keine sind, damit man sie für schlau und ver- schmitzt halte.
Jch kann nicht sagen, daß er mir gefällt, es sey auf der Kanzel, oder sonst. Da ich einen der reinesten Geistlichen und der besten Gelehrten im ganzen Königreiche zum Vater gehabt habe, der niemals mit dem, was er wußte, prahlte, sondern das Evangelium, welches er lehrte, liebte und hochachtete, und aller andern Gelehrsamkeit vor- zog: so ist es mir verdrieslich, wenn ich genöthigt bin, einen jungen Menschen zu hören, der seinen Text, so bald als er ihn genannt, selbst wider das Beyspiel seines gelehrten und würdigen Aufse- hers (*), wenn ihm seine Gesundheit zu predigen erlaubt, verlässet, und bey einer christlichen Ge- meine von Landleuten mit lateinischen und grie- chischen Brocken aus heidnischen Schriftstellern um sich wirft, und sie noch dazu nicht allemal so vorbringt, daß es sich sonderlich schickt, wie ich aus dem Englischen, worinn er sie allezeit über- setzt, als dem einzigen Mittel, wornach mir zu urtheilen erlaubt ist, urtheile. Dieß ist eine An- zeige, daß es irgendwo nicht recht bey ihm ist, entweder im Kopfe, oder im Herzen, oder in bey- den; denn sonst müßte ihn seine Anweisung auf hohen Schulen es besser gelehrt haben. Sie wis- sen, meine liebe Fräul. Clärchen, wie viele Ehr- erbietung ich gegen den geistlichen Stand hege. Eben daher kommt es, daß ich dieß sage.
Jch
(*) D. Lewin.
keine ſind, damit man ſie fuͤr ſchlau und ver- ſchmitzt halte.
Jch kann nicht ſagen, daß er mir gefaͤllt, es ſey auf der Kanzel, oder ſonſt. Da ich einen der reineſten Geiſtlichen und der beſten Gelehrten im ganzen Koͤnigreiche zum Vater gehabt habe, der niemals mit dem, was er wußte, prahlte, ſondern das Evangelium, welches er lehrte, liebte und hochachtete, und aller andern Gelehrſamkeit vor- zog: ſo iſt es mir verdrieslich, wenn ich genoͤthigt bin, einen jungen Menſchen zu hoͤren, der ſeinen Text, ſo bald als er ihn genannt, ſelbſt wider das Beyſpiel ſeines gelehrten und wuͤrdigen Aufſe- hers (*), wenn ihm ſeine Geſundheit zu predigen erlaubt, verlaͤſſet, und bey einer chriſtlichen Ge- meine von Landleuten mit lateiniſchen und grie- chiſchen Brocken aus heidniſchen Schriftſtellern um ſich wirft, und ſie noch dazu nicht allemal ſo vorbringt, daß es ſich ſonderlich ſchickt, wie ich aus dem Engliſchen, worinn er ſie allezeit uͤber- ſetzt, als dem einzigen Mittel, wornach mir zu urtheilen erlaubt iſt, urtheile. Dieß iſt eine An- zeige, daß es irgendwo nicht recht bey ihm iſt, entweder im Kopfe, oder im Herzen, oder in bey- den; denn ſonſt muͤßte ihn ſeine Anweiſung auf hohen Schulen es beſſer gelehrt haben. Sie wiſ- ſen, meine liebe Fraͤul. Claͤrchen, wie viele Ehr- erbietung ich gegen den geiſtlichen Stand hege. Eben daher kommt es, daß ich dieß ſage.
Jch
(*) D. Lewin.
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keine ſind, damit man ſie fuͤr ſchlau und ver-
ſchmitzt halte.
Jch kann nicht ſagen, daß er mir gefaͤllt, es
ſey auf der Kanzel, oder ſonſt. Da ich einen der
reineſten Geiſtlichen und der beſten Gelehrten im
ganzen Koͤnigreiche zum Vater gehabt habe, der
niemals mit dem, was er wußte, prahlte, ſondern
das Evangelium, welches er lehrte, liebte und
hochachtete, und aller andern Gelehrſamkeit vor-
zog: ſo iſt es mir verdrieslich, wenn ich genoͤthigt
bin, einen jungen Menſchen zu hoͤren, der ſeinen
Text, ſo bald als er ihn genannt, ſelbſt wider das
Beyſpiel ſeines gelehrten und wuͤrdigen Aufſe-
hers (*), wenn ihm ſeine Geſundheit zu predigen
erlaubt, verlaͤſſet, und bey einer chriſtlichen Ge-
meine von Landleuten mit lateiniſchen und grie-
chiſchen Brocken aus heidniſchen Schriftſtellern
um ſich wirft, und ſie noch dazu nicht allemal ſo
vorbringt, daß es ſich ſonderlich ſchickt, wie ich
aus dem Engliſchen, worinn er ſie allezeit uͤber-
ſetzt, als dem einzigen Mittel, wornach mir zu
urtheilen erlaubt iſt, urtheile. Dieß iſt eine An-
zeige, daß es irgendwo nicht recht bey ihm iſt,
entweder im Kopfe, oder im Herzen, oder in bey-
den; denn ſonſt muͤßte ihn ſeine Anweiſung auf
hohen Schulen es beſſer gelehrt haben. Sie wiſ-
ſen, meine liebe Fraͤul. Claͤrchen, wie viele Ehr-
erbietung ich gegen den geiſtlichen Stand hege.
Eben daher kommt es, daß ich dieß ſage.
Jch
(*) D. Lewin.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/660>, abgerufen am 22.11.2024.
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