Es ist etwas besser mit ihr, als es war. Der Arzt ist hier gewesen, und glaubt, sie werde es noch einen oder zween Tage aushalten. Er hat ihr bloß, wie einige Zeit her, ein wenig Herz- stärkungen verordnet, die sie nehmen soll, wenn sie eine Ohnmacht antreten will. Sie schien sich in ihrer Hoffnung betrogen zu finden, als er ihr ver- meldete, daß sie noch wohl zween oder drey Tage leben könnte, und sagte, sie wünschte aufgelöset zu seyn! - - Das Lebenslicht, sähe sie, wäre nicht so leicht ausgelöschet, als sich einige vorstellten - - Ein Tod aus Kummer und Herzeleid, glaubte sie, wäre der langsamste unter allen - - Allein Gottes Wille müßte geschehen! - - Jhr einziges Gebeth wäre itzo nur dieß, daß sie sich demselben unterwerfen möchte. Denn sie zweifelte nicht, daß sie durch Gottes Gnade glückselig seyn wür- de, so bald sie nur von diesem abgenutzten Gewand der Sterblichkeit entkleidet seyn könnte.
Sie that hierauf aus freyen Stücken von euch Erwähnung: wovor sie sich bis daher gehütet hatte. Sie fragte mit großer Heiterkeit, wo ihr wäret?
Jch sagte ihr, wo: und was ihr für Ursachen hättet, so nahe zu seyn. Jch las ihr auch einige Zeilen aus eurem Briefe von heute frühe vor, in welchen ihr eurer Wünsche, sie zu sehen, eurer herzlichen Betrübniß, und eurer Entschließung,
euch
Um achte.
Es iſt etwas beſſer mit ihr, als es war. Der Arzt iſt hier geweſen, und glaubt, ſie werde es noch einen oder zween Tage aushalten. Er hat ihr bloß, wie einige Zeit her, ein wenig Herz- ſtaͤrkungen verordnet, die ſie nehmen ſoll, wenn ſie eine Ohnmacht antreten will. Sie ſchien ſich in ihrer Hoffnung betrogen zu finden, als er ihr ver- meldete, daß ſie noch wohl zween oder drey Tage leben koͤnnte, und ſagte, ſie wuͤnſchte aufgeloͤſet zu ſeyn! ‒ ‒ Das Lebenslicht, ſaͤhe ſie, waͤre nicht ſo leicht ausgeloͤſchet, als ſich einige vorſtellten ‒ ‒ Ein Tod aus Kummer und Herzeleid, glaubte ſie, waͤre der langſamſte unter allen ‒ ‒ Allein Gottes Wille muͤßte geſchehen! ‒ ‒ Jhr einziges Gebeth waͤre itzo nur dieß, daß ſie ſich demſelben unterwerfen moͤchte. Denn ſie zweifelte nicht, daß ſie durch Gottes Gnade gluͤckſelig ſeyn wuͤr- de, ſo bald ſie nur von dieſem abgenutzten Gewand der Sterblichkeit entkleidet ſeyn koͤnnte.
Sie that hierauf aus freyen Stuͤcken von euch Erwaͤhnung: wovor ſie ſich bis daher gehuͤtet hatte. Sie fragte mit großer Heiterkeit, wo ihr waͤret?
Jch ſagte ihr, wo: und was ihr fuͤr Urſachen haͤttet, ſo nahe zu ſeyn. Jch las ihr auch einige Zeilen aus eurem Briefe von heute fruͤhe vor, in welchen ihr eurer Wuͤnſche, ſie zu ſehen, eurer herzlichen Betruͤbniß, und eurer Entſchließung,
euch
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Um achte.
Es iſt etwas beſſer mit ihr, als es war. Der
Arzt iſt hier geweſen, und glaubt, ſie werde
es noch einen oder zween Tage aushalten. Er
hat ihr bloß, wie einige Zeit her, ein wenig Herz-
ſtaͤrkungen verordnet, die ſie nehmen ſoll, wenn ſie
eine Ohnmacht antreten will. Sie ſchien ſich in
ihrer Hoffnung betrogen zu finden, als er ihr ver-
meldete, daß ſie noch wohl zween oder drey Tage
leben koͤnnte, und ſagte, ſie wuͤnſchte aufgeloͤſet zu
ſeyn! ‒ ‒ Das Lebenslicht, ſaͤhe ſie, waͤre nicht ſo
leicht ausgeloͤſchet, als ſich einige vorſtellten ‒ ‒ Ein
Tod aus Kummer und Herzeleid, glaubte ſie,
waͤre der langſamſte unter allen ‒ ‒ Allein
Gottes Wille muͤßte geſchehen! ‒ ‒ Jhr einziges
Gebeth waͤre itzo nur dieß, daß ſie ſich demſelben
unterwerfen moͤchte. Denn ſie zweifelte nicht,
daß ſie durch Gottes Gnade gluͤckſelig ſeyn wuͤr-
de, ſo bald ſie nur von dieſem abgenutzten
Gewand der Sterblichkeit entkleidet ſeyn
koͤnnte.
Sie that hierauf aus freyen Stuͤcken von euch
Erwaͤhnung: wovor ſie ſich bis daher gehuͤtet
hatte. Sie fragte mit großer Heiterkeit, wo ihr
waͤret?
Jch ſagte ihr, wo: und was ihr fuͤr Urſachen
haͤttet, ſo nahe zu ſeyn. Jch las ihr auch einige
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herzlichen Betruͤbniß, und eurer Entſchließung,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/398>, abgerufen am 22.11.2024.
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