"kommt bloß von ihrer allzu großen Liebe und "ihrer fehlgeschlagenen Hoffnung her: da sie Ur- "sache gehabt hatten, sich eines bessern zu mir zu "versehen.
"Es besuchte mich, anfangs mit ihrem Wis- "sen, ein Mann von gutem Herkommen und "Vermögen, aber, wie der Erfolg gezeiget hat, "von ärgern Grundsätzen, als ich irgend einem "Menschen zutrauen konnte. Mein Bruder, "ein junger Mann von sehr steifem Kopfe, war "damals nicht zu Hause. Da er zurückkam: "misbilligte er seine Besuche ganz und gar, aus "einem alten Grolle, und weil er den Cavallier, "das liegt itzo offenbar am Tage, besser kannte, "als ich. Weil er in unserer Familie vieles "galt: so brachte er andere Cavalliere, die sich "um mich bewarben; und zuletzt, nachdem ver- "schiedne zurück gewiesen waren, einen, der über "alle Maaße widrig, in aller unparteyischen "Augen widrig war. Jch konnte ihn nicht lie- "ben. Sie verbanden sich alle, mich zu zwin- "gen, daß ich ihn nehmen sollte: da ein Zwey- "kampf zwischen dem Cavallier, gegen welchen "meine Freunde aufgebracht waren, und meinem "Bruder, sie jenem alle noch mehr zu Feinden ge- "macht hatte.
"Kurz; ich ward eingesperret, und man be- "gegnete mir so gar hart, daß ich in einer unbe- "sonnenen Hitze Abrede nahm, mit dem Manne, "den sie hasseten, davon zu gehen. Ein gottlo- "ser Vorsatz, werden sie sagen: allein ich war
"unge-
„kommt bloß von ihrer allzu großen Liebe und „ihrer fehlgeſchlagenen Hoffnung her: da ſie Ur- „ſache gehabt hatten, ſich eines beſſern zu mir zu „verſehen.
„Es beſuchte mich, anfangs mit ihrem Wiſ- „ſen, ein Mann von gutem Herkommen und „Vermoͤgen, aber, wie der Erfolg gezeiget hat, „von aͤrgern Grundſaͤtzen, als ich irgend einem „Menſchen zutrauen konnte. Mein Bruder, „ein junger Mann von ſehr ſteifem Kopfe, war „damals nicht zu Hauſe. Da er zuruͤckkam: „misbilligte er ſeine Beſuche ganz und gar, aus „einem alten Grolle, und weil er den Cavallier, „das liegt itzo offenbar am Tage, beſſer kannte, „als ich. Weil er in unſerer Familie vieles „galt: ſo brachte er andere Cavalliere, die ſich „um mich bewarben; und zuletzt, nachdem ver- „ſchiedne zuruͤck gewieſen waren, einen, der uͤber „alle Maaße widrig, in aller unparteyiſchen „Augen widrig war. Jch konnte ihn nicht lie- „ben. Sie verbanden ſich alle, mich zu zwin- „gen, daß ich ihn nehmen ſollte: da ein Zwey- „kampf zwiſchen dem Cavallier, gegen welchen „meine Freunde aufgebracht waren, und meinem „Bruder, ſie jenem alle noch mehr zu Feinden ge- „macht hatte.
