Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



wissen, ob sie mit einem jungen Geistlichen vom
Lande, Namens Brand, Bekanntschaft hätte.
Sie gestand mit Stottern, weil sie sahe, daß ich
einigermaßen aufgebracht war, sie hätte einige
geringe Bekanntschaft mit dem Herrn. Eben den
Augenblick kam ihr Mann herein, der, wie es
scheint, ein kleiner Zollbedienter ist, und sich
nicht übel aufzuführen weis. Dieser gestand
eine größere Bekanntschaft mit ihm zu.

Jch habe die Abschrift von einem Briefe die-
ses Brands, fuhr ich fort, in welchem er sich ge-
gen meinen guten Namen und die Ehre des un-
tadelhaftesten Frauenzimmers in der Welt große
Freyheiten genommen hat, und diese auf Nach-
richten gründet, welche sie, Madame, ihm gege-
ben haben. Hierauf las ich ihnen verschiedne
Stellen aus seinem Briefe vor, und fragte, was
sie für Grund gehabt hätte, dem Menschen solche
Gedanken von uns beyden beyzubringen?

Sie wußten nicht, was sie antworten sollten.
Endlich aber sagten sie, er hätte ihnen erzählet, auf
was für eine gottlose Weise die Fräulein von ihrem
Eltern entlaufen; was diese für rechtschaffene
und reiche Leute wären; in was für Gunst er bey
ihnen stünde; und daß sie ihm aufgetragen hät-
ten, sich nach ihrer Auffürung, denen Personen,
welche bey ihr Besuche ablegten u. s. w. zu erkun-
digen.

Sie bekannten, sie wüßten in der That sehr
wenig von der Fräulein: aber es wäre nur allzu
natürlich zu gedenken; verflucht sey ihre Tadel-

sucht!



wiſſen, ob ſie mit einem jungen Geiſtlichen vom
Lande, Namens Brand, Bekanntſchaft haͤtte.
Sie geſtand mit Stottern, weil ſie ſahe, daß ich
einigermaßen aufgebracht war, ſie haͤtte einige
geringe Bekanntſchaft mit dem Herrn. Eben den
Augenblick kam ihr Mann herein, der, wie es
ſcheint, ein kleiner Zollbedienter iſt, und ſich
nicht uͤbel aufzufuͤhren weis. Dieſer geſtand
eine groͤßere Bekanntſchaft mit ihm zu.

Jch habe die Abſchrift von einem Briefe die-
ſes Brands, fuhr ich fort, in welchem er ſich ge-
gen meinen guten Namen und die Ehre des un-
tadelhafteſten Frauenzimmers in der Welt große
Freyheiten genommen hat, und dieſe auf Nach-
richten gruͤndet, welche ſie, Madame, ihm gege-
ben haben. Hierauf las ich ihnen verſchiedne
Stellen aus ſeinem Briefe vor, und fragte, was
ſie fuͤr Grund gehabt haͤtte, dem Menſchen ſolche
Gedanken von uns beyden beyzubringen?

Sie wußten nicht, was ſie antworten ſollten.
Endlich aber ſagten ſie, er haͤtte ihnen erzaͤhlet, auf
was fuͤr eine gottloſe Weiſe die Fraͤulein von ihrem
Eltern entlaufen; was dieſe fuͤr rechtſchaffene
und reiche Leute waͤren; in was fuͤr Gunſt er bey
ihnen ſtuͤnde; und daß ſie ihm aufgetragen haͤt-
ten, ſich nach ihrer Auffuͤrung, denen Perſonen,
welche bey ihr Beſuche ablegten u. ſ. w. zu erkun-
digen.

Sie bekannten, ſie wuͤßten in der That ſehr
wenig von der Fraͤulein: aber es waͤre nur allzu
natuͤrlich zu gedenken; verflucht ſey ihre Tadel-

