Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



zog hieraus erschreckliche Folgen in Absicht auf
sein künftiges Schicksal. Es steckt ein so na-
türlicher
Abscheu vor dem Tode in der mensch-
lichen Natur, versetzte ich hierauf, daß ihr euch
nicht einbilden müsset, mein lieber Belton, als
wenn die Furcht vor demselben und die Sorgen,
welche bey seiner Näherung das Gemüth erfül-
len, an euch etwas besonderes wären. Jhr müs-
set billig, so viel als möglich ist, diese natürliche
Furcht, welche alle Menschen bey einem so wich-
tigen Vorfall haben müssen, von der besondern
Beysorge unterscheiden und absondern, welche da-
her in euch entstehet, weil ihr mit Recht befürch-
tet, nicht bereit und geschickt zu seyn. Der Lord
Roscommon schreibt in seinem Anblick des To-
des,
welche Schrift ich, unter einer Sammlung
von andern in eurem Closet, verwichene Nacht
ein wenig durchgeblättert und zu mir gesteckt ha-
be, auf folgende Art - - Jch suchte die Stelle
auf - -

Kein Weiser fürchtet sich, bloß weil er sterben
muß:
Denn dieser Bau von Staub und Erden
Muß wiederum zu Staube werden;
Dieß ist nach langer Zeit des siechen Lebens
Schluß.
Allein wohin wir weiter gehn,
Das möchten wir am liebsten wissen.
Doch weiß es niemand einzusehn.
Dieß machet, daß wir zittern müssen. - -
Der
B 3



zog hieraus erſchreckliche Folgen in Abſicht auf
ſein kuͤnftiges Schickſal. Es ſteckt ein ſo na-
tuͤrlicher
Abſcheu vor dem Tode in der menſch-
lichen Natur, verſetzte ich hierauf, daß ihr euch
nicht einbilden muͤſſet, mein lieber Belton, als
wenn die Furcht vor demſelben und die Sorgen,
welche bey ſeiner Naͤherung das Gemuͤth erfuͤl-
len, an euch etwas beſonderes waͤren. Jhr muͤſ-
ſet billig, ſo viel als moͤglich iſt, dieſe natuͤrliche
Furcht, welche alle Menſchen bey einem ſo wich-
tigen Vorfall haben muͤſſen, von der beſondern
Beyſorge unterſcheiden und abſondern, welche da-
her in euch entſtehet, weil ihr mit Recht befuͤrch-
tet, nicht bereit und geſchickt zu ſeyn. Der Lord
Roscommon ſchreibt in ſeinem Anblick des To-
des,
welche Schrift ich, unter einer Sammlung
von andern in eurem Cloſet, verwichene Nacht
ein wenig durchgeblaͤttert und zu mir geſteckt ha-
be, auf folgende Art ‒ ‒ Jch ſuchte die Stelle
auf ‒ ‒

