Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite


Jhre Antwort war, sie wollten alles, was ich
gesagt hätte, ihren Eltern hinterbringen. Sie
setzten hinzu, so groß auch ihre Unruhe schon wä-
re, so fänden sie doch, daß sie noch mehr zu erwar-
ten hätten. Wenn aber Herr Belford, wider
ihr Vermuthen, die Vollziehung des Testaments
behalten müßte: so ersuchten sie mich, die Mü-
he zu übernehmen und alles mit Jhnen abzuthun;
damit ein Freund desjenigen, dem sie alle ihre
Noth zuzuschreiben hätten, ihnen nicht vor Augen
kommen möchte.

Durch die Schriftstelle, welche ihre Schwe-
ster zum Grunde ihrer Leichenrede gewählt hatte,
wurden sie ungemein beweget (*). Jch hatte
dieß Stück aus dem Testamente ausgezogen:
weil ich als wahrscheinlich vermuthete, daß ich
nicht so bald Gelegenheit haben würde, ihnen das
Testament zu zeigen, wie sonst in Betrachtung
ihres Begräbnisses, das keinen Aufschub leidet,
nöthig gewesen seyn würde.


Die unglückliche Familie macht sich zu einer
traurigen Zusammenkunft beym Frühstück
fertig. Herr Jakob Harlowe, der eben so wenig
Ruhe gehabt hat, als ich, hat an Herrn Melvill
geschrieben: und dieser hat versprochen, eine kleine
Lobrede auf die Verstorbene zu entwerfen. Die

Fräu-
(*) Man sehe das Testament, welches nach dem
LXXXVI Briefe folgen wird.


Jhre Antwort war, ſie wollten alles, was ich
geſagt haͤtte, ihren Eltern hinterbringen. Sie
ſetzten hinzu, ſo groß auch ihre Unruhe ſchon waͤ-
re, ſo faͤnden ſie doch, daß ſie noch mehr zu erwar-
ten haͤtten. Wenn aber Herr Belford, wider
ihr Vermuthen, die Vollziehung des Teſtaments
behalten muͤßte: ſo erſuchten ſie mich, die Muͤ-
he zu uͤbernehmen und alles mit Jhnen abzuthun;
damit ein Freund desjenigen, dem ſie alle ihre
Noth zuzuſchreiben haͤtten, ihnen nicht vor Augen
kommen moͤchte.

Durch die Schriftſtelle, welche ihre Schwe-
ſter zum Grunde ihrer Leichenrede gewaͤhlt hatte,
wurden ſie ungemein beweget (*). Jch hatte
dieß Stuͤck aus dem Teſtamente ausgezogen:
weil ich als wahrſcheinlich vermuthete, daß ich
nicht ſo bald Gelegenheit haben wuͤrde, ihnen das
Teſtament zu zeigen, wie ſonſt in Betrachtung
ihres Begraͤbniſſes, das keinen Aufſchub leidet,
noͤthig geweſen ſeyn wuͤrde.


Die ungluͤckliche Familie macht ſich zu einer
traurigen Zuſammenkunft beym Fruͤhſtuͤck
fertig. Herr Jakob Harlowe, der eben ſo wenig
Ruhe gehabt hat, als ich, hat an Herrn Melvill
geſchrieben: und dieſer hat verſprochen, eine kleine
Lobrede auf die Verſtorbene zu entwerfen. Die

