dige Person schimpflich zu beleidigen; und nun - - wer weiß, was er mit ihr gemacht hat!
Wo ich nur so viel Gedult habe: so will ich Jhnen die Ursache zu dieser verwirrungsvollen und heftigen Unruhe entdecken.
Jch schrieb den Augenblick an sie, als Sie und Jhre Schwester mich verlassen hatten. Weil ich aber keinen eignen Bothen haben konnte; wie ich willens war: so ward ich genö- thigt, den Brief mit der Post abzuschicken. Jch drang bey ihr darauf; Sie wissen, daß ich es Jhnen zu thun versprach; ich drang ernst- lich bey ihr darauf, daß sie sich bequemen möchte, das Verlangen Jhrer ganzen Fa- milie zu erfüllen. Da ich keine Antwort bekam: schrieb ich am Sonntage, Abends, noch einmal; und sandte den Brief mit einem eignen Bothen fort, der die ganze Nacht reisete. Jch schalt in demselben auf sie, daß sie ein so ungedultiges Herz, als ich habe, bey einer Sache, woran ihr, und folglich mir auch, so viel gelegen wäre, in unge- wisser Erwartung stecken ließe. Jn meinem Sinne war ich recht böse auf sie.
Allein urtheilen Sie, wie groß meine Be- stürzung, wie groß meine Verwirrung seyn muß- te: da gestern Abends der Bothe, so eilfertig, als eine Post reiten kann, zurückkam, und mir die Nachricht brachte, daß man seit Freytags frühe nicht von ihr gehöret hätte; und daß ein Brief, der mit der Post gekommen wäre, und von mir seyn muß, für sie in ihrer Wohnung läge.
Sie
dige Perſon ſchimpflich zu beleidigen; und nun ‒ ‒ wer weiß, was er mit ihr gemacht hat!
Wo ich nur ſo viel Gedult habe: ſo will ich Jhnen die Urſache zu dieſer verwirrungsvollen und heftigen Unruhe entdecken.
Jch ſchrieb den Augenblick an ſie, als Sie und Jhre Schweſter mich verlaſſen hatten. Weil ich aber keinen eignen Bothen haben konnte; wie ich willens war: ſo ward ich genoͤ- thigt, den Brief mit der Poſt abzuſchicken. Jch drang bey ihr darauf; Sie wiſſen, daß ich es Jhnen zu thun verſprach; ich drang ernſt- lich bey ihr darauf, daß ſie ſich bequemen moͤchte, das Verlangen Jhrer ganzen Fa- milie zu erfuͤllen. Da ich keine Antwort bekam: ſchrieb ich am Sonntage, Abends, noch einmal; und ſandte den Brief mit einem eignen Bothen fort, der die ganze Nacht reiſete. Jch ſchalt in demſelben auf ſie, daß ſie ein ſo ungedultiges Herz, als ich habe, bey einer Sache, woran ihr, und folglich mir auch, ſo viel gelegen waͤre, in unge- wiſſer Erwartung ſtecken ließe. Jn meinem Sinne war ich recht boͤſe auf ſie.
Allein urtheilen Sie, wie groß meine Be- ſtuͤrzung, wie groß meine Verwirrung ſeyn muß- te: da geſtern Abends der Bothe, ſo eilfertig, als eine Poſt reiten kann, zuruͤckkam, und mir die Nachricht brachte, daß man ſeit Freytags fruͤhe nicht von ihr gehoͤret haͤtte; und daß ein Brief, der mit der Poſt gekommen waͤre, und von mir ſeyn muß, fuͤr ſie in ihrer Wohnung laͤge.
Sie
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dige Perſon ſchimpflich zu beleidigen; und nun ‒ ‒
wer weiß, was er mit ihr gemacht hat!
Wo ich nur ſo viel Gedult habe: ſo will ich
Jhnen die Urſache zu dieſer verwirrungsvollen
und heftigen Unruhe entdecken.
Jch ſchrieb den Augenblick an ſie, als Sie
und Jhre Schweſter mich verlaſſen hatten.
Weil ich aber keinen eignen Bothen haben
konnte; wie ich willens war: ſo ward ich genoͤ-
thigt, den Brief mit der Poſt abzuſchicken. Jch
drang bey ihr darauf; Sie wiſſen, daß ich
es Jhnen zu thun verſprach; ich drang ernſt-
lich bey ihr darauf, daß ſie ſich bequemen
moͤchte, das Verlangen Jhrer ganzen Fa-
milie zu erfuͤllen. Da ich keine Antwort bekam:
ſchrieb ich am Sonntage, Abends, noch einmal;
und ſandte den Brief mit einem eignen Bothen
fort, der die ganze Nacht reiſete. Jch ſchalt in
demſelben auf ſie, daß ſie ein ſo ungedultiges Herz,
als ich habe, bey einer Sache, woran ihr, und
folglich mir auch, ſo viel gelegen waͤre, in unge-
wiſſer Erwartung ſtecken ließe. Jn meinem
Sinne war ich recht boͤſe auf ſie.
Allein urtheilen Sie, wie groß meine Be-
ſtuͤrzung, wie groß meine Verwirrung ſeyn muß-
te: da geſtern Abends der Bothe, ſo eilfertig,
als eine Poſt reiten kann, zuruͤckkam, und mir
die Nachricht brachte, daß man ſeit Freytags
fruͤhe nicht von ihr gehoͤret haͤtte; und daß ein
Brief, der mit der Poſt gekommen waͤre, und
von mir ſeyn muß, fuͤr ſie in ihrer Wohnung laͤge.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/259>, abgerufen am 22.11.2024.
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