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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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säumung irgend eines eifrigen Bemühens, eines
demüthigen Bestrebens, Sie zur Gewogenheit
zu bewegen, vorzuhalten habe. Denn in Jhnen,
gnädige Fräulein, in Jhrer Vergebung ist alle
meine Hoffnung für diese und jene Welt verei-
niget. Wo Sie mich ganzlich verwerfen: so
wird mir nicht vergönnet seyn, Barmherzigkeit
von Oben zu erwarten. - - Denn mein Gewis-
sen ist itzo genug erwecket, daß ich denken kann,
es sey zur Gnade bey Gott nothwendig, vorher
von unschuldig Beleidigten Vergebung zu haben:
indem der Allmächtige, wie vernünftig zu glauben
ist, den Nichtswürdigen, der sie ohne Ursache und
tödtlich beleidiget, in ihre Gewalt giebet. Und
wer kann zu dieser Gewalt ein Recht haben:
wo Sie es nicht haben?

Mit einem Wort, gnädige Fräulein, ich sehe
Jhre Sache als die Sache der Tugend, und
deswegen als die Sache Gottes an. Muß ich
denn nicht erwarten, daß er dieselbe in dem Ver-
derben eines Menschen, der gegen eine Person
von unbefleckter Tugend so gehandelt hat, wie ich
gehandelt habe, ausführen und behaupten werde:
wofern Sie, durch Verwerfung meiner, zeigen,
daß meine Beleidigung größer ist, als daß eine
Vergebung möglich seyn sollte?

Jch versichere sie auf das heiligste, daß mich
keine zeitliche oder weltliche Absichten zu dieser
eifrigen Bitte bewegen. Jch verdiene keine Ver-
gebung von Jhnen. Mein Lord M. und seine
Schwestern verdienen sie auch von mir nicht.

Jch



ſaͤumung irgend eines eifrigen Bemuͤhens, eines
demuͤthigen Beſtrebens, Sie zur Gewogenheit
zu bewegen, vorzuhalten habe. Denn in Jhnen,
gnaͤdige Fraͤulein, in Jhrer Vergebung iſt alle
meine Hoffnung fuͤr dieſe und jene Welt verei-
niget. Wo Sie mich ganzlich verwerfen: ſo
wird mir nicht vergoͤnnet ſeyn, Barmherzigkeit
von Oben zu erwarten. ‒ ‒ Denn mein Gewiſ-
ſen iſt itzo genug erwecket, daß ich denken kann,
es ſey zur Gnade bey Gott nothwendig, vorher
von unſchuldig Beleidigten Vergebung zu haben:
indem der Allmaͤchtige, wie vernuͤnftig zu glauben
iſt, den Nichtswuͤrdigen, der ſie ohne Urſache und
toͤdtlich beleidiget, in ihre Gewalt giebet. Und
wer kann zu dieſer Gewalt ein Recht haben:
wo Sie es nicht haben?

Mit einem Wort, gnaͤdige Fraͤulein, ich ſehe
Jhre Sache als die Sache der Tugend, und
deswegen als die Sache Gottes an. Muß ich
denn nicht erwarten, daß er dieſelbe in dem Ver-
derben eines Menſchen, der gegen eine Perſon
von unbefleckter Tugend ſo gehandelt hat, wie ich
gehandelt habe, ausfuͤhren und behaupten werde:
wofern Sie, durch Verwerfung meiner, zeigen,
daß meine Beleidigung groͤßer iſt, als daß eine
Vergebung moͤglich ſeyn ſollte?

Jch verſichere ſie auf das heiligſte, daß mich
keine zeitliche oder weltliche Abſichten zu dieſer
eifrigen Bitte bewegen. Jch verdiene keine Ver-
gebung von Jhnen. Mein Lord M. und ſeine
Schweſtern verdienen ſie auch von mir nicht.

Jch
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[714/0720] ſaͤumung irgend eines eifrigen Bemuͤhens, eines demuͤthigen Beſtrebens, Sie zur Gewogenheit zu bewegen, vorzuhalten habe. Denn in Jhnen, gnaͤdige Fraͤulein, in Jhrer Vergebung iſt alle meine Hoffnung fuͤr dieſe und jene Welt verei- niget. Wo Sie mich ganzlich verwerfen: ſo wird mir nicht vergoͤnnet ſeyn, Barmherzigkeit von Oben zu erwarten. ‒ ‒ Denn mein Gewiſ- ſen iſt itzo genug erwecket, daß ich denken kann, es ſey zur Gnade bey Gott nothwendig, vorher von unſchuldig Beleidigten Vergebung zu haben: indem der Allmaͤchtige, wie vernuͤnftig zu glauben iſt, den Nichtswuͤrdigen, der ſie ohne Urſache und toͤdtlich beleidiget, in ihre Gewalt giebet. Und wer kann zu dieſer Gewalt ein Recht haben: wo Sie es nicht haben? Mit einem Wort, gnaͤdige Fraͤulein, ich ſehe Jhre Sache als die Sache der Tugend, und deswegen als die Sache Gottes an. Muß ich denn nicht erwarten, daß er dieſelbe in dem Ver- derben eines Menſchen, der gegen eine Perſon von unbefleckter Tugend ſo gehandelt hat, wie ich gehandelt habe, ausfuͤhren und behaupten werde: wofern Sie, durch Verwerfung meiner, zeigen, daß meine Beleidigung groͤßer iſt, als daß eine Vergebung moͤglich ſeyn ſollte? Jch verſichere ſie auf das heiligſte, daß mich keine zeitliche oder weltliche Abſichten zu dieſer eifrigen Bitte bewegen. Jch verdiene keine Ver- gebung von Jhnen. Mein Lord M. und ſeine Schweſtern verdienen ſie auch von mir nicht. Jch

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 714. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/720>, abgerufen am 22.11.2024.