Wenn die Sonne untergehet, wird der Schat- ten schrecklich lang, Der sich um die Mittagsstunde in sehr kurze Grenzen zwang: So geschieht es, wenn der Wahn uns das Schicksal nahe zeiget, Daß die Furcht in unsrer Brust über alle Schranken steiget. Eulen, denkt man, Raben, Heimen, müssen To- desbothen seyn: Das verächtlichste Gewürme jaget Menschen Schrecken ein. Wiederschallendes Geräusch, dieser leere Rest von Worten, Wird ein redendes Gespenst, ruft uns zu des Grabes Pforten. Alle Maulwurfshügel schwellen zu den höch- sten Bergen auf; Lassen wir nur den Gedanken in uns ihren freyen Lauf: Da wir unterdessen doch bloß aus Wahnwitz schwärmend träumen, Und bey leerer Träume Last schnauben, keichen, schwitzen, schäumen.
Er vermuthete für diesen Fund gelobet zu werden. Aber Belton wandte seinen Kopf von ihm weg. Ach, Richard! sagte er, dieß sind kei- ne Betrachtungen für einen Sterbenden. Das, was du einmal fühlen wirst, wird dich überzeu-
gen,
Wenn die Sonne untergehet, wird der Schat- ten ſchrecklich lang, Der ſich um die Mittagsſtunde in ſehr kurze Grenzen zwang: So geſchieht es, wenn der Wahn uns das Schickſal nahe zeiget, Daß die Furcht in unſrer Bruſt uͤber alle Schranken ſteiget. Eulen, denkt man, Raben, Heimen, muͤſſen To- desbothen ſeyn: Das veraͤchtlichſte Gewuͤrme jaget Menſchen Schrecken ein. Wiederſchallendes Geraͤuſch, dieſer leere Reſt von Worten, Wird ein redendes Geſpenſt, ruft uns zu des Grabes Pforten. Alle Maulwurfshuͤgel ſchwellen zu den hoͤch- ſten Bergen auf; Laſſen wir nur den Gedanken in uns ihren freyen Lauf: Da wir unterdeſſen doch bloß aus Wahnwitz ſchwaͤrmend traͤumen, Und bey leerer Traͤume Laſt ſchnauben, keichen, ſchwitzen, ſchaͤumen.
Er vermuthete fuͤr dieſen Fund gelobet zu werden. Aber Belton wandte ſeinen Kopf von ihm weg. Ach, Richard! ſagte er, dieß ſind kei- ne Betrachtungen fuͤr einen Sterbenden. Das, was du einmal fuͤhlen wirſt, wird dich uͤberzeu-
gen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0024"n="18"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l>Wenn die Sonne untergehet, wird der Schat-</l><lb/><l><hirendition="#et">ten ſchrecklich lang,</hi></l><lb/><l>Der ſich um die Mittagsſtunde in ſehr kurze</l><lb/><l><hirendition="#et">Grenzen zwang:</hi></l><lb/><l>So geſchieht es, wenn der Wahn uns das</l><lb/><l><hirendition="#et">Schickſal nahe zeiget,</hi></l><lb/><l>Daß die Furcht in unſrer Bruſt uͤber alle</l><lb/><l><hirendition="#et">Schranken ſteiget.</hi></l><lb/><l>Eulen, denkt man, Raben, Heimen, muͤſſen To-</l><lb/><l><hirendition="#et">desbothen ſeyn:</hi></l><lb/><l>Das veraͤchtlichſte Gewuͤrme jaget Menſchen</l><lb/><l><hirendition="#et">Schrecken ein.</hi></l><lb/><l>Wiederſchallendes Geraͤuſch, dieſer leere Reſt</l><lb/><l><hirendition="#et">von Worten,</hi></l><lb/><l>Wird ein redendes Geſpenſt, ruft uns zu des</l><lb/><l><hirendition="#et">Grabes Pforten.</hi></l><lb/><l>Alle Maulwurfshuͤgel ſchwellen zu den hoͤch-</l><lb/><l><hirendition="#et">ſten Bergen auf;</hi></l><lb/><l>Laſſen wir nur den Gedanken in uns ihren</l><lb/><l><hirendition="#et">freyen Lauf:</hi></l><lb/><l>Da wir unterdeſſen doch bloß aus Wahnwitz</l><lb/><l><hirendition="#et">ſchwaͤrmend traͤumen,</hi></l><lb/><l>Und bey leerer Traͤume Laſt ſchnauben, keichen,</l><lb/><l><hirendition="#et">ſchwitzen, ſchaͤumen.</hi></l></lg><lb/><p>Er vermuthete fuͤr dieſen Fund gelobet zu<lb/>
werden. Aber Belton wandte ſeinen Kopf von<lb/>
ihm weg. Ach, Richard! ſagte er, dieß ſind kei-<lb/>
ne Betrachtungen fuͤr einen Sterbenden. Das,<lb/>
was du einmal fuͤhlen wirſt, wird dich uͤberzeu-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[18/0024]
Wenn die Sonne untergehet, wird der Schat-
ten ſchrecklich lang,
Der ſich um die Mittagsſtunde in ſehr kurze
Grenzen zwang:
So geſchieht es, wenn der Wahn uns das
Schickſal nahe zeiget,
Daß die Furcht in unſrer Bruſt uͤber alle
Schranken ſteiget.
Eulen, denkt man, Raben, Heimen, muͤſſen To-
desbothen ſeyn:
Das veraͤchtlichſte Gewuͤrme jaget Menſchen
Schrecken ein.
Wiederſchallendes Geraͤuſch, dieſer leere Reſt
von Worten,
Wird ein redendes Geſpenſt, ruft uns zu des
Grabes Pforten.
Alle Maulwurfshuͤgel ſchwellen zu den hoͤch-
ſten Bergen auf;
Laſſen wir nur den Gedanken in uns ihren
freyen Lauf:
Da wir unterdeſſen doch bloß aus Wahnwitz
ſchwaͤrmend traͤumen,
Und bey leerer Traͤume Laſt ſchnauben, keichen,
ſchwitzen, ſchaͤumen.
Er vermuthete fuͤr dieſen Fund gelobet zu
werden. Aber Belton wandte ſeinen Kopf von
ihm weg. Ach, Richard! ſagte er, dieß ſind kei-
ne Betrachtungen fuͤr einen Sterbenden. Das,
was du einmal fuͤhlen wirſt, wird dich uͤberzeu-
gen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/24>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.