Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite


"Wenn ich sagen soll, daß ich sie einstens vor-
"züglich geachtet habe" (*) - - Jn was für einer
gezwungenen Sprache drückt sich die jüngferliche
Sittsamkeit bey solchen bedenklichen Vorfällen
aus! - - Wenn ich sagen soll, daß ich sie
einstens geliebet habe
- - so heißt es auf
deutsch, und so ist der Ausdruck wahr und unge-
zwungen - - "Wenn ich sagen soll, daß ich sie
"einstens geliebet habe" - - alsdenn mag es
seyn - - "so ist das ein Bekenntniß, wovor ich
"billig erröthen muß."

Und gestehst du es dann? - - Vortreffliche
Fräulein! gestehst du es dann? - - Was für ein
musikalischer Wohlklang liegt in diesen Worten,
wenn sie aus dem Munde eines solchen Engels
kommen! - - Was wollte ich darum geben, daß
sie am Leben wäre und gestehen könnte und woll-
te, daß sie mich liebte?

"Allein, in Wahrheit, mein Herr, ich bin lan-
"ge weit über Sie hinaus gewesen."

Lange, meine selige Schöne! - - Jn Wahr-
heit, lange - - denn sie sind allezeit weit über
mich, und weit über ihr Geschlecht, und weit über
alle Welt erhaben gewesen.

"Dieser Vorzug war nicht auf unedle Bewe-
"gungsgründe gebauet."

Was für ein nichtswürdiger Bösewicht bin
ich gewesen, da ich so vorzüglich von ihr geachtet

wor-
(*) Man sehe den unmittelbar vorhergehenden
Brief.
U u 5


„Wenn ich ſagen ſoll, daß ich ſie einſtens vor-
„zuͤglich geachtet habe“ (*) ‒ ‒ Jn was fuͤr einer
gezwungenen Sprache druͤckt ſich die juͤngferliche
Sittſamkeit bey ſolchen bedenklichen Vorfaͤllen
aus! ‒ ‒ Wenn ich ſagen ſoll, daß ich ſie
einſtens geliebet habe
‒ ‒ ſo heißt es auf
deutſch, und ſo iſt der Ausdruck wahr und unge-
zwungen ‒ ‒ „Wenn ich ſagen ſoll, daß ich ſie
„einſtens geliebet habe“ ‒ ‒ alsdenn mag es
ſeyn ‒ ‒ „ſo iſt das ein Bekenntniß, wovor ich
„billig erroͤthen muß.“

Und geſtehſt du es dann? ‒ ‒ Vortreffliche
Fraͤulein! geſtehſt du es dann? ‒ ‒ Was fuͤr ein
muſikaliſcher Wohlklang liegt in dieſen Worten,
wenn ſie aus dem Munde eines ſolchen Engels
kommen! ‒ ‒ Was wollte ich darum geben, daß
ſie am Leben waͤre und geſtehen koͤnnte und woll-
te, daß ſie mich liebte?

„Allein, in Wahrheit, mein Herr, ich bin lan-
„ge weit uͤber Sie hinaus geweſen.“

Lange, meine ſelige Schoͤne! ‒ ‒ Jn Wahr-
heit, lange ‒ ‒ denn ſie ſind allezeit weit uͤber
mich, und weit uͤber ihr Geſchlecht, und weit uͤber
alle Welt erhaben geweſen.

„Dieſer Vorzug war nicht auf unedle Bewe-
„gungsgruͤnde gebauet.“

Was fuͤr ein nichtswuͤrdiger Boͤſewicht bin
ich geweſen, da ich ſo vorzuͤglich von ihr geachtet

