Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



vorgenommen, gesetzet hatte. Auf die Art hat
sie unsern vorigen Briefwechsel erfahren und ihn
entschuldiget.

Sie hat in Wahrheit schon vorher Argwohn gehabt;
und auch wohl haben mögen: da sie mich kannte
und meine Liebe zu Jhnen wußte.

Sie nimmt an Jhrem Unglück so viel Antheil, daß,
weil sie denkt, es werde Jhnen ein Trost, und mir eine
Gefälligkeit seyn, sie ihre Einwilligung dazu giebt,
daß Sie mir die Umstände von Jhrer traurigen
Geschichte weitläuftig
schreiben mögen: jedoch
unter der Bedingung, daß ich ihr alles zeige, was
zwischen uns, in Absicht auf Sie selbst und auf
den schändlichsten Kerl, vorgefallen ist. Jch
habe mich ihr hierinn um so viel williger gefällig
erkläret: weil die Mittheilung dieser Nachrichten
Jhnen nicht zum Nachtheil gerathen kann.

Sie mögen also frey schreiben, und die Briefe an
unser eignes Haus richten.

Meine Mutter verspricht, mir die Abschrift von ih-
rem eigenen Briefe an Sie und auch Jhre Ant-
wort darauf zu zeigen. Von der letzten hat sie
mir eben erst gesaget. Sie suchet schon itzo die
Härte ihres Briefes zu entschuldigen: und meynt,
ich würde zu sehr gerühret werden, wenn ich ihn
sehen sollte. Aber da ich einmal ihr Wort habe,
will ich mich nicht damit abweisen lassen.

Jch vermuthe, ihre Zuschrift wird hart genug gewe-
sen seyn. Das besorge ich, werden Sie auch von
der meinigen denken. Allein Sie haben mich
selbst gelehret, daß man des Fehlers niemals um
des Freundes willen schonen solle, und daß viel-
mehr ein großes Versehen an der Person, die wir
hochachten, weniger zu entschuldigen sey, als an
einer andern, die uns gleichgültig ist: weil es ei-
nen Vorwurf gegen unsere Wahl, von dieser Per-
son ausmachet, und die Gemüthsliebe zu zerstören

und
F 3



vorgenommen, geſetzet hatte. Auf die Art hat
ſie unſern vorigen Briefwechſel erfahren und ihn
entſchuldiget.

Sie hat in Wahrheit ſchon vorher Argwohn gehabt;
und auch wohl haben moͤgen: da ſie mich kannte
und meine Liebe zu Jhnen wußte.

Sie nimmt an Jhrem Ungluͤck ſo viel Antheil, daß,
weil ſie denkt, es werde Jhnen ein Troſt, und mir eine
Gefaͤlligkeit ſeyn, ſie ihre Einwilligung dazu giebt,
daß Sie mir die Umſtaͤnde von Jhrer traurigen
Geſchichte weitlaͤuftig
ſchreiben moͤgen: jedoch
unter der Bedingung, daß ich ihr alles zeige, was
zwiſchen uns, in Abſicht auf Sie ſelbſt und auf
den ſchaͤndlichſten Kerl, vorgefallen iſt. Jch
habe mich ihr hierinn um ſo viel williger gefaͤllig
erklaͤret: weil die Mittheilung dieſer Nachrichten
Jhnen nicht zum Nachtheil gerathen kann.

Sie moͤgen alſo frey ſchreiben, und die Briefe an
unſer eignes Haus richten.

Meine Mutter verſpricht, mir die Abſchrift von ih-
rem eigenen Briefe an Sie und auch Jhre Ant-
wort darauf zu zeigen. Von der letzten hat ſie
mir eben erſt geſaget. Sie ſuchet ſchon itzo die
Haͤrte ihres Briefes zu entſchuldigen: und meynt,
ich wuͤrde zu ſehr geruͤhret werden, wenn ich ihn
ſehen ſollte. Aber da ich einmal ihr Wort habe,
will ich mich nicht damit abweiſen laſſen.

Jch vermuthe, ihre Zuſchrift wird hart genug gewe-
ſen ſeyn. Das beſorge ich, werden Sie auch von
der meinigen denken. Allein Sie haben mich
ſelbſt gelehret, daß man des Fehlers niemals um
des Freundes willen ſchonen ſolle, und daß viel-
mehr ein großes Verſehen an der Perſon, die wir
hochachten, weniger zu entſchuldigen ſey, als an
einer andern, die uns gleichguͤltig iſt: weil es ei-
nen Vorwurf gegen unſere Wahl, von dieſer Per-
ſon ausmachet, und die Gemuͤthsliebe zu zerſtoͤren

