Hier brach er ab - - und nicht auf meine Nei- gung gründen sollte.
Dieß hätte beynahe alles wieder umgestoßen. Jch ward ausnehmend dadurch beleidiget. Aber die vermeynten Anverwandtinnen schlugen sich ins Mittel. Die ältere gab ihm einen ernstlichen Verweis. Er müßte, sprach sie, mit dem, was ich gesagt hätte, zufrieden seyn. Sie verlangte keine andere Bedingung. Und was, mein Herr, fuhr sie mit einer gebieterischen Miene fort, woll- ten sie Fehler begehen und dafür Belohnung erwarten?
Hiernächst unterhielten sie mich mit einer an- genehmen Unterredung - - Die vermeynte La- dy erklärte sich, daß sie, der Lord M. und die Lady Sarah sich unmittelbar und persönlich an- gelegen seyn lassen wollten, eine allgemeine Aus- söhnung zwischen den beyden Familien zu Stande zu bringen, und dieß entweder in offenbarer oder geheimer Verabredung mit meinem Onkel Harlo- we, wie man es für gut finden würde. Die Feindseligkeiten wären an einer Seite sehr weit getrieben, sagte sie: und an der andern hätte man zu wenig Sorgfalt bewiesen, die erbitterten Ge- müther zu besänftigen oder zu heilen. Mein Vater sollte sehen, daß sie mit ihm als einem Bruder und einem Freunde umgehen könnten: und mein Bruder und meine Schwester sollten überzeuget werden, daß keine Ursache zu der Ei- fersucht oder dem Neide vorhanden wäre, welchen
sie
G 4
Hier brach er ab ‒ ‒ und nicht auf meine Nei- gung gruͤnden ſollte.
Dieß haͤtte beynahe alles wieder umgeſtoßen. Jch ward ausnehmend dadurch beleidiget. Aber die vermeynten Anverwandtinnen ſchlugen ſich ins Mittel. Die aͤltere gab ihm einen ernſtlichen Verweis. Er muͤßte, ſprach ſie, mit dem, was ich geſagt haͤtte, zufrieden ſeyn. Sie verlangte keine andere Bedingung. Und was, mein Herr, fuhr ſie mit einer gebieteriſchen Miene fort, woll- ten ſie Fehler begehen und dafuͤr Belohnung erwarten?
Hiernaͤchſt unterhielten ſie mich mit einer an- genehmen Unterredung ‒ ‒ Die vermeynte La- dy erklaͤrte ſich, daß ſie, der Lord M. und die Lady Sarah ſich unmittelbar und perſoͤnlich an- gelegen ſeyn laſſen wollten, eine allgemeine Aus- ſoͤhnung zwiſchen den beyden Familien zu Stande zu bringen, und dieß entweder in offenbarer oder geheimer Verabredung mit meinem Onkel Harlo- we, wie man es fuͤr gut finden wuͤrde. Die Feindſeligkeiten waͤren an einer Seite ſehr weit getrieben, ſagte ſie: und an der andern haͤtte man zu wenig Sorgfalt bewieſen, die erbitterten Ge- muͤther zu beſaͤnftigen oder zu heilen. Mein Vater ſollte ſehen, daß ſie mit ihm als einem Bruder und einem Freunde umgehen koͤnnten: und mein Bruder und meine Schweſter ſollten uͤberzeuget werden, daß keine Urſache zu der Ei- ferſucht oder dem Neide vorhanden waͤre, welchen
ſie
G 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0109"n="103"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Hier brach er ab ‒‒ und nicht auf meine Nei-<lb/>
gung gruͤnden ſollte.</p><lb/><p>Dieß haͤtte beynahe alles wieder umgeſtoßen.<lb/>
Jch ward ausnehmend dadurch beleidiget. Aber<lb/>