Fraͤu-
(*) Man ſehe das Teſtament, welches nach dem
LXXXVI Briefe folgen wird.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0593" n="587"/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p>Jhre Antwort war, &#x017F;ie wollten alles, was ich<lb/>
ge&#x017F;agt ha&#x0364;tte, ihren Eltern hinterbringen. Sie<lb/>
&#x017F;etzten hinzu, &#x017F;o groß auch ihre Unruhe &#x017F;chon wa&#x0364;-<lb/>
re, &#x017F;o fa&#x0364;nden &#x017F;ie doch, daß &#x017F;ie noch mehr zu erwar-<lb/>
ten ha&#x0364;tten. Wenn aber Herr Belford, wider<lb/>
ihr Vermuthen, die Vollziehung des Te&#x017F;taments<lb/><hi rendition="#fr">behalten mu&#x0364;ßte:</hi> &#x017F;o er&#x017F;uchten &#x017F;ie mich, die Mu&#x0364;-<lb/>
he zu u&#x0364;bernehmen und alles mit Jhnen abzuthun;<lb/>
damit ein Freund desjenigen, dem &#x017F;ie alle ihre<lb/>
Noth zuzu&#x017F;chreiben ha&#x0364;tten, ihnen nicht vor Augen<lb/>
kommen mo&#x0364;chte.</p><lb/>
            <p>Durch die Schrift&#x017F;telle, welche ihre Schwe-<lb/>
&#x017F;ter zum Grunde ihrer Leichenrede gewa&#x0364;hlt hatte,<lb/>
wurden &#x017F;ie ungemein beweget <note place="foot" n="(*)">Man &#x017F;ehe das Te&#x017F;tament, welches nach dem<lb/><hi rendition="#aq">LXXXVI</hi> Briefe folgen wird.</note>. Jch hatte<lb/>
dieß Stu&#x0364;ck aus dem Te&#x017F;tamente ausgezogen:<lb/>
weil ich als wahr&#x017F;cheinlich vermuthete, daß ich<lb/>
nicht &#x017F;o bald Gelegenheit haben wu&#x0364;rde, ihnen das<lb/>
Te&#x017F;tament zu zeigen, wie &#x017F;on&#x017F;t in Betrachtung<lb/>
ihres Begra&#x0364;bni&#x017F;&#x017F;es, das keinen Auf&#x017F;chub leidet,<lb/>
no&#x0364;thig gewe&#x017F;en &#x017F;eyn wu&#x0364;rde.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Montags fru&#x0364;he zwi&#x017F;chen achten und neunen.</hi> </dateline><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>ie unglu&#x0364;ckliche Familie macht &#x017F;ich zu einer<lb/>
traurigen Zu&#x017F;ammenkunft beym Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck<lb/>
fertig. Herr Jakob Harlowe, der eben &#x017F;o wenig<lb/>
Ruhe gehabt hat, als ich, hat an Herrn Melvill<lb/>
ge&#x017F;chrieben: und die&#x017F;er hat ver&#x017F;prochen, eine kleine<lb/>
Lobrede auf die Ver&#x017F;torbene zu entwerfen. Die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Fra&#x0364;u-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[587/0593] Jhre Antwort war, ſie wollten alles, was ich geſagt haͤtte, ihren Eltern hinterbringen. Sie ſetzten hinzu, ſo groß auch ihre Unruhe ſchon waͤ- re, ſo faͤnden ſie doch, daß ſie noch mehr zu erwar- ten haͤtten. Wenn aber Herr Belford, wider ihr Vermuthen, die Vollziehung des Teſtaments behalten muͤßte: ſo erſuchten ſie mich, die Muͤ- he zu uͤbernehmen und alles mit Jhnen abzuthun; damit ein Freund desjenigen, dem ſie alle ihre Noth zuzuſchreiben haͤtten, ihnen nicht vor Augen kommen moͤchte. Durch die Schriftſtelle, welche ihre Schwe- ſter zum Grunde ihrer Leichenrede gewaͤhlt hatte, wurden ſie ungemein beweget (*). Jch hatte dieß Stuͤck aus dem Teſtamente ausgezogen: weil ich als wahrſcheinlich vermuthete, daß ich nicht ſo bald Gelegenheit haben wuͤrde, ihnen das Teſtament zu zeigen, wie ſonſt in Betrachtung ihres Begraͤbniſſes, das keinen Aufſchub leidet, noͤthig geweſen ſeyn wuͤrde. Montags fruͤhe zwiſchen achten und neunen. Die ungluͤckliche Familie macht ſich zu einer traurigen Zuſammenkunft beym Fruͤhſtuͤck fertig. Herr Jakob Harlowe, der eben ſo wenig Ruhe gehabt hat, als ich, hat an Herrn Melvill geſchrieben: und dieſer hat verſprochen, eine kleine Lobrede auf die Verſtorbene zu entwerfen. Die Fraͤu- (*) Man ſehe das Teſtament, welches nach dem LXXXVI Briefe folgen wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/593
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/593>, abgerufen am 22.11.2024.