Der neun und siebzigste Brief von der Fräulein Howe an Fräulein Clarissa Harlowe. zur Antwort auf ihren Brief vom 27ten Jul. der hier der LXXV. ist.
Freytags, den 28ten Jul.
Nun will ich Jhnen, meine liebste Freundinn, ohne Zurückhaltung, vollkommen meine Meynung von Jhrem Entschlusse, den schänd- lichsten Kerl nicht zu nehmen, schreiben. Sie gaben mir in Jhrem Briefe vom Sonnabend dem 23ten, zur Vertheidigung dieses Entschlusses, Gründe an, die dem unbefleckten Gemüth meiner Clarissa Harlowe so anständig waren, daß nichts als Selbstliebe, damit ich meine allezeit holdseli- ge Freundinn nicht verlieren möchte, mich hätte bewegen können, ihn geändert zu wünschen.
Jn der That, ich dachte, es wäre unmöglich, daß, so sehr man es auch wünschen möchte, eine so edle Probe der Ueberwindung des Zorns von irgend einer Person unsers Geschlechts gegeben würde, wenn so viele Reizungen vorhanden wä- ren, ihm freyen Lauf zu lassen. Daher war ich geneigt, noch einmal in Sie zu dringen, daß Sie,
ihren
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Der neun und ſiebzigſte Brief von der Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe. zur Antwort auf ihren Brief vom 27ten Jul. der hier der LXXV. iſt.
Freytags, den 28ten Jul.
Nun will ich Jhnen, meine liebſte Freundinn, ohne Zuruͤckhaltung, vollkommen meine Meynung von Jhrem Entſchluſſe, den ſchaͤnd- lichſten Kerl nicht zu nehmen, ſchreiben. Sie gaben mir in Jhrem Briefe vom Sonnabend dem 23ten, zur Vertheidigung dieſes Entſchluſſes, Gruͤnde an, die dem unbefleckten Gemuͤth meiner Clariſſa Harlowe ſo anſtaͤndig waren, daß nichts als Selbſtliebe, damit ich meine allezeit holdſeli- ge Freundinn nicht verlieren moͤchte, mich haͤtte bewegen koͤnnen, ihn geaͤndert zu wuͤnſchen.
Jn der That, ich dachte, es waͤre unmoͤglich, daß, ſo ſehr man es auch wuͤnſchen moͤchte, eine ſo edle Probe der Ueberwindung des Zorns von irgend einer Perſon unſers Geſchlechts gegeben wuͤrde, wenn ſo viele Reizungen vorhanden waͤ- ren, ihm freyen Lauf zu laſſen. Daher war ich geneigt, noch einmal in Sie zu dringen, daß Sie,
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Der neun und ſiebzigſte Brief
von der
Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa
Harlowe.
zur Antwort
auf ihren Brief vom 27ten Jul. der
hier der LXXV. iſt.
Freytags, den 28ten Jul.
Nun will ich Jhnen, meine liebſte Freundinn,
ohne Zuruͤckhaltung, vollkommen meine
Meynung von Jhrem Entſchluſſe, den ſchaͤnd-
lichſten Kerl nicht zu nehmen, ſchreiben. Sie
gaben mir in Jhrem Briefe vom Sonnabend
dem 23ten, zur Vertheidigung dieſes Entſchluſſes,
Gruͤnde an, die dem unbefleckten Gemuͤth meiner
Clariſſa Harlowe ſo anſtaͤndig waren, daß nichts
als Selbſtliebe, damit ich meine allezeit holdſeli-
ge Freundinn nicht verlieren moͤchte, mich haͤtte
bewegen koͤnnen, ihn geaͤndert zu wuͤnſchen.
Jn der That, ich dachte, es waͤre unmoͤglich,
daß, ſo ſehr man es auch wuͤnſchen moͤchte, eine
ſo edle Probe der Ueberwindung des Zorns von
irgend einer Perſon unſers Geſchlechts gegeben
wuͤrde, wenn ſo viele Reizungen vorhanden waͤ-
ren, ihm freyen Lauf zu laſſen. Daher war ich
geneigt, noch einmal in Sie zu dringen, daß Sie,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/605>, abgerufen am 22.11.2024.
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