Jedoch hier will ich abbrechen. Meine Geliebte hat sich nach meiner unwiederruflichen Bothschaft bequemet, und ist eben in den Spei- sesaal hinauf gegangen.
Der sieben und vierzigste Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Montags, Nachmittags, den 19ten Jun.
Habe Mitleiden mit mir, Bruder, wo nicht alles Mitleiden verlohren seyn soll. Denn hast du kein Mitleiden mit mir: so wird es sonst keine Seele haben. Und dennoch hat niemals ein Mensch von meiner Gemüthsart und von meinem lebhaften Wesen in der Welt gelebet, der es mehr nöthig gehabt hätte. Wir pflegen dem Teufel alles beyzumessen, was uns begegnet, und wir nicht gern sehen: allein hier, da ich selbst der Teufel bin, wie du vielleicht sagen wirst, kommen meine Plagen von einem Engel. Jch glaube, daß ein jeder von einem Wesen, welches das Ge- gentheil von ihm ist, geplaget werde.
Sie fing den Augenblick, als ich in den Saal trat, vollkommen nach Weiberart mit mir zu handeln an. Sie hatte gefehlt: ich mußte die Vorwürfe leiden - - Nicht ein Wort, wodurch sie sich zu rechtfertigen gesucht hätte, nicht die ge- ringste Entschuldigung wegen des Aufruhrs, den
sie
Jedoch hier will ich abbrechen. Meine Geliebte hat ſich nach meiner unwiederruflichen Bothſchaft bequemet, und iſt eben in den Spei- ſeſaal hinauf gegangen.
Der ſieben und vierzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Montags, Nachmittags, den 19ten Jun.
Habe Mitleiden mit mir, Bruder, wo nicht alles Mitleiden verlohren ſeyn ſoll. Denn haſt du kein Mitleiden mit mir: ſo wird es ſonſt keine Seele haben. Und dennoch hat niemals ein Menſch von meiner Gemuͤthsart und von meinem lebhaften Weſen in der Welt gelebet, der es mehr noͤthig gehabt haͤtte. Wir pflegen dem Teufel alles beyzumeſſen, was uns begegnet, und wir nicht gern ſehen: allein hier, da ich ſelbſt der Teufel bin, wie du vielleicht ſagen wirſt, kommen meine Plagen von einem Engel. Jch glaube, daß ein jeder von einem Weſen, welches das Ge- gentheil von ihm iſt, geplaget werde.
Sie fing den Augenblick, als ich in den Saal trat, vollkommen nach Weiberart mit mir zu handeln an. Sie hatte gefehlt: ich mußte die Vorwuͤrfe leiden ‒ ‒ Nicht ein Wort, wodurch ſie ſich zu rechtfertigen geſucht haͤtte, nicht die ge- ringſte Entſchuldigung wegen des Aufruhrs, den
ſie
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[676/0682]
Jedoch hier will ich abbrechen. Meine
Geliebte hat ſich nach meiner unwiederruflichen
Bothſchaft bequemet, und iſt eben in den Spei-
ſeſaal hinauf gegangen.
Der ſieben und vierzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Montags, Nachmittags, den 19ten Jun.
Habe Mitleiden mit mir, Bruder, wo nicht
alles Mitleiden verlohren ſeyn ſoll. Denn
haſt du kein Mitleiden mit mir: ſo wird es ſonſt
keine Seele haben. Und dennoch hat niemals
ein Menſch von meiner Gemuͤthsart und von
meinem lebhaften Weſen in der Welt gelebet, der
es mehr noͤthig gehabt haͤtte. Wir pflegen dem
Teufel alles beyzumeſſen, was uns begegnet, und
wir nicht gern ſehen: allein hier, da ich ſelbſt der
Teufel bin, wie du vielleicht ſagen wirſt, kommen
meine Plagen von einem Engel. Jch glaube,
daß ein jeder von einem Weſen, welches das Ge-
gentheil von ihm iſt, geplaget werde.
Sie fing den Augenblick, als ich in den
Saal trat, vollkommen nach Weiberart mit mir
zu handeln an. Sie hatte gefehlt: ich mußte
die Vorwuͤrfe leiden ‒ ‒ Nicht ein Wort, wodurch
ſie ſich zu rechtfertigen geſucht haͤtte, nicht die ge-
ringſte Entſchuldigung wegen des Aufruhrs, den
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/682>, abgerufen am 24.11.2024.
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