Niemals, sagte sie, hat wohl ein Kranker ei- nen gütigern und holdseligern Arzt gehabt. - - Weil sie aber meine Frage nicht gern gerade her- aus beantworten wollen: so will ich sie in andere Worte einkleiden. Sie verordnen mir nicht, in die Luft zu gehen, Herr Doctor: thun sie es?
Jch thue es nicht, gnädige Fräulein. Jch besuche sie auch itzo nicht als ein Arzt, sondern als eine Person, deren Umgang ich bewundere und deren Leiden mir zu Herzen gehet. Und daß ich mich wegen der Veranlassung des heutigen Be- suchs insonderheit genauer erkläre, so muß ich Jh- nen sagen, gnädige Fräulein, daß, da ich verneh- me, wie viel sie durch das Misvergnügen ihrer Freunde leiden, und gar nicht zweifele, daß diese ihre Aufführung gegen sie ändern würden, wenn sie wüßten, in welchem Zustande sie wären, auch glaube, daß es sie herzlich kränken müsse, wenn sie zu spät alles erfahren werden, ich mich entschlossen habe, ihnen, ob ich für sie persönlich gleich ein Fremder bin, Nachricht zu geben, wie nöthig es für einige von ihnen sey, ungesäumt zu ihnen zu kommen. Um ihrer Angehörigen willen, gnä- dige Fräulein, erlauben sie mir, inständigst um ihre Genehmhaltung dieses Anschlags zu er- suchen.
Sie war ein wenig stille und endlich sagte sie: Dieß ist gütig, sehr gütig an ihnen, mein Herr. Allein ich hoffe, sie werden mich nicht für so ver- kehrt und so hartnäckicht halten, daß ich bis itzo irgend einige Mittel unversucht gelassen hätte,
welche
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Niemals, ſagte ſie, hat wohl ein Kranker ei- nen guͤtigern und holdſeligern Arzt gehabt. ‒ ‒ Weil ſie aber meine Frage nicht gern gerade her- aus beantworten wollen: ſo will ich ſie in andere Worte einkleiden. Sie verordnen mir nicht, in die Luft zu gehen, Herr Doctor: thun ſie es?
Jch thue es nicht, gnaͤdige Fraͤulein. Jch beſuche ſie auch itzo nicht als ein Arzt, ſondern als eine Perſon, deren Umgang ich bewundere und deren Leiden mir zu Herzen gehet. Und daß ich mich wegen der Veranlaſſung des heutigen Be- ſuchs inſonderheit genauer erklaͤre, ſo muß ich Jh- nen ſagen, gnaͤdige Fraͤulein, daß, da ich verneh- me, wie viel ſie durch das Misvergnuͤgen ihrer Freunde leiden, und gar nicht zweifele, daß dieſe ihre Auffuͤhrung gegen ſie aͤndern wuͤrden, wenn ſie wuͤßten, in welchem Zuſtande ſie waͤren, auch glaube, daß es ſie herzlich kraͤnken muͤſſe, wenn ſie zu ſpaͤt alles erfahren werden, ich mich entſchloſſen habe, ihnen, ob ich fuͤr ſie perſoͤnlich gleich ein Fremder bin, Nachricht zu geben, wie noͤthig es fuͤr einige von ihnen ſey, ungeſaͤumt zu ihnen zu kommen. Um ihrer Angehoͤrigen willen, gnaͤ- dige Fraͤulein, erlauben ſie mir, inſtaͤndigſt um ihre Genehmhaltung dieſes Anſchlags zu er- ſuchen.
Sie war ein wenig ſtille und endlich ſagte ſie: Dieß iſt guͤtig, ſehr guͤtig an ihnen, mein Herr. Allein ich hoffe, ſie werden mich nicht fuͤr ſo ver- kehrt und ſo hartnaͤckicht halten, daß ich bis itzo irgend einige Mittel unverſucht gelaſſen haͤtte,
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Niemals, ſagte ſie, hat wohl ein Kranker ei-
nen guͤtigern und holdſeligern Arzt gehabt. ‒ ‒
Weil ſie aber meine Frage nicht gern gerade her-
aus beantworten wollen: ſo will ich ſie in andere
Worte einkleiden. Sie verordnen mir nicht,
in die Luft zu gehen, Herr Doctor: thun ſie es?
Jch thue es nicht, gnaͤdige Fraͤulein. Jch
beſuche ſie auch itzo nicht als ein Arzt, ſondern als
eine Perſon, deren Umgang ich bewundere und
deren Leiden mir zu Herzen gehet. Und daß ich
mich wegen der Veranlaſſung des heutigen Be-
ſuchs inſonderheit genauer erklaͤre, ſo muß ich Jh-
nen ſagen, gnaͤdige Fraͤulein, daß, da ich verneh-
me, wie viel ſie durch das Misvergnuͤgen ihrer
Freunde leiden, und gar nicht zweifele, daß dieſe
ihre Auffuͤhrung gegen ſie aͤndern wuͤrden, wenn
ſie wuͤßten, in welchem Zuſtande ſie waͤren, auch
glaube, daß es ſie herzlich kraͤnken muͤſſe, wenn ſie
zu ſpaͤt alles erfahren werden, ich mich entſchloſſen
habe, ihnen, ob ich fuͤr ſie perſoͤnlich gleich ein
Fremder bin, Nachricht zu geben, wie noͤthig es
fuͤr einige von ihnen ſey, ungeſaͤumt zu ihnen zu
kommen. Um ihrer Angehoͤrigen willen, gnaͤ-
dige Fraͤulein, erlauben ſie mir, inſtaͤndigſt
um ihre Genehmhaltung dieſes Anſchlags zu er-
ſuchen.
Sie war ein wenig ſtille und endlich ſagte ſie:
Dieß iſt guͤtig, ſehr guͤtig an ihnen, mein Herr.
Allein ich hoffe, ſie werden mich nicht fuͤr ſo ver-
kehrt und ſo hartnaͤckicht halten, daß ich bis itzo
irgend einige Mittel unverſucht gelaſſen haͤtte,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/185>, abgerufen am 29.11.2024.
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