"leiden beweget! - - Es ist gütig! - - Allein "es ist Zeit, aufzuhören. Jhre mitleidige Her- "zen, Fr. Smithen und Fr. Lovick, sind zu sehr "gerühret" - - denn die beyden Weiber gluch- seten wieder vom Weinen, und der Mann war auch beweget - - "Es ist eine Grausamkeit von "mir, daß ich durch mein Ungemach ihren Hoch- "zeittag zu einem Trauertage mache." Hierauf wandte sie sich zu Herr Smithen und seiner Frguen - - "Der Himmel lasse sie, ehrliches, "gutes Paar, ihren Hochzeitstag noch vielmal "glücklich begehen! - - Wie angenehm ist es "anzusehen, daß sie sich beyde, nach dem Ver- "lauf vieler Jahre, so liebreich vereinigen, ihn zu "seyren! - - Vormals dachte ich - - Jedoch "nicht mehr - - Alle meine Hoffnung zur Glück- "seligkeit in diesem Leben hat nun ein Ende. "Sie ist, wie aufgehende Knospen oder Blüten "an einem zu frühzeitigen Schößlinge durch einen "strengen Frost, ersticket! - - Wie die Feld- "früchte durch einen Ostwind, verbrannt! - - "Aber ich kann nur einmal sterben: und wenn "mir das Leben nur so lange gefristet wird, bis "ich von einem schweren Fluch befreyet bin, den "mein Vater in seinem Zorn auf mich geleget "hat, und der in allen Stücken, so weit er das "gegenwärtige Leben betrifft, buchstäblich erfüllet "ist; so ist das alles, was ich zu wünschen habe, "und der Tod wird mir willkommener seyn, als "jemals dem müdesten Wanderer, der die End-
"schaft
F f 3
„leiden beweget! ‒ ‒ Es iſt guͤtig! ‒ ‒ Allein „es iſt Zeit, aufzuhoͤren. Jhre mitleidige Her- „zen, Fr. Smithen und Fr. Lovick, ſind zu ſehr „geruͤhret“ ‒ ‒ denn die beyden Weiber gluch- ſeten wieder vom Weinen, und der Mann war auch beweget ‒ ‒ „Es iſt eine Grauſamkeit von „mir, daß ich durch mein Ungemach ihren Hoch- „zeittag zu einem Trauertage mache.“ Hierauf wandte ſie ſich zu Herr Smithen und ſeiner Frguen ‒ ‒ „Der Himmel laſſe ſie, ehrliches, „gutes Paar, ihren Hochzeitstag noch vielmal „gluͤcklich begehen! ‒ ‒ Wie angenehm iſt es „anzuſehen, daß ſie ſich beyde, nach dem Ver- „lauf vieler Jahre, ſo liebreich vereinigen, ihn zu „ſeyren! ‒ ‒ Vormals dachte ich ‒ ‒ Jedoch „nicht mehr ‒ ‒ Alle meine Hoffnung zur Gluͤck- „ſeligkeit in dieſem Leben hat nun ein Ende. „Sie iſt, wie aufgehende Knoſpen oder Bluͤten „an einem zu fruͤhzeitigen Schoͤßlinge durch einen „ſtrengen Froſt, erſticket! ‒ ‒ Wie die Feld- „fruͤchte durch einen Oſtwind, verbrannt! ‒ ‒ „Aber ich kann nur einmal ſterben: und wenn „mir das Leben nur ſo lange gefriſtet wird, bis „ich von einem ſchweren Fluch befreyet bin, den „mein Vater in ſeinem Zorn auf mich geleget „hat, und der in allen Stuͤcken, ſo weit er das „gegenwaͤrtige Leben betrifft, buchſtaͤblich erfuͤllet „iſt; ſo iſt das alles, was ich zu wuͤnſchen habe, „und der Tod wird mir willkommener ſeyn, als „jemals dem muͤdeſten Wanderer, der die End-
„ſchaft
F f 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0459"n="453"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>„leiden beweget! ‒‒ Es iſt guͤtig! ‒‒ Allein<lb/>„es iſt Zeit, aufzuhoͤren. Jhre mitleidige Her-<lb/>„zen, Fr. Smithen und Fr. Lovick, ſind zu ſehr<lb/>„geruͤhret“‒‒ denn die beyden Weiber gluch-<lb/>ſeten wieder vom Weinen, und der Mann war<lb/>