und
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <postscript>
            <p><pb facs="#f0091" n="85"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
vorgenommen, ge&#x017F;etzet hatte. Auf die Art hat<lb/>
&#x017F;ie un&#x017F;ern vorigen Briefwech&#x017F;el erfahren und ihn<lb/>
ent&#x017F;chuldiget.</p><lb/>
            <p>Sie hat in Wahrheit &#x017F;chon vorher Argwohn gehabt;<lb/>
und auch wohl haben mo&#x0364;gen: da &#x017F;ie <hi rendition="#fr">mich</hi> kannte<lb/>
und meine Liebe zu <hi rendition="#fr">Jhnen</hi> wußte.</p><lb/>
            <p>Sie nimmt an Jhrem Unglu&#x0364;ck &#x017F;o viel Antheil, daß,<lb/>
weil &#x017F;ie denkt, es werde <hi rendition="#fr">Jhnen</hi> ein Tro&#x017F;t, und <hi rendition="#fr">mir</hi> eine<lb/>
Gefa&#x0364;lligkeit &#x017F;eyn, &#x017F;ie ihre Einwilligung dazu giebt,<lb/>
daß Sie mir <hi rendition="#fr">die Um&#x017F;ta&#x0364;nde von Jhrer traurigen<lb/>
Ge&#x017F;chichte weitla&#x0364;uftig</hi> &#x017F;chreiben mo&#x0364;gen: jedoch<lb/>
unter der Bedingung, daß ich ihr alles zeige, was<lb/>
zwi&#x017F;chen uns, in Ab&#x017F;icht auf Sie &#x017F;elb&#x017F;t und auf<lb/>
den &#x017F;cha&#x0364;ndlich&#x017F;ten Kerl, vorgefallen i&#x017F;t. Jch<lb/>
habe mich ihr hierinn um &#x017F;o viel williger gefa&#x0364;llig<lb/>
erkla&#x0364;ret: weil die Mittheilung die&#x017F;er Nachrichten<lb/>
Jhnen nicht zum Nachtheil gerathen kann.</p><lb/>
            <p>Sie mo&#x0364;gen al&#x017F;o frey &#x017F;chreiben, und die Briefe an<lb/>
un&#x017F;er eignes Haus richten.</p><lb/>
            <p>Meine Mutter ver&#x017F;pricht, mir die Ab&#x017F;chrift von ih-<lb/>
rem eigenen Briefe an Sie und auch Jhre Ant-<lb/>
wort darauf zu zeigen. Von der letzten hat &#x017F;ie<lb/>
mir eben er&#x017F;t ge&#x017F;aget. Sie &#x017F;uchet &#x017F;chon itzo die<lb/>
Ha&#x0364;rte ihres Briefes zu ent&#x017F;chuldigen: und meynt,<lb/>
ich wu&#x0364;rde zu &#x017F;ehr geru&#x0364;hret werden, wenn ich ihn<lb/>
&#x017F;ehen &#x017F;ollte. Aber da ich einmal ihr Wort habe,<lb/>
will ich mich nicht damit abwei&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Jch vermuthe, ihre Zu&#x017F;chrift wird hart genug gewe-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;eyn. Das be&#x017F;orge ich, werden Sie auch von<lb/>
der meinigen denken. Allein Sie haben mich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t gelehret, daß man des <hi rendition="#fr">Fehlers</hi> niemals um<lb/>
des <hi rendition="#fr">Freundes</hi> willen &#x017F;chonen &#x017F;olle, und daß viel-<lb/>
mehr ein großes Ver&#x017F;ehen an der Per&#x017F;on, die wir<lb/>
hochachten, weniger zu ent&#x017F;chuldigen &#x017F;ey, als an<lb/>
einer andern, die uns gleichgu&#x0364;ltig i&#x017F;t: weil es ei-<lb/>
nen Vorwurf gegen un&#x017F;ere Wahl, von die&#x017F;er Per-<lb/>
&#x017F;on ausmachet, und die Gemu&#x0364;thsliebe zu zer&#x017F;to&#x0364;ren<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 3</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
          </postscript>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0091] vorgenommen, geſetzet hatte. Auf die Art hat ſie unſern vorigen Briefwechſel erfahren und ihn entſchuldiget. Sie hat in Wahrheit ſchon vorher Argwohn gehabt; und auch wohl haben moͤgen: da ſie mich kannte und meine Liebe zu Jhnen wußte. Sie nimmt an Jhrem Ungluͤck ſo viel Antheil, daß, weil ſie denkt, es werde Jhnen ein Troſt, und mir eine Gefaͤlligkeit ſeyn, ſie ihre Einwilligung dazu giebt, daß Sie mir die Umſtaͤnde von Jhrer traurigen Geſchichte weitlaͤuftig ſchreiben moͤgen: jedoch unter der Bedingung, daß ich ihr alles zeige, was zwiſchen uns, in Abſicht auf Sie ſelbſt und auf den ſchaͤndlichſten Kerl, vorgefallen iſt. Jch habe mich ihr hierinn um ſo viel williger gefaͤllig erklaͤret: weil die Mittheilung dieſer Nachrichten Jhnen nicht zum Nachtheil gerathen kann. Sie moͤgen alſo frey ſchreiben, und die Briefe an unſer eignes Haus richten. Meine Mutter verſpricht, mir die Abſchrift von ih- rem eigenen Briefe an Sie und auch Jhre Ant- wort darauf zu zeigen. Von der letzten hat ſie mir eben erſt geſaget. Sie ſuchet ſchon itzo die Haͤrte ihres Briefes zu entſchuldigen: und meynt, ich wuͤrde zu ſehr geruͤhret werden, wenn ich ihn ſehen ſollte. Aber da ich einmal ihr Wort habe, will ich mich nicht damit abweiſen laſſen. Jch vermuthe, ihre Zuſchrift wird hart genug gewe- ſen ſeyn. Das beſorge ich, werden Sie auch von der meinigen denken. Allein Sie haben mich ſelbſt gelehret, daß man des Fehlers niemals um des Freundes willen ſchonen ſolle, und daß viel- mehr ein großes Verſehen an der Perſon, die wir hochachten, weniger zu entſchuldigen ſey, als an einer andern, die uns gleichguͤltig iſt: weil es ei- nen Vorwurf gegen unſere Wahl, von dieſer Per- ſon ausmachet, und die Gemuͤthsliebe zu zerſtoͤren und F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/91
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/91>, abgerufen am 21.11.2024.