mand leiden, der die Liebe mit ihm theile. Durch mancherley Wege tödtet er alle andre Em- pfindungen, oder verschlinget sie vielmehr in der Liebe gegen Jhn.
Nichts desto weniger werde ich Sie lieben, meine werthe Mamma Norton: und auch meine Fräulein Howe, deren Liebe gegen mich bis an meine letzte Stunde der Frauen Liebe über- troffen hat! - - Dennoch aber bin ich über die lebhafte Empfindung solcher Vergnügungen, die mich vormals am meisten ergötzeten, hinaus: und ich sage noch einmal, daß ich Personen, die mir so werth sind, nicht zu sehen wünsche, als welche mich wieder zum Gefühl bringen, an mei- ner höchsten Liebe Theil nehmen möchten.
Zweymal bin ich genöthigt gewesen, abzubre- chen. Jch habe gewünschet, daß mein letztes Schreiben an Sie, oder an Fräulein Howe ge- richtet seyn möchte, wo nicht an meine wertheste Mu - -
Mutter habe ich schreiben wollen - - Jst das Wort leserlich? - - Meine Augen sind so benebelt! - - Wo ich mit halben Worten abbre- che, wenn ich mich an Sie wende: so ergänzen Sie dieselben - - Die liebreichsten Worte kommen Jhnen zu - - Gewiß, nehmen Sie die liebreich- sten Worte, die Lücken auszufüllen, wo Lücken da sind - -
Noch
mand leiden, der die Liebe mit ihm theile. Durch mancherley Wege toͤdtet er alle andre Em- pfindungen, oder verſchlinget ſie vielmehr in der Liebe gegen Jhn.
Nichts deſto weniger werde ich Sie lieben, meine werthe Mamma Norton: und auch meine Fraͤulein Howe, deren Liebe gegen mich bis an meine letzte Stunde der Frauen Liebe uͤber- troffen hat! ‒ ‒ Dennoch aber bin ich uͤber die lebhafte Empfindung ſolcher Vergnuͤgungen, die mich vormals am meiſten ergoͤtzeten, hinaus: und ich ſage noch einmal, daß ich Perſonen, die mir ſo werth ſind, nicht zu ſehen wuͤnſche, als welche mich wieder zum Gefuͤhl bringen, an mei- ner hoͤchſten Liebe Theil nehmen moͤchten.
Zweymal bin ich genoͤthigt geweſen, abzubre- chen. Jch habe gewuͤnſchet, daß mein letztes Schreiben an Sie, oder an Fraͤulein Howe ge- richtet ſeyn moͤchte, wo nicht an meine wertheſte Mu ‒ ‒
Mutter habe ich ſchreiben wollen ‒ ‒ Jſt das Wort leſerlich? ‒ ‒ Meine Augen ſind ſo benebelt! ‒ ‒ Wo ich mit halben Worten abbre- che, wenn ich mich an Sie wende: ſo ergaͤnzen Sie dieſelben ‒ ‒ Die liebreichſten Worte kommen Jhnen zu ‒ ‒ Gewiß, nehmen Sie die liebreich- ſten Worte, die Luͤcken auszufuͤllen, wo Luͤcken da ſind ‒ ‒
Noch
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mand leiden, der die Liebe mit ihm theile.
Durch mancherley Wege toͤdtet er alle andre Em-
pfindungen, oder verſchlinget ſie vielmehr in der
Liebe gegen Jhn.
Nichts deſto weniger werde ich Sie lieben,
meine werthe Mamma Norton: und auch meine
Fraͤulein Howe, deren Liebe gegen mich bis an
meine letzte Stunde der Frauen Liebe uͤber-
troffen hat! ‒ ‒ Dennoch aber bin ich uͤber die
lebhafte Empfindung ſolcher Vergnuͤgungen, die
mich vormals am meiſten ergoͤtzeten, hinaus:
und ich ſage noch einmal, daß ich Perſonen, die
mir ſo werth ſind, nicht zu ſehen wuͤnſche, als
welche mich wieder zum Gefuͤhl bringen, an mei-
ner hoͤchſten Liebe Theil nehmen moͤchten.
Zweymal bin ich genoͤthigt geweſen, abzubre-
chen. Jch habe gewuͤnſchet, daß mein letztes
Schreiben an Sie, oder an Fraͤulein Howe ge-
richtet ſeyn moͤchte, wo nicht an meine wertheſte
Mu ‒ ‒
Mutter habe ich ſchreiben wollen ‒ ‒ Jſt
das Wort leſerlich? ‒ ‒ Meine Augen ſind ſo
benebelt! ‒ ‒ Wo ich mit halben Worten abbre-
che, wenn ich mich an Sie wende: ſo ergaͤnzen Sie
dieſelben ‒ ‒ Die liebreichſten Worte kommen
Jhnen zu ‒ ‒ Gewiß, nehmen Sie die liebreich-
ſten Worte, die Luͤcken auszufuͤllen, wo Luͤcken
da ſind ‒ ‒
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/390>, abgerufen am 22.11.2024.
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