auch beweget ‒‒„Es iſt eine Grauſamkeit von<lb/>„mir, daß ich durch mein Ungemach ihren Hoch-<lb/>„zeittag zu einem Trauertage mache.“ Hierauf<lb/>
wandte ſie ſich zu Herr Smithen und ſeiner<lb/>
Frguen ‒‒„Der Himmel laſſe ſie, ehrliches,<lb/>„gutes Paar, ihren Hochzeitstag noch vielmal<lb/>„gluͤcklich begehen! ‒‒ Wie angenehm iſt es<lb/>„anzuſehen, daß ſie ſich beyde, nach dem Ver-<lb/>„lauf vieler Jahre, ſo liebreich vereinigen, ihn zu<lb/>„ſeyren! ‒‒ Vormals dachte ich ‒‒ Jedoch<lb/>„nicht mehr ‒‒ Alle meine Hoffnung zur Gluͤck-<lb/>„ſeligkeit in dieſem Leben hat nun ein Ende.<lb/>„Sie iſt, wie aufgehende Knoſpen oder Bluͤten<lb/>„an einem zu fruͤhzeitigen Schoͤßlinge durch einen<lb/>„ſtrengen Froſt, erſticket! ‒‒ Wie die Feld-<lb/>„fruͤchte durch einen Oſtwind, verbrannt! ‒‒<lb/>„Aber ich kann nur <hirendition="#fr">einmal</hi>ſterben: und wenn<lb/>„mir das Leben nur ſo lange gefriſtet wird, bis<lb/>„ich von einem ſchweren Fluch befreyet bin, den<lb/>„mein Vater in ſeinem Zorn auf mich geleget<lb/>„hat, und der in allen Stuͤcken, ſo weit er das<lb/>„gegenwaͤrtige Leben betrifft, buchſtaͤblich erfuͤllet<lb/>„iſt; ſo iſt das alles, was ich zu wuͤnſchen habe,<lb/>„und der Tod wird mir willkommener ſeyn, als<lb/>„jemals dem muͤdeſten Wanderer, der die End-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F f 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">„ſchaft</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[453/0459]
„leiden beweget! ‒ ‒ Es iſt guͤtig! ‒ ‒ Allein
„es iſt Zeit, aufzuhoͤren. Jhre mitleidige Her-
„zen, Fr. Smithen und Fr. Lovick, ſind zu ſehr
„geruͤhret“ ‒ ‒ denn die beyden Weiber gluch-
ſeten wieder vom Weinen, und der Mann war
auch beweget ‒ ‒ „Es iſt eine Grauſamkeit von
„mir, daß ich durch mein Ungemach ihren Hoch-
„zeittag zu einem Trauertage mache.“ Hierauf
wandte ſie ſich zu Herr Smithen und ſeiner
Frguen ‒ ‒ „Der Himmel laſſe ſie, ehrliches,
„gutes Paar, ihren Hochzeitstag noch vielmal
„gluͤcklich begehen! ‒ ‒ Wie angenehm iſt es
„anzuſehen, daß ſie ſich beyde, nach dem Ver-
„lauf vieler Jahre, ſo liebreich vereinigen, ihn zu
„ſeyren! ‒ ‒ Vormals dachte ich ‒ ‒ Jedoch
„nicht mehr ‒ ‒ Alle meine Hoffnung zur Gluͤck-
„ſeligkeit in dieſem Leben hat nun ein Ende.
„Sie iſt, wie aufgehende Knoſpen oder Bluͤten
„an einem zu fruͤhzeitigen Schoͤßlinge durch einen
„ſtrengen Froſt, erſticket! ‒ ‒ Wie die Feld-
„fruͤchte durch einen Oſtwind, verbrannt! ‒ ‒
„Aber ich kann nur einmal ſterben: und wenn
„mir das Leben nur ſo lange gefriſtet wird, bis
„ich von einem ſchweren Fluch befreyet bin, den
„mein Vater in ſeinem Zorn auf mich geleget
„hat, und der in allen Stuͤcken, ſo weit er das
„gegenwaͤrtige Leben betrifft, buchſtaͤblich erfuͤllet
„iſt; ſo iſt das alles, was ich zu wuͤnſchen habe,
„und der Tod wird mir willkommener ſeyn, als
„jemals dem muͤdeſten Wanderer, der die End-
„ſchaft
F f 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/459>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.