Jch habe nicht ein Wort von einer solchen Reise ihres Bruders, Capitain Singletons, und Herrn Solmes, gehört, als Sie erwähnen. Es ist wahr, man hat von einer Reise ihres Bruders zu seinen Gütern in den nördlichen Gegenden die- ses Reichs geschwatzet, aber ich habe kürzlich nichts davon gehöret.
Jch besorge, man werde keinen Brief von ihnen annehmen. Es kränkt mich sehr, meine wertheste Fräulein, daß ich Jhnen die Nachricht geben muß. Es kann Jhnen kein Uebel bege- gnet seyn, das man nicht vermuthet. So groß ist ihrer aller Haß gegen den gottlosen Menschen; und so böse ist sein Ruf.
Jch kann mir ihre Unversöhnlichkeit kaum vor- stellen. Allein man darf von andern nicht nach sich selbst urtheilen. Jedoch will ich noch so viel sagen, daß, wenn Sie mit so sanften und gelin- den Gemüthern, als Jhr eignes, oder, ich will so kühn seyn, auch dieß zu sagen, als das meinige ist, zu thun gehabt hätten, weder jenen noch Jh- nen jemals diese Uebel begegnet seyn würden. Jch kannte Jhre Tugend, und Jhre Liebe zur Tugend, selbst von der Wiegen an, und zweifelte gar nicht, daß diese Jhnen durch Gottes Gnade allezeit zur Huth und Wache dienen würde. - - Aber Sie konnten sich niemals zwingen lassen, und es war auch nicht nöthig, Sie zu zwingen. - So groß- müthig, so edel gesinnt, so klug und bedächt- lich. - - Wie sehr vergrössert die Liebe Jhrer angenehmen Eigenschaften meinen Kummer!
Und
Jch habe nicht ein Wort von einer ſolchen Reiſe ihres Bruders, Capitain Singletons, und Herrn Solmes, gehoͤrt, als Sie erwaͤhnen. Es iſt wahr, man hat von einer Reiſe ihres Bruders zu ſeinen Guͤtern in den noͤrdlichen Gegenden die- ſes Reichs geſchwatzet, aber ich habe kuͤrzlich nichts davon gehoͤret.
Jch beſorge, man werde keinen Brief von ihnen annehmen. Es kraͤnkt mich ſehr, meine wertheſte Fraͤulein, daß ich Jhnen die Nachricht geben muß. Es kann Jhnen kein Uebel bege- gnet ſeyn, das man nicht vermuthet. So groß iſt ihrer aller Haß gegen den gottloſen Menſchen; und ſo boͤſe iſt ſein Ruf.
Jch kann mir ihre Unverſoͤhnlichkeit kaum vor- ſtellen. Allein man darf von andern nicht nach ſich ſelbſt urtheilen. Jedoch will ich noch ſo viel ſagen, daß, wenn Sie mit ſo ſanften und gelin- den Gemuͤthern, als Jhr eignes, oder, ich will ſo kuͤhn ſeyn, auch dieß zu ſagen, als das meinige iſt, zu thun gehabt haͤtten, weder jenen noch Jh- nen jemals dieſe Uebel begegnet ſeyn wuͤrden. Jch kannte Jhre Tugend, und Jhre Liebe zur Tugend, ſelbſt von der Wiegen an, und zweifelte gar nicht, daß dieſe Jhnen durch Gottes Gnade allezeit zur Huth und Wache dienen wuͤrde. ‒ ‒ Aber Sie konnten ſich niemals zwingen laſſen, und es war auch nicht noͤthig, Sie zu zwingen. ‒ So groß- muͤthig, ſo edel geſinnt, ſo klug und bedaͤcht- lich. ‒ ‒ Wie ſehr vergroͤſſert die Liebe Jhrer angenehmen Eigenſchaften meinen Kummer!
Und
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Jch habe nicht ein Wort von einer ſolchen
Reiſe ihres Bruders, Capitain Singletons, und
Herrn Solmes, gehoͤrt, als Sie erwaͤhnen. Es
iſt wahr, man hat von einer Reiſe ihres Bruders
zu ſeinen Guͤtern in den noͤrdlichen Gegenden die-
ſes Reichs geſchwatzet, aber ich habe kuͤrzlich nichts
davon gehoͤret.
Jch beſorge, man werde keinen Brief von
ihnen annehmen. Es kraͤnkt mich ſehr, meine
wertheſte Fraͤulein, daß ich Jhnen die Nachricht
geben muß. Es kann Jhnen kein Uebel bege-
gnet ſeyn, das man nicht vermuthet. So groß
iſt ihrer aller Haß gegen den gottloſen Menſchen;
und ſo boͤſe iſt ſein Ruf.
Jch kann mir ihre Unverſoͤhnlichkeit kaum vor-
ſtellen. Allein man darf von andern nicht nach
ſich ſelbſt urtheilen. Jedoch will ich noch ſo viel
ſagen, daß, wenn Sie mit ſo ſanften und gelin-
den Gemuͤthern, als Jhr eignes, oder, ich will
ſo kuͤhn ſeyn, auch dieß zu ſagen, als das meinige
iſt, zu thun gehabt haͤtten, weder jenen noch Jh-
nen jemals dieſe Uebel begegnet ſeyn wuͤrden. Jch
kannte Jhre Tugend, und Jhre Liebe zur Tugend,
ſelbſt von der Wiegen an, und zweifelte gar nicht,
daß dieſe Jhnen durch Gottes Gnade allezeit zur
Huth und Wache dienen wuͤrde. ‒ ‒ Aber Sie
konnten ſich niemals zwingen laſſen, und es war
auch nicht noͤthig, Sie zu zwingen. ‒ So groß-
muͤthig, ſo edel geſinnt, ſo klug und bedaͤcht-
lich. ‒ ‒ Wie ſehr vergroͤſſert die Liebe Jhrer
angenehmen Eigenſchaften meinen Kummer!
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/38>, abgerufen am 21.11.2024.
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