[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.straft: ausgenommen, wenn wir auf die Beloh- nungen nach diesem Leben sehen, welcher sie nach der Tugendlehre versichert seyn muß; oder wer kann es jemals seyn? Bey dem allen weiß ich gleichwohl nicht, so ein schrecklicher Kerl bist du, und so ein schändlicher Ehemann hättest du werden mögen, ob ihre Tugend nicht dadurch belohnet wird, daß sie deiner los wird. Denn eben die Dinge, welche der menschlichen Natur am schmerzlichsten sind, wenn sie sich zutragen, sind oft, wie diese reizende Fräulein einmal be- merkte, in dem Ausgange die glücklichsten für uns. Jch habe vielfältig bey meiner Aufwartung, oder dig; Athenias in dem Theodosius; Cordelia in
Shakespeares König Lear; Desdemona in Othel- lo; Hamlet und andere, daß ich nicht mehrere nenne, sind Beweise, daß ein Trauerspiel schwer- lich mit Recht diesen Namen verdienen könnte, wenn die Tugend nicht eine Zeitlang litte und das Laster auf eine Weile siegte. Allein er besinnet sich in eben dem Absatz, und führet uns auf die Zu- kunft, daß wir daselbst die Belohnung der Tugend und die Strafe des Lasters suchen müssen. Er macht keine üble Anmerkung, wenn er sagt: Er wisse nicht, ob die Tugend eines solchen Frauen- zimmers, als Clarissa ist, nicht dadurch belohnet werde, daß ihr ein solcher Mann, als Lovelace, nicht zu Theil wird. ſtraft: ausgenommen, wenn wir auf die Beloh- nungen nach dieſem Leben ſehen, welcher ſie nach der Tugendlehre verſichert ſeyn muß; oder wer kann es jemals ſeyn? Bey dem allen weiß ich gleichwohl nicht, ſo ein ſchrecklicher Kerl biſt du, und ſo ein ſchaͤndlicher Ehemann haͤtteſt du werden moͤgen, ob ihre Tugend nicht dadurch belohnet wird, daß ſie deiner los wird. Denn eben die Dinge, welche der menſchlichen Natur am ſchmerzlichſten ſind, wenn ſie ſich zutragen, ſind oft, wie dieſe reizende Fraͤulein einmal be- merkte, in dem Ausgange die gluͤcklichſten fuͤr uns. Jch habe vielfaͤltig bey meiner Aufwartung, oder dig; Athenias in dem Theodoſius; Cordelia in
Shakeſpeares Koͤnig Lear; Desdemona in Othel- lo; Hamlet und andere, daß ich nicht mehrere nenne, ſind Beweiſe, daß ein Trauerſpiel ſchwer- lich mit Recht dieſen Namen verdienen koͤnnte, wenn die Tugend nicht eine Zeitlang litte und das Laſter auf eine Weile ſiegte. Allein er beſinnet ſich in eben dem Abſatz, und fuͤhret uns auf die Zu- kunft, daß wir daſelbſt die Belohnung der Tugend und die Strafe des Laſters ſuchen muͤſſen. Er macht keine uͤble Anmerkung, wenn er ſagt: Er wiſſe nicht, ob die Tugend eines ſolchen Frauen- zimmers, als Clariſſa iſt, nicht dadurch belohnet werde, daß ihr ein ſolcher Mann, als Lovelace, nicht zu Theil wird. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0785" n="779"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ſtraft: ausgenommen, wenn wir auf die Beloh-<lb/> nungen <hi rendition="#fr">nach dieſem Leben</hi> ſehen, welcher ſie<lb/> nach der Tugendlehre verſichert ſeyn muß; oder<lb/> wer kann es jemals ſeyn? Bey dem allen weiß<lb/> ich gleichwohl nicht, ſo ein ſchrecklicher Kerl biſt<lb/> du, und ſo ein ſchaͤndlicher Ehemann haͤtteſt du<lb/> werden moͤgen, ob ihre Tugend nicht dadurch<lb/> belohnet wird, daß ſie deiner los wird. Denn<lb/> eben die Dinge, welche der menſchlichen Natur<lb/> am ſchmerzlichſten ſind, wenn ſie ſich zutragen,<lb/> ſind oft, wie dieſe reizende Fraͤulein einmal be-<lb/> merkte, in dem Ausgange die gluͤcklichſten fuͤr uns.