dem Richterstuhl gegen einander zu stellen. Wür- den denn nicht in dem Fall, auf seine Lossprechung oder Begnadigung, die Erbitterungen an beyden Seiten höher getrieben seyn? Und würde als- denn mein Bruder, oder mein Vetter Morden mehr in Sicherheit gewesen seyn, als itzo?
Wie viel schwerer machen diese Betrachtun- gen meinen Fehler? Meine Bewegungsgründe waren freylich anfangs nicht zu tadeln: allein ich hatte die vortreffliche Lehre vergessen, die mir doch nicht unbekannt war, daß wir nichts Böses thun sollen, damit etwas Gutes daraus ent- springen möge.
Jn vollkommener Ueberzeugung von der Lau- terkeit meines Herzens und von der Beständig- keit in meinen guten Grundsätzen - - Warum soll ich nicht, da ich so aufgefordert werde, dasje- nige sagen, dessen ich mir bewußt bin, jedoch ohne Stolz? denn es ist alles nur eine Pflicht und ich würde gänzlich ohne Entschuldigung seyn, wenn ich das, was ich sage, nicht mit Recht sa- gen könnte; - - Jn dieser vollkommenen Ueber- zeugung hat er mir die Ehe angeboten. Er hat seine Reue bekannt: eine aufrichtige Reue, wie ich Ursache habe zu glauben, ob gleich vielleicht keine christliche Reue. Seine edle Verwand- ten, welche gegen die arme und bedrängte Person gütiger sind, als ihre eigne Angehörigen, haben sich auch aus eben dieser Ueberzeugung, und auf seine eigne nicht unedelmüthige Bekenntnisse, mit ihm vereinigt, Fürbitte bey mir zu thun, daß ich
ihm
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dem Richterſtuhl gegen einander zu ſtellen. Wuͤr- den denn nicht in dem Fall, auf ſeine Losſprechung oder Begnadigung, die Erbitterungen an beyden Seiten hoͤher getrieben ſeyn? Und wuͤrde als- denn mein Bruder, oder mein Vetter Morden mehr in Sicherheit geweſen ſeyn, als itzo?
Wie viel ſchwerer machen dieſe Betrachtun- gen meinen Fehler? Meine Bewegungsgruͤnde waren freylich anfangs nicht zu tadeln: allein ich hatte die vortreffliche Lehre vergeſſen, die mir doch nicht unbekannt war, daß wir nichts Boͤſes thun ſollen, damit etwas Gutes daraus ent- ſpringen moͤge.
Jn vollkommener Ueberzeugung von der Lau- terkeit meines Herzens und von der Beſtaͤndig- keit in meinen guten Grundſaͤtzen ‒ ‒ Warum ſoll ich nicht, da ich ſo aufgefordert werde, dasje- nige ſagen, deſſen ich mir bewußt bin, jedoch ohne Stolz? denn es iſt alles nur eine Pflicht und ich wuͤrde gaͤnzlich ohne Entſchuldigung ſeyn, wenn ich das, was ich ſage, nicht mit Recht ſa- gen koͤnnte; ‒ ‒ Jn dieſer vollkommenen Ueber- zeugung hat er mir die Ehe angeboten. Er hat ſeine Reue bekannt: eine aufrichtige Reue, wie ich Urſache habe zu glauben, ob gleich vielleicht keine chriſtliche Reue. Seine edle Verwand- ten, welche gegen die arme und bedraͤngte Perſon guͤtiger ſind, als ihre eigne Angehoͤrigen, haben ſich auch aus eben dieſer Ueberzeugung, und auf ſeine eigne nicht unedelmuͤthige Bekenntniſſe, mit ihm vereinigt, Fuͤrbitte bey mir zu thun, daß ich
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dem Richterſtuhl gegen einander zu ſtellen. Wuͤr-
den denn nicht in dem Fall, auf ſeine Losſprechung
oder Begnadigung, die Erbitterungen an beyden
Seiten hoͤher getrieben ſeyn? Und wuͤrde als-
denn mein Bruder, oder mein Vetter Morden
mehr in Sicherheit geweſen ſeyn, als itzo?
Wie viel ſchwerer machen dieſe Betrachtun-
gen meinen Fehler? Meine Bewegungsgruͤnde
waren freylich anfangs nicht zu tadeln: allein ich
hatte die vortreffliche Lehre vergeſſen, die mir doch
nicht unbekannt war, daß wir nichts Boͤſes
thun ſollen, damit etwas Gutes daraus ent-
ſpringen moͤge.
Jn vollkommener Ueberzeugung von der Lau-
terkeit meines Herzens und von der Beſtaͤndig-
keit in meinen guten Grundſaͤtzen ‒ ‒ Warum
ſoll ich nicht, da ich ſo aufgefordert werde, dasje-
nige ſagen, deſſen ich mir bewußt bin, jedoch ohne
Stolz? denn es iſt alles nur eine Pflicht und
ich wuͤrde gaͤnzlich ohne Entſchuldigung ſeyn,
wenn ich das, was ich ſage, nicht mit Recht ſa-
gen koͤnnte; ‒ ‒ Jn dieſer vollkommenen Ueber-
zeugung hat er mir die Ehe angeboten. Er hat
ſeine Reue bekannt: eine aufrichtige Reue, wie
ich Urſache habe zu glauben, ob gleich vielleicht
keine chriſtliche Reue. Seine edle Verwand-
ten, welche gegen die arme und bedraͤngte Perſon
guͤtiger ſind, als ihre eigne Angehoͤrigen, haben
ſich auch aus eben dieſer Ueberzeugung, und auf
ſeine eigne nicht unedelmuͤthige Bekenntniſſe, mit
ihm vereinigt, Fuͤrbitte bey mir zu thun, daß ich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/109>, abgerufen am 25.11.2024.
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