seyn und nicht erst nöthig gehabt haben sollen, durch meine eigne Unglücksfälle von der Wahr- heit desjenigen überführt zu werden, was die ge- meine Erfahrung täglich beweiset. Herrn Love- lacens Schandthaten, meines Vaters Unbeweg- lichkeit, meiner Schwester Vorwürfe, sind die na- türlichen Folgen von meiner eignen Unbesonnen- heit. Also muß ich mich in mein hartes Schick- sal so gut, als möglich, schicken. Nur, da diese Folgen so nahe auf einander treffen: wie kann ich es denn ändern, weil sie noch neu sind, daß ich aufs neue gerühret werde?
Jch fragte, ob ein Brief an einen ihrer Freun- de von mir selbst oder ihrem Arzt, oder Apothe- ker, worinn der schwache Zustand ihrer Gesund- heit, und ihre große Demuth vorgestellet wäre, angenehm seyn würde? Oder wo eine Reise, zu irgend jemand von ihnen, Dienste thun möchte: so wollte ich sie mit Freuden in Person überneh- men, und mich schlechterdings nach ihrer Anwei- sung richten, an wen sie auch befehlen wollte, mei- nen Antrag zu thun.
Sie verlangte aber ernstlich, daß nichts der- gleichen unternommen werden möchte: sonder- lich ohne ihr Wissen und ihre Einwilligung. Fräulein Howe, sagte sie, hätte durch ihren gut- gemeynten Eifer Schaden angerichtet: und wenn Hoffnung übrig wäre, durch Mittelspersonen ei- ne Gewogenheit zu erlangen; so hätte sie schon eine gütige Freundinn, Fr. Norton, an der Hand, welche an Frömmigkeit und Klugheit wenige ih-
res
ſeyn und nicht erſt noͤthig gehabt haben ſollen, durch meine eigne Ungluͤcksfaͤlle von der Wahr- heit desjenigen uͤberfuͤhrt zu werden, was die ge- meine Erfahrung taͤglich beweiſet. Herrn Love- lacens Schandthaten, meines Vaters Unbeweg- lichkeit, meiner Schweſter Vorwuͤrfe, ſind die na- tuͤrlichen Folgen von meiner eignen Unbeſonnen- heit. Alſo muß ich mich in mein hartes Schick- ſal ſo gut, als moͤglich, ſchicken. Nur, da dieſe Folgen ſo nahe auf einander treffen: wie kann ich es denn aͤndern, weil ſie noch neu ſind, daß ich aufs neue geruͤhret werde?
Jch fragte, ob ein Brief an einen ihrer Freun- de von mir ſelbſt oder ihrem Arzt, oder Apothe- ker, worinn der ſchwache Zuſtand ihrer Geſund- heit, und ihre große Demuth vorgeſtellet waͤre, angenehm ſeyn wuͤrde? Oder wo eine Reiſe, zu irgend jemand von ihnen, Dienſte thun moͤchte: ſo wollte ich ſie mit Freuden in Perſon uͤberneh- men, und mich ſchlechterdings nach ihrer Anwei- ſung richten, an wen ſie auch befehlen wollte, mei- nen Antrag zu thun.
Sie verlangte aber ernſtlich, daß nichts der- gleichen unternommen werden moͤchte: ſonder- lich ohne ihr Wiſſen und ihre Einwilligung. Fraͤulein Howe, ſagte ſie, haͤtte durch ihren gut- gemeynten Eifer Schaden angerichtet: und wenn Hoffnung uͤbrig waͤre, durch Mittelsperſonen ei- ne Gewogenheit zu erlangen; ſo haͤtte ſie ſchon eine guͤtige Freundinn, Fr. Norton, an der Hand, welche an Froͤmmigkeit und Klugheit wenige ih-
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ſeyn und nicht erſt noͤthig gehabt haben ſollen,
durch meine eigne Ungluͤcksfaͤlle von der Wahr-
heit desjenigen uͤberfuͤhrt zu werden, was die ge-
meine Erfahrung taͤglich beweiſet. Herrn Love-
lacens Schandthaten, meines Vaters Unbeweg-
lichkeit, meiner Schweſter Vorwuͤrfe, ſind die na-
tuͤrlichen Folgen von meiner eignen Unbeſonnen-
heit. Alſo muß ich mich in mein hartes Schick-
ſal ſo gut, als moͤglich, ſchicken. Nur, da dieſe
Folgen ſo nahe auf einander treffen: wie kann
ich es denn aͤndern, weil ſie noch neu ſind, daß ich
aufs neue geruͤhret werde?
Jch fragte, ob ein Brief an einen ihrer Freun-
de von mir ſelbſt oder ihrem Arzt, oder Apothe-
ker, worinn der ſchwache Zuſtand ihrer Geſund-
heit, und ihre große Demuth vorgeſtellet waͤre,
angenehm ſeyn wuͤrde? Oder wo eine Reiſe, zu
irgend jemand von ihnen, Dienſte thun moͤchte:
ſo wollte ich ſie mit Freuden in Perſon uͤberneh-
men, und mich ſchlechterdings nach ihrer Anwei-
ſung richten, an wen ſie auch befehlen wollte, mei-
nen Antrag zu thun.
Sie verlangte aber ernſtlich, daß nichts der-
gleichen unternommen werden moͤchte: ſonder-
lich ohne ihr Wiſſen und ihre Einwilligung.
Fraͤulein Howe, ſagte ſie, haͤtte durch ihren gut-
gemeynten Eifer Schaden angerichtet: und wenn
Hoffnung uͤbrig waͤre, durch Mittelsperſonen ei-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/698>, abgerufen am 22.11.2024.
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