the herrsche; ob sie gleich so gebührlich zürnen kann?
Dieß ist ein anderer unvergleichlicher Vorzug an dieser bewundernswürdigen Fräulein. Denn haben wir wohl vorher jemand unter dem ganzen weiblichen Geschlechte, oder auch dem unfrigen angetroffen, der gewußt hätte, wie man im Werk und in der Ausübung zwischen Rache und Unwillen über niederträchtige und undankbare Begegnung einen Unterscheid machen müßte?
Bey dem allen ist es ein verfluchtes Ding, daß einem solchen Frauenzimmer, als dieß ist, so hat begegnet werden sollen, wie ihr begegnet ist. Wärest du ein König gewesen, und hättest gegen eine so wohlverdiente und unschuldige Per- son so gehandelt, als du gehandelt hast: so, glau- be ich nach meinem Gewissen, würde es dem ganzen Volk zur Sünde zugerechnet seyn, und müßte durch Schwerdt, Pest oder Hunger seyn gebüßet worden! - - Aber da du keine öffentli- che Person bist: so wirst du gewiß, außer dem, was du von der Gerechtigkeit deines Landes, und der Rache ihrer Freunde, erwarten magst, nach diesem deine Strafe, wie sie ihre Belohnung, finden.
Es muß nothwendig so seyn: wo wirklich eine künftige Belohnung vorhanden ist. Jch werde aber nun immer mehr und mehr überzeu- get, daß sie statt haben muß - - Wie hart ist sonst ihr Schicksal: da ihre Strafe, allem Anse- hen nach, so viel zu groß für ihren Fehltritt ist?
Und
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the herrſche; ob ſie gleich ſo gebuͤhrlich zuͤrnen kann?
Dieß iſt ein anderer unvergleichlicher Vorzug an dieſer bewundernswuͤrdigen Fraͤulein. Denn haben wir wohl vorher jemand unter dem ganzen weiblichen Geſchlechte, oder auch dem unfrigen angetroffen, der gewußt haͤtte, wie man im Werk und in der Ausuͤbung zwiſchen Rache und Unwillen uͤber niedertraͤchtige und undankbare Begegnung einen Unterſcheid machen muͤßte?
Bey dem allen iſt es ein verfluchtes Ding, daß einem ſolchen Frauenzimmer, als dieß iſt, ſo hat begegnet werden ſollen, wie ihr begegnet iſt. Waͤreſt du ein Koͤnig geweſen, und haͤtteſt gegen eine ſo wohlverdiente und unſchuldige Per- ſon ſo gehandelt, als du gehandelt haſt: ſo, glau- be ich nach meinem Gewiſſen, wuͤrde es dem ganzen Volk zur Suͤnde zugerechnet ſeyn, und muͤßte durch Schwerdt, Peſt oder Hunger ſeyn gebuͤßet worden! ‒ ‒ Aber da du keine oͤffentli- che Perſon biſt: ſo wirſt du gewiß, außer dem, was du von der Gerechtigkeit deines Landes, und der Rache ihrer Freunde, erwarten magſt, nach dieſem deine Strafe, wie ſie ihre Belohnung, finden.
Es muß nothwendig ſo ſeyn: wo wirklich eine kuͤnftige Belohnung vorhanden iſt. Jch werde aber nun immer mehr und mehr uͤberzeu- get, daß ſie ſtatt haben muß ‒ ‒ Wie hart iſt ſonſt ihr Schickſal: da ihre Strafe, allem Anſe- hen nach, ſo viel zu groß fuͤr ihren Fehltritt iſt?
Und
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the herrſche; ob ſie gleich ſo gebuͤhrlich zuͤrnen
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Dieß iſt ein anderer unvergleichlicher Vorzug
an dieſer bewundernswuͤrdigen Fraͤulein. Denn
haben wir wohl vorher jemand unter dem ganzen
weiblichen Geſchlechte, oder auch dem unfrigen
angetroffen, der gewußt haͤtte, wie man im Werk
und in der Ausuͤbung zwiſchen Rache und
Unwillen uͤber niedertraͤchtige und undankbare
Begegnung einen Unterſcheid machen muͤßte?
Bey dem allen iſt es ein verfluchtes Ding,
daß einem ſolchen Frauenzimmer, als dieß iſt,
ſo hat begegnet werden ſollen, wie ihr begegnet
iſt. Waͤreſt du ein Koͤnig geweſen, und haͤtteſt
gegen eine ſo wohlverdiente und unſchuldige Per-
ſon ſo gehandelt, als du gehandelt haſt: ſo, glau-
be ich nach meinem Gewiſſen, wuͤrde es dem
ganzen Volk zur Suͤnde zugerechnet ſeyn, und
muͤßte durch Schwerdt, Peſt oder Hunger ſeyn
gebuͤßet worden! ‒ ‒ Aber da du keine oͤffentli-
che Perſon biſt: ſo wirſt du gewiß, außer dem,
was du von der Gerechtigkeit deines Landes, und
der Rache ihrer Freunde, erwarten magſt, nach
dieſem deine Strafe, wie ſie ihre Belohnung,
finden.
Es muß nothwendig ſo ſeyn: wo wirklich
eine kuͤnftige Belohnung vorhanden iſt. Jch
werde aber nun immer mehr und mehr uͤberzeu-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/347>, abgerufen am 22.11.2024.
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