sie wieder viele Furcht, daß ihr es euch noch im- mer in den Kopf kommen lassen möchtet, sie zu belästigen, da ihre Zeit, wie sie sagt, so kurz ist, daß sie einen jeden Augenblick davon gebrauchet. Sie wiederhohlte dabey, was sie schon vorher ein- mal gesagt: Sie hätte sich damals, als sie ge- schrieben, so schlecht befunden, daß sie geglaubt, sie würde nicht bis auf diese Zeit am Leben geblieben seyn: hätte sie gedacht, daß sie so lange leben soll- te; so hätte sie auf ein anderes Mittel denken müssen, welches ihre Absichten besser befördert ha- ben würde; womit sie auf eine Entfernung an ei- nen andern Ort, den wir beyde nicht gewußt hät- ten, zielte.
Sie war aber sehr vergnügt, daß die Unter- redung zwischen euch und dem Obristen Morden sich so freundschaftlich geendigt hatte, nachdem ihr zwey oder dreymal so heftig an einander gerathen waret, als ich ihr erzählte, und sagte, sie müßte sich gänzlich auf mein Wort verlassen, daß ich mein Aeußerstes anwenden wollte, ferneres Un- glück ihretwegen zu verhüten.
Es gefiel ihr wohl, daß ihr gegen ihren Vet- ter ihrer Gemüthsart Gerechtigkeit hattet wider- fahren lassen.
Sie freuete sich über die Nachricht, daß er ei- ne so gute Meynung von ihr hätte und an sie schreiben wollte.
Jch machte mir unnöthige Sorge, wie ich es ihr anbringen wollte, daß ich die Abschrift von dem schändlichen Briefe des Brands hätte. Un-
nöthige
Q 4
ſie wieder viele Furcht, daß ihr es euch noch im- mer in den Kopf kommen laſſen moͤchtet, ſie zu belaͤſtigen, da ihre Zeit, wie ſie ſagt, ſo kurz iſt, daß ſie einen jeden Augenblick davon gebrauchet. Sie wiederhohlte dabey, was ſie ſchon vorher ein- mal geſagt: Sie haͤtte ſich damals, als ſie ge- ſchrieben, ſo ſchlecht befunden, daß ſie geglaubt, ſie wuͤrde nicht bis auf dieſe Zeit am Leben geblieben ſeyn: haͤtte ſie gedacht, daß ſie ſo lange leben ſoll- te; ſo haͤtte ſie auf ein anderes Mittel denken muͤſſen, welches ihre Abſichten beſſer befoͤrdert ha- ben wuͤrde; womit ſie auf eine Entfernung an ei- nen andern Ort, den wir beyde nicht gewußt haͤt- ten, zielte.
Sie war aber ſehr vergnuͤgt, daß die Unter- redung zwiſchen euch und dem Obriſten Morden ſich ſo freundſchaftlich geendigt hatte, nachdem ihr zwey oder dreymal ſo heftig an einander gerathen waret, als ich ihr erzaͤhlte, und ſagte, ſie muͤßte ſich gaͤnzlich auf mein Wort verlaſſen, daß ich mein Aeußerſtes anwenden wollte, ferneres Un- gluͤck ihretwegen zu verhuͤten.
Es gefiel ihr wohl, daß ihr gegen ihren Vet- ter ihrer Gemuͤthsart Gerechtigkeit hattet wider- fahren laſſen.
Sie freuete ſich uͤber die Nachricht, daß er ei- ne ſo gute Meynung von ihr haͤtte und an ſie ſchreiben wollte.
Jch machte mir unnoͤthige Sorge, wie ich es ihr anbringen wollte, daß ich die Abſchrift von dem ſchaͤndlichen Briefe des Brands haͤtte. Un-
noͤthige
Q 4
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ſie wieder viele Furcht, daß ihr es euch noch im-
mer in den Kopf kommen laſſen moͤchtet, ſie zu
belaͤſtigen, da ihre Zeit, wie ſie ſagt, ſo kurz iſt,
daß ſie einen jeden Augenblick davon gebrauchet.
Sie wiederhohlte dabey, was ſie ſchon vorher ein-
mal geſagt: Sie haͤtte ſich damals, als ſie ge-
ſchrieben, ſo ſchlecht befunden, daß ſie geglaubt, ſie
wuͤrde nicht bis auf dieſe Zeit am Leben geblieben
ſeyn: haͤtte ſie gedacht, daß ſie ſo lange leben ſoll-
te; ſo haͤtte ſie auf ein anderes Mittel denken
muͤſſen, welches ihre Abſichten beſſer befoͤrdert ha-
ben wuͤrde; womit ſie auf eine Entfernung an ei-
nen andern Ort, den wir beyde nicht gewußt haͤt-
ten, zielte.
Sie war aber ſehr vergnuͤgt, daß die Unter-
redung zwiſchen euch und dem Obriſten Morden
ſich ſo freundſchaftlich geendigt hatte, nachdem ihr
zwey oder dreymal ſo heftig an einander gerathen
waret, als ich ihr erzaͤhlte, und ſagte, ſie muͤßte
ſich gaͤnzlich auf mein Wort verlaſſen, daß ich
mein Aeußerſtes anwenden wollte, ferneres Un-
gluͤck ihretwegen zu verhuͤten.
Es gefiel ihr wohl, daß ihr gegen ihren Vet-
ter ihrer Gemuͤthsart Gerechtigkeit hattet wider-
fahren laſſen.
Sie freuete ſich uͤber die Nachricht, daß er ei-
ne ſo gute Meynung von ihr haͤtte und an ſie
ſchreiben wollte.
Jch machte mir unnoͤthige Sorge, wie ich es
ihr anbringen wollte, daß ich die Abſchrift von
dem ſchaͤndlichen Briefe des Brands haͤtte. Un-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/253>, abgerufen am 22.11.2024.
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