</p><lb/> <p>Jch habe vielfaͤltig bey meiner Aufwartung,<lb/> die ich dieſer Fraͤulein mache, gedacht, daß, wenn<lb/> Beltons bewunderter Schriftſteller, Nicol. Rowe,<lb/> eine Perſon von ſolcher Gemuͤthsart vor ſich ge-<lb/> habt haͤtte, er ein anderes Bild von einer Buß-<lb/> fertigen, als er <hi rendition="#fr">wirklich</hi> gethan hat, entworfen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_5_2" prev="#seg2pn_5_1" place="foot" n="(*)">dig; Athenias in dem Theodoſius; Cordelia in<lb/> Shakeſpeares Koͤnig Lear; Desdemona in Othel-<lb/> lo; Hamlet und andere, daß ich nicht mehrere<lb/> nenne, ſind Beweiſe, daß ein Trauerſpiel ſchwer-<lb/> lich mit Recht dieſen Namen verdienen koͤnnte,<lb/> wenn die Tugend nicht eine Zeitlang litte und das<lb/> Laſter auf eine Weile ſiegte. Allein er beſinnet ſich<lb/> in eben dem Abſatz, und fuͤhret uns auf die <hi rendition="#fr">Zu-<lb/> kunft,</hi> daß wir daſelbſt die Belohnung der Tugend<lb/> und die Strafe des Laſters ſuchen muͤſſen. Er<lb/> macht keine uͤble Anmerkung, wenn er ſagt: Er<lb/> wiſſe nicht, ob die Tugend eines ſolchen Frauen-<lb/> zimmers, als Clariſſa iſt, nicht dadurch belohnet<lb/> werde, daß ihr ein ſolcher Mann, als Lovelace,<lb/> nicht zu Theil wird.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [779/0785]
ſtraft: ausgenommen, wenn wir auf die Beloh-
nungen nach dieſem Leben ſehen, welcher ſie
nach der Tugendlehre verſichert ſeyn muß; oder
wer kann es jemals ſeyn? Bey dem allen weiß
ich gleichwohl nicht, ſo ein ſchrecklicher Kerl biſt
du, und ſo ein ſchaͤndlicher Ehemann haͤtteſt du
werden moͤgen, ob ihre Tugend nicht dadurch
belohnet wird, daß ſie deiner los wird. Denn
eben die Dinge, welche der menſchlichen Natur
am ſchmerzlichſten ſind, wenn ſie ſich zutragen,
ſind oft, wie dieſe reizende Fraͤulein einmal be-
merkte, in dem Ausgange die gluͤcklichſten fuͤr uns.
Jch habe vielfaͤltig bey meiner Aufwartung,
die ich dieſer Fraͤulein mache, gedacht, daß, wenn
Beltons bewunderter Schriftſteller, Nicol. Rowe,
eine Perſon von ſolcher Gemuͤthsart vor ſich ge-
habt haͤtte, er ein anderes Bild von einer Buß-
fertigen, als er wirklich gethan hat, entworfen
oder
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(*) dig; Athenias in dem Theodoſius; Cordelia in
Shakeſpeares Koͤnig Lear; Desdemona in Othel-
lo; Hamlet und andere, daß ich nicht mehrere
nenne, ſind Beweiſe, daß ein Trauerſpiel ſchwer-
lich mit Recht dieſen Namen verdienen koͤnnte,
wenn die Tugend nicht eine Zeitlang litte und das
Laſter auf eine Weile ſiegte. Allein er beſinnet ſich
in eben dem Abſatz, und fuͤhret uns auf die Zu-
kunft, daß wir daſelbſt die Belohnung der Tugend
und die Strafe des Laſters ſuchen muͤſſen. Er
macht keine uͤble Anmerkung, wenn er ſagt: Er
wiſſe nicht, ob die Tugend eines ſolchen Frauen-
zimmers, als Clariſſa iſt, nicht dadurch belohnet
werde, daß ihr ein ſolcher Mann, als Lovelace,
nicht zu Theil wird.
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