Kein Weiſer fuͤrchtet ſich, bloß weil er ſterben
muß:
Denn dieſer Bau von Staub und Erden
Muß wiederum zu Staube werden;
Dieß iſt nach langer Zeit des ſiechen Lebens
Schluß.
Allein wohin wir weiter gehn,
Das moͤchten wir am liebſten wiſſen.
Doch weiß es niemand einzuſehn.
Dieß machet, daß wir zittern muͤſſen. ‒ ‒
Der
B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0027" n="21"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
zog hieraus er&#x017F;chreckliche Folgen in Ab&#x017F;icht auf<lb/>
&#x017F;ein ku&#x0364;nftiges Schick&#x017F;al. Es &#x017F;teckt ein &#x017F;o <hi rendition="#fr">na-<lb/>
tu&#x0364;rlicher</hi> Ab&#x017F;cheu vor dem Tode in der men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Natur, ver&#x017F;etzte ich hierauf, daß ihr euch<lb/>
nicht einbilden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, mein lieber Belton, als<lb/>
wenn die Furcht vor dem&#x017F;elben und die Sorgen,<lb/>
welche bey &#x017F;einer Na&#x0364;herung das Gemu&#x0364;th erfu&#x0364;l-<lb/>
len, an euch etwas be&#x017F;onderes wa&#x0364;ren. Jhr mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et billig, &#x017F;o viel als mo&#x0364;glich i&#x017F;t, die&#x017F;e <hi rendition="#fr">natu&#x0364;rliche</hi><lb/>
Furcht, welche alle Men&#x017F;chen bey einem &#x017F;o wich-<lb/>
tigen Vorfall haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, von der <hi rendition="#fr">be&#x017F;ondern</hi><lb/>
Bey&#x017F;orge unter&#x017F;cheiden und ab&#x017F;ondern, welche da-<lb/>
her in euch ent&#x017F;tehet, weil ihr mit Recht befu&#x0364;rch-<lb/>
tet, nicht bereit und ge&#x017F;chickt zu &#x017F;eyn. Der Lord<lb/>
Roscommon &#x017F;chreibt in &#x017F;einem <hi rendition="#fr">Anblick des To-<lb/>
des,</hi> welche Schrift ich, unter einer Sammlung<lb/>
von andern in eurem Clo&#x017F;et, verwichene Nacht<lb/>
ein wenig durchgebla&#x0364;ttert und zu mir ge&#x017F;teckt ha-<lb/>
be, auf folgende Art &#x2012; &#x2012; Jch &#x017F;uchte die Stelle<lb/>
auf &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Kein Wei&#x017F;er fu&#x0364;rchtet &#x017F;ich, bloß weil er &#x017F;terben</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">muß:</hi> </l><lb/>
            <l>Denn die&#x017F;er Bau von Staub und Erden</l><lb/>
            <l>Muß wiederum zu Staube werden;</l><lb/>
            <l>Dieß i&#x017F;t nach langer Zeit des &#x017F;iechen Lebens</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Schluß.</hi> </l><lb/>
            <l>Allein wohin wir weiter gehn,</l><lb/>
            <l>Das mo&#x0364;chten wir am lieb&#x017F;ten wi&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Doch weiß es niemand einzu&#x017F;ehn.</l><lb/>
            <l>Dieß machet, daß wir zittern mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. &#x2012; &#x2012;</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">B 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0027] zog hieraus erſchreckliche Folgen in Abſicht auf ſein kuͤnftiges Schickſal. Es ſteckt ein ſo na- tuͤrlicher Abſcheu vor dem Tode in der menſch- lichen Natur, verſetzte ich hierauf, daß ihr euch nicht einbilden muͤſſet, mein lieber Belton, als wenn die Furcht vor demſelben und die Sorgen, welche bey ſeiner Naͤherung das Gemuͤth erfuͤl- len, an euch etwas beſonderes waͤren. Jhr muͤſ- ſet billig, ſo viel als moͤglich iſt, dieſe natuͤrliche Furcht, welche alle Menſchen bey einem ſo wich- tigen Vorfall haben muͤſſen, von der beſondern Beyſorge unterſcheiden und abſondern, welche da- her in euch entſtehet, weil ihr mit Recht befuͤrch- tet, nicht bereit und geſchickt zu ſeyn. Der Lord Roscommon ſchreibt in ſeinem Anblick des To- des, welche Schrift ich, unter einer Sammlung von andern in eurem Cloſet, verwichene Nacht ein wenig durchgeblaͤttert und zu mir geſteckt ha- be, auf folgende Art ‒ ‒ Jch ſuchte die Stelle auf ‒ ‒ Kein Weiſer fuͤrchtet ſich, bloß weil er ſterben muß: Denn dieſer Bau von Staub und Erden Muß wiederum zu Staube werden; Dieß iſt nach langer Zeit des ſiechen Lebens Schluß. Allein wohin wir weiter gehn, Das moͤchten wir am liebſten wiſſen. Doch weiß es niemand einzuſehn. Dieß machet, daß wir zittern muͤſſen. ‒ ‒ Der B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/27
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/27>, abgerufen am 04.05.2024.