmte ſich vor ſich ſelbſt: koͤnnte es aber nicht aͤndern. So eine aufrichtige, ſo eine ſtandhafte Traurigkeit bey einem ſo anmuthreichen Frauenzimmer! ‒ ‒ Die Weibsleute lachten ſie aus. Jch hin- gegen befahl ihr, keine Schutzrede fuͤr ihre Thraͤ- nen

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/675>, abgerufen am 24.11.2024.