zu thun, wo sich die Gelegenheit anbietet und Un- verschämtheit nicht fehlet, gar keinen Zweifel hat; wie ist es möglich, daß ein solcher Mensch aus guten Grundsätzen einen guten Ehegatten für irgend ein Frauenzimmer abgeben sollte? Jn Wahrheit, die unschuldigen Seelen denken gar nicht, was für eine gänzliche Umkehrung des Be- tragens, was für ein Wechsel eingewurzelter Ge- wohnheiten, ja was für eine Ueberwindung einer bösen Natur dazu gehöre, daß ein Mensch aus guten Grundsätzen ein guter Ehegatte, ein würdiger Vater und treuer Freund werde: son- derlich wenn man bedenket, daß es nicht in ei- nes Menschen eignem Vermögen stehe, sich zu bessern, wann er will. Dieß hast du, daß ich von meiner eignen Erfahrung nichts sage, in dem Fort- gang deiner Unternehmungen gegen die göttliche Fräulein Harlowe befunden. Denn wer konnte wohl empfindlichere oder öftere Gewissensbisse ha- ben? Und bey wenn konnten sie wohl flüchtiger vorübergehen?
Werde nicht böse, daß ich so ernsthafte Be- trachtungen, als dieß sind, unter meine Erzählun- gen mische. Es stehet mir, nach meiner gegen- wärtigen Art zu denken, zu, es so zu machen: da ich an der Fräulein Harlowe sehe, wie alle mensch- liche Vortrefflichkeit; an dem armen Belton, wie alle unmenschliche Liederlichkeit; und nun bald an diesem verruchten Weibe, wie alle teuflische Ruch- losigkeit sich endige. Jch würde mich freuen, um eurer selbst, um eurer ansehnlichen Familie, und
um
zu thun, wo ſich die Gelegenheit anbietet und Un- verſchaͤmtheit nicht fehlet, gar keinen Zweifel hat; wie iſt es moͤglich, daß ein ſolcher Menſch aus guten Grundſaͤtzen einen guten Ehegatten fuͤr irgend ein Frauenzimmer abgeben ſollte? Jn Wahrheit, die unſchuldigen Seelen denken gar nicht, was fuͤr eine gaͤnzliche Umkehrung des Be- tragens, was fuͤr ein Wechſel eingewurzelter Ge- wohnheiten, ja was fuͤr eine Ueberwindung einer boͤſen Natur dazu gehoͤre, daß ein Menſch aus guten Grundſaͤtzen ein guter Ehegatte, ein wuͤrdiger Vater und treuer Freund werde: ſon- derlich wenn man bedenket, daß es nicht in ei- nes Menſchen eignem Vermoͤgen ſtehe, ſich zu beſſern, wann er will. Dieß haſt du, daß ich von meiner eignen Erfahrung nichts ſage, in dem Fort- gang deiner Unternehmungen gegen die goͤttliche Fraͤulein Harlowe befunden. Denn wer konnte wohl empfindlichere oder oͤftere Gewiſſensbiſſe ha- ben? Und bey wenn konnten ſie wohl fluͤchtiger voruͤbergehen?
Werde nicht boͤſe, daß ich ſo ernſthafte Be- trachtungen, als dieß ſind, unter meine Erzaͤhlun- gen miſche. Es ſtehet mir, nach meiner gegen- waͤrtigen Art zu denken, zu, es ſo zu machen: da ich an der Fraͤulein Harlowe ſehe, wie alle menſch- liche Vortrefflichkeit; an dem armen Belton, wie alle unmenſchliche Liederlichkeit; und nun bald an dieſem verruchten Weibe, wie alle teufliſche Ruch- loſigkeit ſich endige. Jch wuͤrde mich freuen, um eurer ſelbſt, um eurer anſehnlichen Familie, und
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zu thun, wo ſich die Gelegenheit anbietet und Un-
verſchaͤmtheit nicht fehlet, gar keinen Zweifel hat;
wie iſt es moͤglich, daß ein ſolcher Menſch aus
guten Grundſaͤtzen einen guten Ehegatten fuͤr
irgend ein Frauenzimmer abgeben ſollte? Jn
Wahrheit, die unſchuldigen Seelen denken gar
nicht, was fuͤr eine gaͤnzliche Umkehrung des Be-
tragens, was fuͤr ein Wechſel eingewurzelter Ge-
wohnheiten, ja was fuͤr eine Ueberwindung einer
boͤſen Natur dazu gehoͤre, daß ein Menſch aus
guten Grundſaͤtzen ein guter Ehegatte, ein
wuͤrdiger Vater und treuer Freund werde: ſon-
derlich wenn man bedenket, daß es nicht in ei-
nes Menſchen eignem Vermoͤgen ſtehe, ſich zu
beſſern, wann er will. Dieß haſt du, daß ich von
meiner eignen Erfahrung nichts ſage, in dem Fort-
gang deiner Unternehmungen gegen die goͤttliche
Fraͤulein Harlowe befunden. Denn wer konnte
wohl empfindlichere oder oͤftere Gewiſſensbiſſe ha-
ben? Und bey wenn konnten ſie wohl fluͤchtiger
voruͤbergehen?
Werde nicht boͤſe, daß ich ſo ernſthafte Be-
trachtungen, als dieß ſind, unter meine Erzaͤhlun-
gen miſche. Es ſtehet mir, nach meiner gegen-
waͤrtigen Art zu denken, zu, es ſo zu machen: da
ich an der Fraͤulein Harlowe ſehe, wie alle menſch-
liche Vortrefflichkeit; an dem armen Belton, wie
alle unmenſchliche Liederlichkeit; und nun bald an
dieſem verruchten Weibe, wie alle teufliſche Ruch-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/568>, abgerufen am 22.11.2024.
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