Versicherung, so frühe, als er gewünscht, hätte haben können.
Es giebt vermuthlich wenige Beyspiele von einer solchen Uneigennützigkeit in dieser Zunft. Bis itzo habe ich es allezeit für ein Evangelium gehalten, daß Freundschaft und ein Arzt Din- ge wären, die nicht bey einander stehen könnten. Jch habe mir gar nicht vorgestellet, daß ein Arzt, so bald er seinen Kranken aufgegeben, jemals an andere Besuche denken würde, als an diejenigen, welche der äußerliche Wohlstand erfordert, damit er wohl bey der Familie stehe, gegen die Zeit, da sie die Reihe treffen möchte, in seine Hände zu fallen.
Als der Arzt weggegangen war, fiel sie auf ein sehr ernsthaftes Gespräch von der Eitelkeit des Lebens, und der Klugheit, sich zum Tode zu berei- ten, wenn noch Gesundheit und Stärke übrig wä- ren, und ehe die Schwachheiten des Körpers die Kräfte des Gemüths schwächten und außer Stan- de setzten, mit nöthiger Stärke und Klarheit zu wirken. Alles war nach eines jeden, insonderheit aber, wie sich leicht merken ließ, nach deinen und meinen Umständen eingerichtet.
Sie war sehr begierig, noch mehr besondere Umstände von dem Bezeigen des armen Beltons in seinen letzten Stunden zu erfahren. Sie müs- sen sich nicht wundern, Herr Belford, daß ich die- se Nachfrage thue, sagte sie: denn wer ist wohl, der eine Reise in ein Land, wo er niemals gereiset, übernehmen, und sich nicht nach den Beschwer-
lich-
Verſicherung, ſo fruͤhe, als er gewuͤnſcht, haͤtte haben koͤnnen.
Es giebt vermuthlich wenige Beyſpiele von einer ſolchen Uneigennuͤtzigkeit in dieſer Zunft. Bis itzo habe ich es allezeit fuͤr ein Evangelium gehalten, daß Freundſchaft und ein Arzt Din- ge waͤren, die nicht bey einander ſtehen koͤnnten. Jch habe mir gar nicht vorgeſtellet, daß ein Arzt, ſo bald er ſeinen Kranken aufgegeben, jemals an andere Beſuche denken wuͤrde, als an diejenigen, welche der aͤußerliche Wohlſtand erfordert, damit er wohl bey der Familie ſtehe, gegen die Zeit, da ſie die Reihe treffen moͤchte, in ſeine Haͤnde zu fallen.
Als der Arzt weggegangen war, fiel ſie auf ein ſehr ernſthaftes Geſpraͤch von der Eitelkeit des Lebens, und der Klugheit, ſich zum Tode zu berei- ten, wenn noch Geſundheit und Staͤrke uͤbrig waͤ- ren, und ehe die Schwachheiten des Koͤrpers die Kraͤfte des Gemuͤths ſchwaͤchten und außer Stan- de ſetzten, mit noͤthiger Staͤrke und Klarheit zu wirken. Alles war nach eines jeden, inſonderheit aber, wie ſich leicht merken ließ, nach deinen und meinen Umſtaͤnden eingerichtet.
Sie war ſehr begierig, noch mehr beſondere Umſtaͤnde von dem Bezeigen des armen Beltons in ſeinen letzten Stunden zu erfahren. Sie muͤſ- ſen ſich nicht wundern, Herr Belford, daß ich die- ſe Nachfrage thue, ſagte ſie: denn wer iſt wohl, der eine Reiſe in ein Land, wo er niemals gereiſet, uͤbernehmen, und ſich nicht nach den Beſchwer-
lich-
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Verſicherung, ſo fruͤhe, als er gewuͤnſcht, haͤtte
haben koͤnnen.
Es giebt vermuthlich wenige Beyſpiele von
einer ſolchen Uneigennuͤtzigkeit in dieſer Zunft.
Bis itzo habe ich es allezeit fuͤr ein Evangelium
gehalten, daß Freundſchaft und ein Arzt Din-
ge waͤren, die nicht bey einander ſtehen koͤnnten.
Jch habe mir gar nicht vorgeſtellet, daß ein Arzt,
ſo bald er ſeinen Kranken aufgegeben, jemals an
andere Beſuche denken wuͤrde, als an diejenigen,
welche der aͤußerliche Wohlſtand erfordert, damit
er wohl bey der Familie ſtehe, gegen die Zeit, da
ſie die Reihe treffen moͤchte, in ſeine Haͤnde zu
fallen.
Als der Arzt weggegangen war, fiel ſie auf
ein ſehr ernſthaftes Geſpraͤch von der Eitelkeit des
Lebens, und der Klugheit, ſich zum Tode zu berei-
ten, wenn noch Geſundheit und Staͤrke uͤbrig waͤ-
ren, und ehe die Schwachheiten des Koͤrpers die
Kraͤfte des Gemuͤths ſchwaͤchten und außer Stan-
de ſetzten, mit noͤthiger Staͤrke und Klarheit zu
wirken. Alles war nach eines jeden, inſonderheit
aber, wie ſich leicht merken ließ, nach deinen und
meinen Umſtaͤnden eingerichtet.
Sie war ſehr begierig, noch mehr beſondere
Umſtaͤnde von dem Bezeigen des armen Beltons
in ſeinen letzten Stunden zu erfahren. Sie muͤſ-
ſen ſich nicht wundern, Herr Belford, daß ich die-
ſe Nachfrage thue, ſagte ſie: denn wer iſt wohl,
der eine Reiſe in ein Land, wo er niemals gereiſet,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/188>, abgerufen am 28.11.2024.
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