ſucht!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0248" n="242"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, ob &#x017F;ie mit einem jungen Gei&#x017F;tlichen vom<lb/>
Lande, Namens Brand, Bekannt&#x017F;chaft ha&#x0364;tte.<lb/>
Sie ge&#x017F;tand mit Stottern, weil &#x017F;ie &#x017F;ahe, daß ich<lb/>
einigermaßen aufgebracht war, &#x017F;ie ha&#x0364;tte einige<lb/>
geringe Bekannt&#x017F;chaft mit dem Herrn. Eben den<lb/>
Augenblick kam ihr Mann herein, der, wie es<lb/>
&#x017F;cheint, ein kleiner Zollbedienter i&#x017F;t, und &#x017F;ich<lb/>
nicht u&#x0364;bel aufzufu&#x0364;hren weis. Die&#x017F;er ge&#x017F;tand<lb/>
eine gro&#x0364;ßere Bekannt&#x017F;chaft mit ihm zu.</p><lb/>
          <p>Jch habe die Ab&#x017F;chrift von einem Briefe die-<lb/>
&#x017F;es Brands, fuhr ich fort, in welchem er &#x017F;ich ge-<lb/>
gen meinen guten Namen und die Ehre des un-<lb/>
tadelhafte&#x017F;ten Frauenzimmers in der Welt große<lb/>
Freyheiten genommen hat, und die&#x017F;e auf Nach-<lb/>
richten gru&#x0364;ndet, welche &#x017F;ie, Madame, ihm gege-<lb/>
ben haben. Hierauf las ich ihnen ver&#x017F;chiedne<lb/>
Stellen aus &#x017F;einem Briefe vor, und fragte, was<lb/>
&#x017F;ie fu&#x0364;r Grund gehabt ha&#x0364;tte, dem Men&#x017F;chen &#x017F;olche<lb/>
Gedanken von uns beyden beyzubringen?</p><lb/>
          <p>Sie wußten nicht, was &#x017F;ie antworten &#x017F;ollten.<lb/>
Endlich aber &#x017F;agten &#x017F;ie, er ha&#x0364;tte ihnen erza&#x0364;hlet, auf<lb/>
was fu&#x0364;r eine gottlo&#x017F;e Wei&#x017F;e die Fra&#x0364;ulein von ihrem<lb/>
Eltern entlaufen; was die&#x017F;e fu&#x0364;r recht&#x017F;chaffene<lb/>
und reiche Leute wa&#x0364;ren; in was fu&#x0364;r Gun&#x017F;t <hi rendition="#fr">er</hi> bey<lb/>
ihnen &#x017F;tu&#x0364;nde; und daß &#x017F;ie ihm aufgetragen ha&#x0364;t-<lb/>
ten, &#x017F;ich nach ihrer Auffu&#x0364;rung, denen Per&#x017F;onen,<lb/>
welche bey ihr Be&#x017F;uche ablegten u. &#x017F;. w. zu erkun-<lb/>
digen.</p><lb/>
          <p>Sie bekannten, &#x017F;ie wu&#x0364;ßten in der That &#x017F;ehr<lb/>
wenig von der Fra&#x0364;ulein: aber es wa&#x0364;re nur allzu<lb/>
natu&#x0364;rlich zu gedenken; verflucht &#x017F;ey ihre Tadel-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ucht!</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0248] wiſſen, ob ſie mit einem jungen Geiſtlichen vom Lande, Namens Brand, Bekanntſchaft haͤtte. Sie geſtand mit Stottern, weil ſie ſahe, daß ich einigermaßen aufgebracht war, ſie haͤtte einige geringe Bekanntſchaft mit dem Herrn. Eben den Augenblick kam ihr Mann herein, der, wie es ſcheint, ein kleiner Zollbedienter iſt, und ſich nicht uͤbel aufzufuͤhren weis. Dieſer geſtand eine groͤßere Bekanntſchaft mit ihm zu. Jch habe die Abſchrift von einem Briefe die- ſes Brands, fuhr ich fort, in welchem er ſich ge- gen meinen guten Namen und die Ehre des un- tadelhafteſten Frauenzimmers in der Welt große Freyheiten genommen hat, und dieſe auf Nach- richten gruͤndet, welche ſie, Madame, ihm gege- ben haben. Hierauf las ich ihnen verſchiedne Stellen aus ſeinem Briefe vor, und fragte, was ſie fuͤr Grund gehabt haͤtte, dem Menſchen ſolche Gedanken von uns beyden beyzubringen? Sie wußten nicht, was ſie antworten ſollten. Endlich aber ſagten ſie, er haͤtte ihnen erzaͤhlet, auf was fuͤr eine gottloſe Weiſe die Fraͤulein von ihrem Eltern entlaufen; was dieſe fuͤr rechtſchaffene und reiche Leute waͤren; in was fuͤr Gunſt er bey ihnen ſtuͤnde; und daß ſie ihm aufgetragen haͤt- ten, ſich nach ihrer Auffuͤrung, denen Perſonen, welche bey ihr Beſuche ablegten u. ſ. w. zu erkun- digen. Sie bekannten, ſie wuͤßten in der That ſehr wenig von der Fraͤulein: aber es waͤre nur allzu natuͤrlich zu gedenken; verflucht ſey ihre Tadel- ſucht!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/248
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/248>, abgerufen am 22.11.2024.