die vermeynten Anverwandtinnen ſchlugen ſich ins<lb/>
Mittel. Die aͤltere gab ihm einen ernſtlichen<lb/>
Verweis. Er muͤßte, ſprach ſie, mit dem, was<lb/>
ich geſagt haͤtte, zufrieden ſeyn. Sie <hirendition="#fr">verlangte</hi><lb/>
keine andere Bedingung. Und was, mein Herr,<lb/>
fuhr ſie mit einer gebieteriſchen Miene fort, woll-<lb/>
ten ſie Fehler begehen und dafuͤr <hirendition="#fr">Belohnung</hi><lb/>
erwarten?</p><lb/><p>Hiernaͤchſt unterhielten ſie mich mit einer an-<lb/>
genehmen Unterredung ‒‒ Die vermeynte La-<lb/>
dy erklaͤrte ſich, daß ſie, der Lord M. und die<lb/>
Lady Sarah ſich unmittelbar und perſoͤnlich an-<lb/>
gelegen ſeyn laſſen wollten, eine allgemeine Aus-<lb/>ſoͤhnung zwiſchen den beyden Familien zu Stande<lb/>
zu bringen, und dieß entweder in offenbarer oder<lb/>
geheimer Verabredung mit meinem Onkel Harlo-<lb/>
we, wie man es fuͤr gut finden wuͤrde. Die<lb/>
Feindſeligkeiten waͤren an einer Seite ſehr weit<lb/>
getrieben, ſagte ſie: und an der andern haͤtte man<lb/>
zu wenig Sorgfalt bewieſen, die erbitterten Ge-<lb/>
muͤther zu beſaͤnftigen oder zu heilen. Mein<lb/>
Vater ſollte ſehen, daß ſie mit ihm als einem<lb/>
Bruder und einem Freunde umgehen koͤnnten:<lb/>
und mein Bruder und meine Schweſter ſollten<lb/>
uͤberzeuget werden, daß keine Urſache zu der Ei-<lb/>
ferſucht oder dem Neide vorhanden waͤre, welchen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſie</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[103/0109]
Hier brach er ab ‒ ‒ und nicht auf meine Nei-
gung gruͤnden ſollte.
Dieß haͤtte beynahe alles wieder umgeſtoßen.
Jch ward ausnehmend dadurch beleidiget. Aber
die vermeynten Anverwandtinnen ſchlugen ſich ins
Mittel. Die aͤltere gab ihm einen ernſtlichen
Verweis. Er muͤßte, ſprach ſie, mit dem, was
ich geſagt haͤtte, zufrieden ſeyn. Sie verlangte
keine andere Bedingung. Und was, mein Herr,
fuhr ſie mit einer gebieteriſchen Miene fort, woll-
ten ſie Fehler begehen und dafuͤr Belohnung
erwarten?
Hiernaͤchſt unterhielten ſie mich mit einer an-
genehmen Unterredung ‒ ‒ Die vermeynte La-
dy erklaͤrte ſich, daß ſie, der Lord M. und die
Lady Sarah ſich unmittelbar und perſoͤnlich an-
gelegen ſeyn laſſen wollten, eine allgemeine Aus-
ſoͤhnung zwiſchen den beyden Familien zu Stande
zu bringen, und dieß entweder in offenbarer oder
geheimer Verabredung mit meinem Onkel Harlo-
we, wie man es fuͤr gut finden wuͤrde. Die
Feindſeligkeiten waͤren an einer Seite ſehr weit
getrieben, ſagte ſie: und an der andern haͤtte man
zu wenig Sorgfalt bewieſen, die erbitterten Ge-
muͤther zu beſaͤnftigen oder zu heilen. Mein
Vater ſollte ſehen, daß ſie mit ihm als einem
Bruder und einem Freunde umgehen koͤnnten:
und mein Bruder und meine Schweſter ſollten
uͤberzeuget werden, daß keine Urſache zu der Ei-
ferſucht oder dem Neide vorhanden waͤre, welchen
ſie
G 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/109>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.