ke und beynahe bis zu Verzückungen in dem Kör- per getriebene Leidenschaft erblicken. - - O mei- ne liebe Freundinn, was für Unglück hatte er nicht damals im Sinne!
Jch klagte ein oder zweymal über Durst. Mein Mund schien vom Feuer ausgedörret. Damals meynte ich, es wäre mein Schrecken, weil ich so oft nach Athem schnappete, das mir, als ein Feuer, den Gaumen ausdörrete. Jch forderte Wasser: man brachte mir Tischbier. Bier, vermuthe ich, war besser geschickt, mir ih- re Tränke darinn beyzubringen: wo ich vorher nicht genug davon bekommen hatte. Jch sagte zwar zu dem Mägdchen, sie wüßte ja, daß ich selten Bier in den Mund nähme: jedoch, weil ich nichts dergleichen argwöhnte und ausnehmend durstig war, trank ich, was zuerst da war; und den Augenblick befand ich mich weit schlimmer, als vorher; wie berauscht, möchte ich mir einbil- den; ich weiß nicht wie.
Sein Diener war zweymal so lange weg, als nöthig war. Ein wenig vorher, ehe er zurück kam, kam einer von der vermeynten Lady Elisa- beths Bedienten mit einem Briefe an Herrn Lovelace.
Er schickte ihn zu mir herauf. Jch las ihn; und von der Zeit an hielte ich mich für verlohren: weil sie in demselben ihre Farth nach Hampstead für diesen Abend verschob; unter dem Vorwande heftiger Ohnmachten, womit die Fräulein Mon- tague überfallen seyn sollte. Denn alsobald fiel
mir
ke und beynahe bis zu Verzuͤckungen in dem Koͤr- per getriebene Leidenſchaft erblicken. ‒ ‒ O mei- ne liebe Freundinn, was fuͤr Ungluͤck hatte er nicht damals im Sinne!
Jch klagte ein oder zweymal uͤber Durſt. Mein Mund ſchien vom Feuer ausgedoͤrret. Damals meynte ich, es waͤre mein Schrecken, weil ich ſo oft nach Athem ſchnappete, das mir, als ein Feuer, den Gaumen ausdoͤrrete. Jch forderte Waſſer: man brachte mir Tiſchbier. Bier, vermuthe ich, war beſſer geſchickt, mir ih- re Traͤnke darinn beyzubringen: wo ich vorher nicht genug davon bekommen hatte. Jch ſagte zwar zu dem Maͤgdchen, ſie wuͤßte ja, daß ich ſelten Bier in den Mund naͤhme: jedoch, weil ich nichts dergleichen argwoͤhnte und ausnehmend durſtig war, trank ich, was zuerſt da war; und den Augenblick befand ich mich weit ſchlimmer, als vorher; wie berauſcht, moͤchte ich mir einbil- den; ich weiß nicht wie.
Sein Diener war zweymal ſo lange weg, als noͤthig war. Ein wenig vorher, ehe er zuruͤck kam, kam einer von der vermeynten Lady Eliſa- beths Bedienten mit einem Briefe an Herrn Lovelace.
Er ſchickte ihn zu mir herauf. Jch las ihn; und von der Zeit an hielte ich mich fuͤr verlohren: weil ſie in demſelben ihre Farth nach Hampſtead fuͤr dieſen Abend verſchob; unter dem Vorwande heftiger Ohnmachten, womit die Fraͤulein Mon- tague uͤberfallen ſeyn ſollte. Denn alſobald fiel
mir
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ke und beynahe bis zu Verzuͤckungen in dem Koͤr-
per getriebene Leidenſchaft erblicken. ‒ ‒ O mei-
ne liebe Freundinn, was fuͤr Ungluͤck hatte er nicht
damals im Sinne!
Jch klagte ein oder zweymal uͤber Durſt.
Mein Mund ſchien vom Feuer ausgedoͤrret.
Damals meynte ich, es waͤre mein Schrecken,
weil ich ſo oft nach Athem ſchnappete, das mir,
als ein Feuer, den Gaumen ausdoͤrrete. Jch
forderte Waſſer: man brachte mir Tiſchbier.
Bier, vermuthe ich, war beſſer geſchickt, mir ih-
re Traͤnke darinn beyzubringen: wo ich vorher
nicht genug davon bekommen hatte. Jch ſagte
zwar zu dem Maͤgdchen, ſie wuͤßte ja, daß ich
ſelten Bier in den Mund naͤhme: jedoch, weil
ich nichts dergleichen argwoͤhnte und ausnehmend
durſtig war, trank ich, was zuerſt da war; und
den Augenblick befand ich mich weit ſchlimmer,
als vorher; wie berauſcht, moͤchte ich mir einbil-
den; ich weiß nicht wie.
Sein Diener war zweymal ſo lange weg, als
noͤthig war. Ein wenig vorher, ehe er zuruͤck
kam, kam einer von der vermeynten Lady Eliſa-
beths Bedienten mit einem Briefe an Herrn
Lovelace.
Er ſchickte ihn zu mir herauf. Jch las ihn;
und von der Zeit an hielte ich mich fuͤr verlohren:
weil ſie in demſelben ihre Farth nach Hampſtead
fuͤr dieſen Abend verſchob; unter dem Vorwande
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/142>, abgerufen am 24.11.2024.
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