Jch zweifele weder an der Ehre noch an der gü- tigen Gesinnung bey ihrem Erbieten: allein sie müssen nicht ein Wort mehr davon sagen. Jch kann es nicht leiden.
Sie bückte sich nieder, aber mit Mühe. Jch kam ihr also zuvor, und bat sie wegen eines Er- bietens um Verzeihung, das ihr, wie ich sähe, mehr Verwirrung gemacht hätte, als ich, nach der Lauterkeit meiner Absichten, vermuthet. Es wäre mir aber unerträglich, zu gedenken, daß ein solches Gemüth, als ihres, im Bedruck seyn soll- te: indem der Mangel an denen Gemächlichkei- ten, woran sie einen Ueberfluß zu haben gewohnt wäre, sie rühren und in ihren göttlichen Beschäff- tigungen stören möchte.
Sie sind sehr gütig gegen mich, mein Herr, versetzte sie, und haben eine sehr vortheilhaste Meynung von mir. Allein ich hoffe, daß ich nun nicht leicht aus meinen gegenwärtigen Be- schäfftigungen gebracht werden kann. Meine abnehmende Gesundheit wird mich darinn mehr und mehr befestigen. Jene, die mich in Verhaft nehmen und einsperren ließen, gedachten sonder Zweifel, daß sie die bequemsten Mittel gewählt hätten, mich so in die Enge zu treiben, daß sie mich zu allen ihren Maaßregeln bringen möch- ten. Allein ich unterstehe mich zu hoffen, daß ich ein Gemüth habe, welches, durch zeitliche Drangsale, in wesentlichen Stücken nicht kann erniedrigt werden. Die elenden und nichts- würdigen Leute wissen wenig von der Gewalt an-
gebohr-
Jch zweifele weder an der Ehre noch an der guͤ- tigen Geſinnung bey ihrem Erbieten: allein ſie muͤſſen nicht ein Wort mehr davon ſagen. Jch kann es nicht leiden.
Sie buͤckte ſich nieder, aber mit Muͤhe. Jch kam ihr alſo zuvor, und bat ſie wegen eines Er- bietens um Verzeihung, das ihr, wie ich ſaͤhe, mehr Verwirrung gemacht haͤtte, als ich, nach der Lauterkeit meiner Abſichten, vermuthet. Es waͤre mir aber unertraͤglich, zu gedenken, daß ein ſolches Gemuͤth, als ihres, im Bedruck ſeyn ſoll- te: indem der Mangel an denen Gemaͤchlichkei- ten, woran ſie einen Ueberfluß zu haben gewohnt waͤre, ſie ruͤhren und in ihren goͤttlichen Beſchaͤff- tigungen ſtoͤren moͤchte.
Sie ſind ſehr guͤtig gegen mich, mein Herr, verſetzte ſie, und haben eine ſehr vortheilhaſte Meynung von mir. Allein ich hoffe, daß ich nun nicht leicht aus meinen gegenwaͤrtigen Be- ſchaͤfftigungen gebracht werden kann. Meine abnehmende Geſundheit wird mich darinn mehr und mehr befeſtigen. Jene, die mich in Verhaft nehmen und einſperren ließen, gedachten ſonder Zweifel, daß ſie die bequemſten Mittel gewaͤhlt haͤtten, mich ſo in die Enge zu treiben, daß ſie mich zu allen ihren Maaßregeln bringen moͤch- ten. Allein ich unterſtehe mich zu hoffen, daß ich ein Gemuͤth habe, welches, durch zeitliche Drangſale, in weſentlichen Stuͤcken nicht kann erniedrigt werden. Die elenden und nichts- wuͤrdigen Leute wiſſen wenig von der Gewalt an-
gebohr-
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Jch zweifele weder an der Ehre noch an der guͤ-
tigen Geſinnung bey ihrem Erbieten: allein
ſie muͤſſen nicht ein Wort mehr davon ſagen.
Jch kann es nicht leiden.
Sie buͤckte ſich nieder, aber mit Muͤhe. Jch
kam ihr alſo zuvor, und bat ſie wegen eines Er-
bietens um Verzeihung, das ihr, wie ich ſaͤhe,
mehr Verwirrung gemacht haͤtte, als ich, nach
der Lauterkeit meiner Abſichten, vermuthet. Es
waͤre mir aber unertraͤglich, zu gedenken, daß ein
ſolches Gemuͤth, als ihres, im Bedruck ſeyn ſoll-
te: indem der Mangel an denen Gemaͤchlichkei-
ten, woran ſie einen Ueberfluß zu haben gewohnt
waͤre, ſie ruͤhren und in ihren goͤttlichen Beſchaͤff-
tigungen ſtoͤren moͤchte.
Sie ſind ſehr guͤtig gegen mich, mein Herr,
verſetzte ſie, und haben eine ſehr vortheilhaſte
Meynung von mir. Allein ich hoffe, daß ich
nun nicht leicht aus meinen gegenwaͤrtigen Be-
ſchaͤfftigungen gebracht werden kann. Meine
abnehmende Geſundheit wird mich darinn mehr
und mehr befeſtigen. Jene, die mich in Verhaft
nehmen und einſperren ließen, gedachten ſonder
Zweifel, daß ſie die bequemſten Mittel gewaͤhlt
haͤtten, mich ſo in die Enge zu treiben, daß ſie
mich zu allen ihren Maaßregeln bringen moͤch-
ten. Allein ich unterſtehe mich zu hoffen, daß
ich ein Gemuͤth habe, welches, durch zeitliche
Drangſale, in weſentlichen Stuͤcken nicht
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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