Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



zet; wie er alle ihre Freunde ihnen zu Feinden
gemacht; und in was für ein schändliches Haus
er sie geführet hätte. Jch gab ihm einen Wink
von seinen ehrlosen Künsten und von dem schreck-
lichen Verhaft. Jch sagte ihm, wie schlecht sie
sich itzo befänden, und wie fest sie entschlossen
wären, lieber zu sterben, als ihn zu nehmen.

Er suchte seine Aufführung in keinem Stü-
cke, als in Ansehung des Verhafts, zu rechtferti-
gen: und betheurte so feyerlich seine schmerzliche
Reue über sein Verfahren mit Jhnen, indem er
sich auf die freyeste Art selbst anklagte und sich
die verdienten Namen beylegte, daß ich ver-
sprach, Jhnen dieses Stück von unserer Unterre-
dung vorzustellen. Und nun haben sie es.

Meine Mutter so wohl, als Herr Hickmann,
glaubt, wegen desjenigen, was bey dieser Gele-
genheit vorfiel, daß er durch das Böse, welches
er Jhnen angethan, in seinem Gewissen gerühret
sey. Allein nach seinem ganzen Bezeigen, muß
ich gestehen, kommt es mir vor, als wenn ihn
nichts eine halbe Stunde über zu rühren vermö-
gend ist. Dennoch zweifle ich im geringsten
nicht, daß er sie gern heyrathen würde. Es kränkt
seinen Stolz, wie ich wohl sehen konnte, daß er
eine abschlägige Antwort bekommen sollte: und
den meinigen kränkte es dagegen, daß ein so nichts-
würdiger Kerl sich unterstanden hatte, zu denken,
es würde in seiner Gewalt seyn, ein solches
Frauenzimmer zu bekommen, wenn es ihm nur
beliebte; und es müßte ihm als eine Herablas-

sung



zet; wie er alle ihre Freunde ihnen zu Feinden
gemacht; und in was fuͤr ein ſchaͤndliches Haus
er ſie gefuͤhret haͤtte. Jch gab ihm einen Wink
von ſeinen ehrloſen Kuͤnſten und von dem ſchreck-
lichen Verhaft. Jch ſagte ihm, wie ſchlecht ſie
ſich itzo befaͤnden, und wie feſt ſie entſchloſſen
waͤren, lieber zu ſterben, als ihn zu nehmen.

Er ſuchte ſeine Auffuͤhrung in keinem Stuͤ-
cke, als in Anſehung des Verhafts, zu rechtferti-
gen: und betheurte ſo feyerlich ſeine ſchmerzliche
Reue uͤber ſein Verfahren mit Jhnen, indem er
ſich auf die freyeſte Art ſelbſt anklagte und ſich
die verdienten Namen beylegte, daß ich ver-
ſprach, Jhnen dieſes Stuͤck von unſerer Unterre-
dung vorzuſtellen. Und nun haben ſie es.

Meine Mutter ſo wohl, als Herr Hickmann,
glaubt, wegen desjenigen, was bey dieſer Gele-
genheit vorfiel, daß er durch das Boͤſe, welches
er Jhnen angethan, in ſeinem Gewiſſen geruͤhret
ſey. Allein nach ſeinem ganzen Bezeigen, muß
ich geſtehen, kommt es mir vor, als wenn ihn
nichts eine halbe Stunde uͤber zu ruͤhren vermoͤ-
gend iſt. Dennoch zweifle ich im geringſten
nicht, daß er ſie gern heyrathen wuͤrde. Es kraͤnkt
ſeinen Stolz, wie ich wohl ſehen konnte, daß er
eine abſchlaͤgige Antwort bekommen ſollte: und
den meinigen kraͤnkte es dagegen, daß ein ſo nichts-
wuͤrdiger Kerl ſich unterſtanden hatte, zu denken,
es wuͤrde in ſeiner Gewalt ſeyn, ein ſolches
Frauenzimmer zu bekommen, wenn es ihm nur
beliebte; und es muͤßte ihm als eine Herablaſ-

