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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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seyn und nicht erst nöthig gehabt haben sollen,
durch meine eigne Unglücksfälle von der Wahr-
heit desjenigen überführt zu werden, was die ge-
meine Erfahrung täglich beweiset. Herrn Love-
lacens Schandthaten, meines Vaters Unbeweg-
lichkeit, meiner Schwester Vorwürfe, sind die na-
türlichen Folgen von meiner eignen Unbesonnen-
heit. Also muß ich mich in mein hartes Schick-
sal so gut, als möglich, schicken. Nur, da diese
Folgen so nahe auf einander treffen: wie kann
ich es denn ändern, weil sie noch neu sind, daß ich
aufs neue gerühret werde?

Jch fragte, ob ein Brief an einen ihrer Freun-
de von mir selbst oder ihrem Arzt, oder Apothe-
ker, worinn der schwache Zustand ihrer Gesund-
heit, und ihre große Demuth vorgestellet wäre,
angenehm seyn würde? Oder wo eine Reise, zu
irgend jemand von ihnen, Dienste thun möchte:
so wollte ich sie mit Freuden in Person überneh-
men, und mich schlechterdings nach ihrer Anwei-
sung richten, an wen sie auch befehlen wollte, mei-
nen Antrag zu thun.

Sie verlangte aber ernstlich, daß nichts der-
gleichen unternommen werden möchte: sonder-
lich ohne ihr Wissen und ihre Einwilligung.
Fräulein Howe, sagte sie, hätte durch ihren gut-
gemeynten Eifer Schaden angerichtet: und wenn
Hoffnung übrig wäre, durch Mittelspersonen ei-
ne Gewogenheit zu erlangen; so hätte sie schon
eine gütige Freundinn, Fr. Norton, an der Hand,
welche an Frömmigkeit und Klugheit wenige ih-

res



ſeyn und nicht erſt noͤthig gehabt haben ſollen,
durch meine eigne Ungluͤcksfaͤlle von der Wahr-
heit desjenigen uͤberfuͤhrt zu werden, was die ge-
meine Erfahrung taͤglich beweiſet. Herrn Love-
lacens Schandthaten, meines Vaters Unbeweg-
lichkeit, meiner Schweſter Vorwuͤrfe, ſind die na-
tuͤrlichen Folgen von meiner eignen Unbeſonnen-
heit. Alſo muß ich mich in mein hartes Schick-
ſal ſo gut, als moͤglich, ſchicken. Nur, da dieſe
Folgen ſo nahe auf einander treffen: wie kann
ich es denn aͤndern, weil ſie noch neu ſind, daß ich
aufs neue geruͤhret werde?

Jch fragte, ob ein Brief an einen ihrer Freun-
de von mir ſelbſt oder ihrem Arzt, oder Apothe-
ker, worinn der ſchwache Zuſtand ihrer Geſund-
heit, und ihre große Demuth vorgeſtellet waͤre,
angenehm ſeyn wuͤrde? Oder wo eine Reiſe, zu
irgend jemand von ihnen, Dienſte thun moͤchte:
ſo wollte ich ſie mit Freuden in Perſon uͤberneh-
men, und mich ſchlechterdings nach ihrer Anwei-
ſung richten, an wen ſie auch befehlen wollte, mei-
nen Antrag zu thun.

Sie verlangte aber ernſtlich, daß nichts der-
gleichen unternommen werden moͤchte: ſonder-
lich ohne ihr Wiſſen und ihre Einwilligung.
Fraͤulein Howe, ſagte ſie, haͤtte durch ihren gut-
gemeynten Eifer Schaden angerichtet: und wenn
Hoffnung uͤbrig waͤre, durch Mittelsperſonen ei-
ne Gewogenheit zu erlangen; ſo haͤtte ſie ſchon
eine guͤtige Freundinn, Fr. Norton, an der Hand,
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[692/0698] ſeyn und nicht erſt noͤthig gehabt haben ſollen, durch meine eigne Ungluͤcksfaͤlle von der Wahr- heit desjenigen uͤberfuͤhrt zu werden, was die ge- meine Erfahrung taͤglich beweiſet. Herrn Love- lacens Schandthaten, meines Vaters Unbeweg- lichkeit, meiner Schweſter Vorwuͤrfe, ſind die na- tuͤrlichen Folgen von meiner eignen Unbeſonnen- heit. Alſo muß ich mich in mein hartes Schick- ſal ſo gut, als moͤglich, ſchicken. Nur, da dieſe Folgen ſo nahe auf einander treffen: wie kann ich es denn aͤndern, weil ſie noch neu ſind, daß ich aufs neue geruͤhret werde? Jch fragte, ob ein Brief an einen ihrer Freun- de von mir ſelbſt oder ihrem Arzt, oder Apothe- ker, worinn der ſchwache Zuſtand ihrer Geſund- heit, und ihre große Demuth vorgeſtellet waͤre, angenehm ſeyn wuͤrde? Oder wo eine Reiſe, zu irgend jemand von ihnen, Dienſte thun moͤchte: ſo wollte ich ſie mit Freuden in Perſon uͤberneh- men, und mich ſchlechterdings nach ihrer Anwei- ſung richten, an wen ſie auch befehlen wollte, mei- nen Antrag zu thun. Sie verlangte aber ernſtlich, daß nichts der- gleichen unternommen werden moͤchte: ſonder- lich ohne ihr Wiſſen und ihre Einwilligung. Fraͤulein Howe, ſagte ſie, haͤtte durch ihren gut- gemeynten Eifer Schaden angerichtet: und wenn Hoffnung uͤbrig waͤre, durch Mittelsperſonen ei- ne Gewogenheit zu erlangen; ſo haͤtte ſie ſchon eine guͤtige Freundinn, Fr. Norton, an der Hand, welche an Froͤmmigkeit und Klugheit wenige ih- res

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/698>, abgerufen am 22.11.2024.