liebe Fräulein Clärchen, man gehet sehr hart mit Jhnen um: in Wahrheit, sehr hart! Sollten Sie von uns genommen werden: was für Kum- mer und was für Strafe häufet man nicht gegen sich selbst in den schweren Betrachtungen, die man sich durch seine harte Urtheile und Unversöhnlich- keit gegen Sie verursachen wird!
Allein ich finde, was so wohl an dem grausa- men Brief von Jhrem Onkel Anton, als an ei- nem andern schuld ist, der Sie noch mehr krän- ken wird, wenn er Jhnen zu Händen kommt; Gott helfe Jhnen, mein armes und liebes Kind! Er ist von Jhrer Schwester geschrieben und ent- hält Vorschläge, die Jhnen geschehen.
Jch weiß, daß er gestern fertig gewesen ist, um an Sie abgeschickt zu werden, und gebe Jh- nen deswegen Nachricht davon, damit Sie sich mit einem gesetzten Gemüth gegen den Jnhalt desselben rüsten mögen.
Die Bewegungsgründe, welche sie alle zu dieser Härte geneigt machen; würden alle Härte rechtfertigen, die sie nur zeigen könnten: wenn sie wohl gegründet wären. Da nun Jhre Angehö- rigen sie für gegründet halten: so sind beydes die- se und Sie gleich sehr zu bedauren.
Sie schreiben sich von dem Bericht des all- zudienstfertigen Herrn Brands her, welcher Jh- ren Verwandten von einer oder der andern feind- seligen Person in Jhrer Nachbarschaft die Nach- richt gebracht hat, daß Sie von einem Herrn von einer freyen Lebensart und einem vertrauten
Freun-
H 3
liebe Fraͤulein Claͤrchen, man gehet ſehr hart mit Jhnen um: in Wahrheit, ſehr hart! Sollten Sie von uns genommen werden: was fuͤr Kum- mer und was fuͤr Strafe haͤufet man nicht gegen ſich ſelbſt in den ſchweren Betrachtungen, die man ſich durch ſeine harte Urtheile und Unverſoͤhnlich- keit gegen Sie verurſachen wird!
Allein ich finde, was ſo wohl an dem grauſa- men Brief von Jhrem Onkel Anton, als an ei- nem andern ſchuld iſt, der Sie noch mehr kraͤn- ken wird, wenn er Jhnen zu Haͤnden kommt; Gott helfe Jhnen, mein armes und liebes Kind! Er iſt von Jhrer Schweſter geſchrieben und ent- haͤlt Vorſchlaͤge, die Jhnen geſchehen.
Jch weiß, daß er geſtern fertig geweſen iſt, um an Sie abgeſchickt zu werden, und gebe Jh- nen deswegen Nachricht davon, damit Sie ſich mit einem geſetzten Gemuͤth gegen den Jnhalt deſſelben ruͤſten moͤgen.
Die Bewegungsgruͤnde, welche ſie alle zu dieſer Haͤrte geneigt machen; wuͤrden alle Haͤrte rechtfertigen, die ſie nur zeigen koͤnnten: wenn ſie wohl gegruͤndet waͤren. Da nun Jhre Angehoͤ- rigen ſie fuͤr gegruͤndet halten: ſo ſind beydes die- ſe und Sie gleich ſehr zu bedauren.
Sie ſchreiben ſich von dem Bericht des all- zudienſtfertigen Herrn Brands her, welcher Jh- ren Verwandten von einer oder der andern feind- ſeligen Perſon in Jhrer Nachbarſchaft die Nach- richt gebracht hat, daß Sie von einem Herrn von einer freyen Lebensart und einem vertrauten
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liebe Fraͤulein Claͤrchen, man gehet ſehr hart mit
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Sie von uns genommen werden: was fuͤr Kum-
mer und was fuͤr Strafe haͤufet man nicht gegen
ſich ſelbſt in den ſchweren Betrachtungen, die man
ſich durch ſeine harte Urtheile und Unverſoͤhnlich-
keit gegen Sie verurſachen wird!
Allein ich finde, was ſo wohl an dem grauſa-
men Brief von Jhrem Onkel Anton, als an ei-
nem andern ſchuld iſt, der Sie noch mehr kraͤn-
ken wird, wenn er Jhnen zu Haͤnden kommt;
Gott helfe Jhnen, mein armes und liebes Kind!
Er iſt von Jhrer Schweſter geſchrieben und ent-
haͤlt Vorſchlaͤge, die Jhnen geſchehen.
Jch weiß, daß er geſtern fertig geweſen iſt,
um an Sie abgeſchickt zu werden, und gebe Jh-
nen deswegen Nachricht davon, damit Sie ſich
mit einem geſetzten Gemuͤth gegen den Jnhalt
deſſelben ruͤſten moͤgen.
Die Bewegungsgruͤnde, welche ſie alle zu
dieſer Haͤrte geneigt machen; wuͤrden alle Haͤrte
rechtfertigen, die ſie nur zeigen koͤnnten: wenn ſie
wohl gegruͤndet waͤren. Da nun Jhre Angehoͤ-
rigen ſie fuͤr gegruͤndet halten: ſo ſind beydes die-
ſe und Sie gleich ſehr zu bedauren.
Sie ſchreiben ſich von dem Bericht des all-
zudienſtfertigen Herrn Brands her, welcher Jh-
ren Verwandten von einer oder der andern feind-
ſeligen Perſon in Jhrer Nachbarſchaft die Nach-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/123>, abgerufen am 26.11.2024.
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