Hiezu kam die empfindliche Ueberzeugung bey mir, daß die Leute in dem Hause nothwendig eine schreckliche Vorstellung von mir, als von einem wilden Manne, einem blutdürstigen, verhärteten Kerl, einem vollkommenen Weiberfresser, haben mußten, und mich sonder Zweifel mit den Klau- en eines Löwen, und den Zähnen eines Tigers, zu sehen vermutheten. Es war also der Klug- heit gemäß, ihnen zu zeigen, was für ein un- schädlicher, lustiger Kerl ich wäre, damit ich mir die Johannen und Josephen zu Vertrauten machte. Denn ich sahe augenscheinlich, weil die gute Frau dieselben herunter rief, daß sie mich für einen gefährlichen Mann hielte. Nun aber, da Johann und ich uns mit einander ge- messen haben; da Frau Smithinn gesehen hat, daß ich das Gesicht, die Hände und das Ansehen von einem Menschen habe, und aufgerichtet gehe, und schwatze, und lache, und scherze, wie andere Leute; und Joseph, daß ich von Zähnausreißen schwatzen kann, ohne ihm das geringste Leid zu thun: so werden sie alle bey meinem nächsten Besuch weit geruhiger und vergnügter mit mir seyn, als Andreas mit seinen Handschuhen war; und wir werden einander allezeit willkommen und eben so gut bekannt seyn, als wenn wir uns ein ganzes Jahr gekannt hätten.
Als ich wieder in unserer Mutter Haus kam: verfluchte ich sie, und alle ihre Nymphen mit einander, aufs neue, und wollte noch durchaus weder Sarah, noch Marichen, sehen. Jch
tobte
Hiezu kam die empfindliche Ueberzeugung bey mir, daß die Leute in dem Hauſe nothwendig eine ſchreckliche Vorſtellung von mir, als von einem wilden Manne, einem blutduͤrſtigen, verhaͤrteten Kerl, einem vollkommenen Weiberfreſſer, haben mußten, und mich ſonder Zweifel mit den Klau- en eines Loͤwen, und den Zaͤhnen eines Tigers, zu ſehen vermutheten. Es war alſo der Klug- heit gemaͤß, ihnen zu zeigen, was fuͤr ein un- ſchaͤdlicher, luſtiger Kerl ich waͤre, damit ich mir die Johannen und Joſephen zu Vertrauten machte. Denn ich ſahe augenſcheinlich, weil die gute Frau dieſelben herunter rief, daß ſie mich fuͤr einen gefaͤhrlichen Mann hielte. Nun aber, da Johann und ich uns mit einander ge- meſſen haben; da Frau Smithinn geſehen hat, daß ich das Geſicht, die Haͤnde und das Anſehen von einem Menſchen habe, und aufgerichtet gehe, und ſchwatze, und lache, und ſcherze, wie andere Leute; und Joſeph, daß ich von Zaͤhnausreißen ſchwatzen kann, ohne ihm das geringſte Leid zu thun: ſo werden ſie alle bey meinem naͤchſten Beſuch weit geruhiger und vergnuͤgter mit mir ſeyn, als Andreas mit ſeinen Handſchuhen war; und wir werden einander allezeit willkommen und eben ſo gut bekannt ſeyn, als wenn wir uns ein ganzes Jahr gekannt haͤtten.
Als ich wieder in unſerer Mutter Haus kam: verfluchte ich ſie, und alle ihre Nymphen mit einander, aufs neue, und wollte noch durchaus weder Sarah, noch Marichen, ſehen. Jch
tobte
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Hiezu kam die empfindliche Ueberzeugung bey
mir, daß die Leute in dem Hauſe nothwendig eine
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wilden Manne, einem blutduͤrſtigen, verhaͤrteten
Kerl, einem vollkommenen Weiberfreſſer, haben
mußten, und mich ſonder Zweifel mit den Klau-
en eines Loͤwen, und den Zaͤhnen eines Tigers,
zu ſehen vermutheten. Es war alſo der Klug-
heit gemaͤß, ihnen zu zeigen, was fuͤr ein un-
ſchaͤdlicher, luſtiger Kerl ich waͤre, damit ich
mir die Johannen und Joſephen zu Vertrauten
machte. Denn ich ſahe augenſcheinlich, weil
die gute Frau dieſelben herunter rief, daß ſie
mich fuͤr einen gefaͤhrlichen Mann hielte. Nun
aber, da Johann und ich uns mit einander ge-
meſſen haben; da Frau Smithinn geſehen hat,
daß ich das Geſicht, die Haͤnde und das Anſehen
von einem Menſchen habe, und aufgerichtet gehe,
und ſchwatze, und lache, und ſcherze, wie andere
Leute; und Joſeph, daß ich von Zaͤhnausreißen
ſchwatzen kann, ohne ihm das geringſte Leid zu
thun: ſo werden ſie alle bey meinem naͤchſten
Beſuch weit geruhiger und vergnuͤgter mit mir
ſeyn, als Andreas mit ſeinen Handſchuhen war;
und wir werden einander allezeit willkommen
und eben ſo gut bekannt ſeyn, als wenn wir uns
ein ganzes Jahr gekannt haͤtten.
Als ich wieder in unſerer Mutter Haus kam:
verfluchte ich ſie, und alle ihre Nymphen mit
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 816. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/822>, abgerufen am 24.11.2024.
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