ſung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0566" n="560"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
zet; wie er alle ihre Freunde ihnen zu Feinden<lb/>
gemacht; und in was fu&#x0364;r ein &#x017F;cha&#x0364;ndliches Haus<lb/>
er &#x017F;ie gefu&#x0364;hret ha&#x0364;tte. Jch gab ihm einen Wink<lb/>
von &#x017F;einen ehrlo&#x017F;en Ku&#x0364;n&#x017F;ten und von dem &#x017F;chreck-<lb/>
lichen Verhaft. Jch &#x017F;agte ihm, wie &#x017F;chlecht &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich itzo befa&#x0364;nden, und wie fe&#x017F;t &#x017F;ie ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wa&#x0364;ren, lieber zu &#x017F;terben, als ihn zu nehmen.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;uchte &#x017F;eine Auffu&#x0364;hrung in keinem Stu&#x0364;-<lb/>
cke, als in An&#x017F;ehung des Verhafts, zu rechtferti-<lb/>
gen: und betheurte &#x017F;o feyerlich &#x017F;eine &#x017F;chmerzliche<lb/>
Reue u&#x0364;ber &#x017F;ein Verfahren mit Jhnen, indem er<lb/>
&#x017F;ich auf die freye&#x017F;te Art &#x017F;elb&#x017F;t anklagte und &#x017F;ich<lb/>
die <hi rendition="#fr">verdienten</hi> Namen beylegte, daß ich ver-<lb/>
&#x017F;prach, Jhnen die&#x017F;es Stu&#x0364;ck von un&#x017F;erer Unterre-<lb/>
dung vorzu&#x017F;tellen. Und nun haben &#x017F;ie es.</p><lb/>
          <p>Meine Mutter &#x017F;o wohl, als Herr Hickmann,<lb/>
glaubt, wegen desjenigen, was bey die&#x017F;er Gele-<lb/>
genheit vorfiel, daß er durch das Bo&#x0364;&#x017F;e, welches<lb/>
er Jhnen angethan, in &#x017F;einem Gewi&#x017F;&#x017F;en geru&#x0364;hret<lb/>
&#x017F;ey. Allein nach &#x017F;einem ganzen Bezeigen, muß<lb/>
ich ge&#x017F;tehen, kommt es mir vor, als wenn ihn<lb/>
nichts eine halbe Stunde u&#x0364;ber zu ru&#x0364;hren vermo&#x0364;-<lb/>
gend i&#x017F;t. Dennoch zweifle ich im gering&#x017F;ten<lb/>
nicht, daß er &#x017F;ie gern heyrathen wu&#x0364;rde. Es kra&#x0364;nkt<lb/>
&#x017F;einen Stolz, wie ich wohl &#x017F;ehen konnte, daß er<lb/>
eine ab&#x017F;chla&#x0364;gige Antwort bekommen &#x017F;ollte: und<lb/>
den meinigen kra&#x0364;nkte es dagegen, daß ein &#x017F;o nichts-<lb/>
wu&#x0364;rdiger Kerl &#x017F;ich unter&#x017F;tanden hatte, zu denken,<lb/>
es wu&#x0364;rde in &#x017F;einer Gewalt &#x017F;eyn, ein &#x017F;olches<lb/>
Frauenzimmer zu bekommen, wenn es ihm nur<lb/>
beliebte; und es mu&#x0364;ßte ihm als eine Herabla&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ung</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[560/0566] zet; wie er alle ihre Freunde ihnen zu Feinden gemacht; und in was fuͤr ein ſchaͤndliches Haus er ſie gefuͤhret haͤtte. Jch gab ihm einen Wink von ſeinen ehrloſen Kuͤnſten und von dem ſchreck- lichen Verhaft. Jch ſagte ihm, wie ſchlecht ſie ſich itzo befaͤnden, und wie feſt ſie entſchloſſen waͤren, lieber zu ſterben, als ihn zu nehmen. Er ſuchte ſeine Auffuͤhrung in keinem Stuͤ- cke, als in Anſehung des Verhafts, zu rechtferti- gen: und betheurte ſo feyerlich ſeine ſchmerzliche Reue uͤber ſein Verfahren mit Jhnen, indem er ſich auf die freyeſte Art ſelbſt anklagte und ſich die verdienten Namen beylegte, daß ich ver- ſprach, Jhnen dieſes Stuͤck von unſerer Unterre- dung vorzuſtellen. Und nun haben ſie es. Meine Mutter ſo wohl, als Herr Hickmann, glaubt, wegen desjenigen, was bey dieſer Gele- genheit vorfiel, daß er durch das Boͤſe, welches er Jhnen angethan, in ſeinem Gewiſſen geruͤhret ſey. Allein nach ſeinem ganzen Bezeigen, muß ich geſtehen, kommt es mir vor, als wenn ihn nichts eine halbe Stunde uͤber zu ruͤhren vermoͤ- gend iſt. Dennoch zweifle ich im geringſten nicht, daß er ſie gern heyrathen wuͤrde. Es kraͤnkt ſeinen Stolz, wie ich wohl ſehen konnte, daß er eine abſchlaͤgige Antwort bekommen ſollte: und den meinigen kraͤnkte es dagegen, daß ein ſo nichts- wuͤrdiger Kerl ſich unterſtanden hatte, zu denken, es wuͤrde in ſeiner Gewalt ſeyn, ein ſolches Frauenzimmer zu bekommen, wenn es ihm nur beliebte; und es muͤßte ihm als eine Herablaſ- ſung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/566
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/566>, abgerufen am 25.11.2024.