wor-
(*) Man ſehe den unmittelbar vorhergehenden
Brief.
U u 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0687" n="681"/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p>&#x201E;Wenn ich &#x017F;agen &#x017F;oll, daß ich &#x017F;ie ein&#x017F;tens vor-<lb/>
&#x201E;zu&#x0364;glich geachtet habe&#x201C; <note place="foot" n="(*)">Man &#x017F;ehe den unmittelbar vorhergehenden<lb/>
Brief.</note> &#x2012; &#x2012; Jn was fu&#x0364;r einer<lb/>
gezwungenen Sprache dru&#x0364;ckt &#x017F;ich die ju&#x0364;ngferliche<lb/>
Sitt&#x017F;amkeit bey &#x017F;olchen bedenklichen Vorfa&#x0364;llen<lb/>
aus! &#x2012; &#x2012; <hi rendition="#fr">Wenn ich &#x017F;agen &#x017F;oll, daß ich &#x017F;ie<lb/>
ein&#x017F;tens geliebet habe</hi> &#x2012; &#x2012; &#x017F;o heißt es auf<lb/>
deut&#x017F;ch, und &#x017F;o i&#x017F;t der Ausdruck wahr und unge-<lb/>
zwungen &#x2012; &#x2012; &#x201E;Wenn ich &#x017F;agen &#x017F;oll, daß ich &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;ein&#x017F;tens geliebet habe&#x201C; &#x2012; &#x2012; alsdenn mag es<lb/>
&#x017F;eyn &#x2012; &#x2012; &#x201E;&#x017F;o i&#x017F;t das ein Bekenntniß, wovor ich<lb/>
&#x201E;billig erro&#x0364;then muß.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Und ge&#x017F;teh&#x017F;t du es dann? &#x2012; &#x2012; Vortreffliche<lb/>
Fra&#x0364;ulein! ge&#x017F;teh&#x017F;t du es dann? &#x2012; &#x2012; Was fu&#x0364;r ein<lb/>
mu&#x017F;ikali&#x017F;cher Wohlklang liegt in die&#x017F;en Worten,<lb/>
wenn &#x017F;ie aus dem Munde eines &#x017F;olchen Engels<lb/>
kommen! &#x2012; &#x2012; Was wollte ich darum geben, daß<lb/>
&#x017F;ie am Leben wa&#x0364;re und ge&#x017F;tehen <hi rendition="#fr">ko&#x0364;nnte</hi> und woll-<lb/>
te, daß &#x017F;ie mich liebte?</p><lb/>
            <p>&#x201E;Allein, in Wahrheit, mein Herr, ich bin lan-<lb/>
&#x201E;ge weit u&#x0364;ber Sie hinaus gewe&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Lange, meine &#x017F;elige Scho&#x0364;ne! &#x2012; &#x2012; Jn Wahr-<lb/>
heit, lange &#x2012; &#x2012; denn &#x017F;ie &#x017F;ind <hi rendition="#fr">allezeit</hi> weit u&#x0364;ber<lb/>
mich, und weit u&#x0364;ber ihr Ge&#x017F;chlecht, und weit u&#x0364;ber<lb/>
alle Welt erhaben gewe&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>&#x201E;Die&#x017F;er Vorzug war nicht auf unedle Bewe-<lb/>
&#x201E;gungsgru&#x0364;nde gebauet.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Was fu&#x0364;r ein nichtswu&#x0364;rdiger Bo&#x0364;&#x017F;ewicht bin<lb/>
ich gewe&#x017F;en, da ich &#x017F;o vorzu&#x0364;glich von ihr geachtet<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u 5</fw><fw place="bottom" type="catch">wor-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[681/0687] „Wenn ich ſagen ſoll, daß ich ſie einſtens vor- „zuͤglich geachtet habe“ (*) ‒ ‒ Jn was fuͤr einer gezwungenen Sprache druͤckt ſich die juͤngferliche Sittſamkeit bey ſolchen bedenklichen Vorfaͤllen aus! ‒ ‒ Wenn ich ſagen ſoll, daß ich ſie einſtens geliebet habe ‒ ‒ ſo heißt es auf deutſch, und ſo iſt der Ausdruck wahr und unge- zwungen ‒ ‒ „Wenn ich ſagen ſoll, daß ich ſie „einſtens geliebet habe“ ‒ ‒ alsdenn mag es ſeyn ‒ ‒ „ſo iſt das ein Bekenntniß, wovor ich „billig erroͤthen muß.“ Und geſtehſt du es dann? ‒ ‒ Vortreffliche Fraͤulein! geſtehſt du es dann? ‒ ‒ Was fuͤr ein muſikaliſcher Wohlklang liegt in dieſen Worten, wenn ſie aus dem Munde eines ſolchen Engels kommen! ‒ ‒ Was wollte ich darum geben, daß ſie am Leben waͤre und geſtehen koͤnnte und woll- te, daß ſie mich liebte? „Allein, in Wahrheit, mein Herr, ich bin lan- „ge weit uͤber Sie hinaus geweſen.“ Lange, meine ſelige Schoͤne! ‒ ‒ Jn Wahr- heit, lange ‒ ‒ denn ſie ſind allezeit weit uͤber mich, und weit uͤber ihr Geſchlecht, und weit uͤber alle Welt erhaben geweſen. „Dieſer Vorzug war nicht auf unedle Bewe- „gungsgruͤnde gebauet.“ Was fuͤr ein nichtswuͤrdiger Boͤſewicht bin ich geweſen, da ich ſo vorzuͤglich von ihr geachtet wor- (*) Man ſehe den unmittelbar vorhergehenden Brief. U u 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/687
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/687>, abgerufen am 22.11.2024.