„Kurz; ich ward eingeſperret, und man be- „gegnete mir ſo gar hart, daß ich in einer unbe- „ſonnenen Hitze Abrede nahm, mit dem Manne, „den ſie haſſeten, davon zu gehen. Ein gottlo- „ſer Vorſatz, werden ſie ſagen: allein ich war
„unge-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0453"n="447"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>„kommt bloß von ihrer allzu großen Liebe und<lb/>„ihrer fehlgeſchlagenen Hoffnung her: da ſie Ur-<lb/>„ſache gehabt hatten, ſich eines beſſern zu mir zu<lb/>„verſehen.</p><lb/><p>„Es beſuchte mich, anfangs mit ihrem Wiſ-<lb/>„ſen, ein Mann von gutem Herkommen und<lb/>„Vermoͤgen, aber, wie der Erfolg gezeiget hat,<lb/>„von aͤrgern Grundſaͤtzen, als ich irgend einem<lb/>„Menſchen zutrauen konnte. Mein Bruder,<lb/>„ein junger Mann von ſehr ſteifem Kopfe, war<lb/>„damals nicht zu Hauſe. Da er zuruͤckkam:<lb/>„misbilligte er ſeine Beſuche ganz und gar, aus<lb/>„einem alten Grolle, und weil er den Cavallier,<lb/>„das liegt itzo offenbar am Tage, beſſer kannte,<lb/>„als ich. Weil er in unſerer Familie vieles<lb/>„galt: ſo brachte er andere Cavalliere, die ſich<lb/>„um mich bewarben; und zuletzt, nachdem ver-<lb/>„ſchiedne zuruͤck gewieſen waren, einen, der uͤber<lb/>„alle Maaße widrig, in aller <hirendition="#fr">unparteyiſchen</hi><lb/>„Augen widrig war. Jch konnte ihn nicht lie-<lb/>„ben. Sie verbanden ſich alle, mich zu zwin-<lb/>„gen, daß ich ihn nehmen ſollte: da ein Zwey-<lb/>„kampf zwiſchen dem Cavallier, gegen welchen<lb/>„meine Freunde aufgebracht waren, und meinem<lb/>„Bruder, ſie jenem alle noch mehr zu Feinden ge-<lb/>„macht hatte.</p><lb/><p>„Kurz; ich ward eingeſperret, und man be-<lb/>„gegnete mir ſo gar hart, daß ich in einer unbe-<lb/>„ſonnenen Hitze Abrede nahm, mit dem Manne,<lb/>„den ſie haſſeten, davon zu gehen. Ein gottlo-<lb/>„ſer Vorſatz, werden ſie ſagen: allein ich war<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„unge-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[447/0453]
„kommt bloß von ihrer allzu großen Liebe und
„ihrer fehlgeſchlagenen Hoffnung her: da ſie Ur-
„ſache gehabt hatten, ſich eines beſſern zu mir zu
„verſehen.
„Es beſuchte mich, anfangs mit ihrem Wiſ-
„ſen, ein Mann von gutem Herkommen und
„Vermoͤgen, aber, wie der Erfolg gezeiget hat,
„von aͤrgern Grundſaͤtzen, als ich irgend einem
„Menſchen zutrauen konnte. Mein Bruder,
„ein junger Mann von ſehr ſteifem Kopfe, war
„damals nicht zu Hauſe. Da er zuruͤckkam:
„misbilligte er ſeine Beſuche ganz und gar, aus
„einem alten Grolle, und weil er den Cavallier,
„das liegt itzo offenbar am Tage, beſſer kannte,
„als ich. Weil er in unſerer Familie vieles
„galt: ſo brachte er andere Cavalliere, die ſich
„um mich bewarben; und zuletzt, nachdem ver-
„ſchiedne zuruͤck gewieſen waren, einen, der uͤber
„alle Maaße widrig, in aller unparteyiſchen
„Augen widrig war. Jch konnte ihn nicht lie-
„ben. Sie verbanden ſich alle, mich zu zwin-
„gen, daß ich ihn nehmen ſollte: da ein Zwey-
„kampf zwiſchen dem Cavallier, gegen welchen
„meine Freunde aufgebracht waren, und meinem
„Bruder, ſie jenem alle noch mehr zu Feinden ge-
„macht hatte.
„Kurz; ich ward eingeſperret, und man be-
„gegnete mir ſo gar hart, daß ich in einer unbe-
„ſonnenen Hitze Abrede nahm, mit dem Manne,
„den ſie haſſeten, davon zu gehen. Ein gottlo-
„ſer Vorſatz, werden ſie ſagen: allein ich war
„unge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/453>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.